Erster Grünen-Landrat Bayerns: Fränkischer Politiker wirft das Handtuch - und schreibt "offenen Brief"

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Der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf (Bündnis 90/Die Grünen)
Der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf will sich 2026 nicht mehr zur Wahl stellen. Der Grünen-Politiker führt in einem offenen Brief auf der Internetseite des Landratsamtes gesundheitliche ...
Der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf (Bündnis 90/Die Grünen)
Anna Hornstein/dpa (li.), refresh(PIX)/Adobe Stock (re.)

Etwa 20 Monate vor dem Ende seiner Amtszeit hat der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf (Grüne) bekannt gegeben, dass er im Jahr 2026 nicht erneut kandidieren wird. Über den Grund für seinen Rückzug informierte er die Bürger in einem "offenen Brief".

Jens Marco Scherf (Bündnis 90/Die Grünen), Landrat im unterfränkischen Kreis Miltenberg, hat angekündigt, sich 2026 nicht mehr zur Wahl stellen zu wollen. Der 50 Jahre alte Politiker begründete seinen Rückzug am Donnerstag, 5. September 2024, in einem offenen Brief auf der Webseite des Landratsamtes mit gesundheitlichen Problemen. Die Entscheidung aufgrund seiner Migräneerkrankung sei ihm sehr schwergefallen.

Er werde nun seine Kräfte bündeln, um bis zum 30. April 2026 die bestmögliche Arbeit für den Landkreis Miltenberg zu leisten, wird Scherf in der Mitteilung des Landkreises zitiert.

Miltenberger Landrat Scherf (50) zieht sich zurück - der offene Brief im Wortlaut

Aus dem dann anstehenden Wahlkampf will sich Scherf heraushalten, heißt es in dem Schreiben weiter. Seine Energie wolle er darauf verwenden, das Landratsamt in den kommenden 20 Monaten gut zu führen, wichtige Projekte anzustoßen und eine reibungslose Amtsübergabe zu ermöglichen. Nach dem Ende seiner Amtszeit plane Scherf den Angaben zufolge eine mehrmonatige Auszeit, um sich dann beruflich neu zu orientieren.

Mit folgendem offenen Brief wandte sich Landrat Scherf an die Bevölkerung, um seine Entscheidung zu begründen. Adressiert ist der Brief auch an "die Kreisrätinnen und Kreisräte des Kreistags sowie die Mitarbeitenden des Landratsamtes":   

"Liebe Bürgerinnen und Bürger, 

es ist ein Gebot von Fairness und Verantwortung der Bevölkerung gegenüber, nachfolgende Information ohne Aufschub mitzuteilen. 

Seit 1. Mai 2014 darf ich dank des in zwei Wahlen ausgedrückten Vertrauens Landrat meines Heimatlandkreises Miltenberg sein. Landrat zu sein bedeutet für mich eine große Verantwortung für meine Heimat mit ihren Menschen und – ja, dieses Landrats-Amt ist die Aufgabe meines Lebens. 

Auch deshalb hatte ich vor der Kommunalwahl 2020 den Menschen klar und unmissverständlich versprochen: Wenn ihr mich wählt, dann für die nächsten sechs Jahre – nicht als Sprungbrett für was auch immer. Dieses Wort gab ich und versprach es zu halten – unter dem Vorbehalt, den ich in Demut stets dazu gesetzt hatte: der notwendigen Gesundheit.
Stichwort Gesundheit: Seit über einem Jahr ist es mir nicht mehr gelungen, die immer deutlicheren gesundheitlichen Einschränkungen wirkungsvoll zu reduzieren, trotz vielfältiger Versuche und Behandlungsansätze. Ich stelle selbstkritisch fest, dass mein eigener Anspruch, wie ich dieses Amt des Landrats ausführen und leben will, und die Möglichkeiten meiner Gesundheit immer weiter auseinandergehen. 

Deshalb habe ich mich schließlich im Laufe des Frühjahrs unter ärztlicher Beratung durchgerungen, mich im Juli 2024 aufgrund meiner Migräne-Erkrankung neben der ambulanten Behandlung in eine stationäre Behandlung zu begeben. 

Nicht zuletzt dieser mehrwöchige stationäre Aufenthalt in einer Migräneklinik mit eingehenden Arztgesprächen machte mir klar, dass ich nicht guten Gewissens eine weitere sechsjährige Amtszeit als Landrat anstreben kann. Aktuell sind die gesundheitlichen Voraussetzungen nicht gegeben, um sowohl den hohen Anforderungen des Amtes als auch meinen hohen Ansprüchen über sechs Jahre hinweg gerecht werden zu können. 

Ich halte es für meine Pflicht, die Tatsache, dass ich mich Stand heute aus gesundheitlichen Gründen bei der Kommunalwahl 2026 nicht um eine weitere Amtszeit bewerben kann, so frühzeitig wie möglich zu kommunizieren. 

Ich bitte sowohl Sie, die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Miltenberg als auch die Mitglieder des Kreistags sowie meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes, um Verständnis. Die Entscheidung, mich aus gesundheitlichen Gründen für eine weitere Amtszeit nicht mehr bewerben zu können, ist eine der schwierigsten in meinem beruflichen Leben. 

Gleichzeitig verspreche ich, dass ich alles tun werde, um bis zum 30. April 2026 meiner Verantwortung als Landrat für den Landkreis Miltenberg vollauf gerecht zu werden. 

Jens Marco Scherf, Landrat"

Seit zehn Jahren im Amt

Der Grünen-Politiker war 2014 erstmals zum Landrat von Miltenberg in Unterfranken gewählt worden - und damit der erste grüne Landrat in ganz Bayern.

Grünen-Landesvorsitzende Eva Lettenbauer bedauerte die Ankündigung. Sie habe höchsten Respekt vor der Entscheidung. Klar sei, dass Gesundheit immer vorgeht. "Ich bin stolz auf unseren derzeit einzigen grünen Landrat im Freistaat", teilte sie mit. Scherf sei ein nahbarer Kommunalpolitiker und habe seit 2014 eindrucksvoll bewiesen, dass die Grünen regieren und gestalten könnten. 

Kürzlich hatte ein Siebenjähriger aus dem Kreis Miltenberg dafür gesorgt, dass das dortige Bauamt ein Straßenschild korrigieren musste. sl/dpa

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