Im Prozess um einen versuchten Totschlag in einer Weismainer Flüchtlingsunterkunft widersprechen sich die Zeugen selbst.
Hatte er das Messer in der Hand, um eine Feier in seinem Zimmer aufzulösen, oder hatte er es nur noch zufällig in der Hand, weil er sich kurz zuvor einen Salat zubereitet hat? Auch der zweite Verhandlungstag gegen einen 20-jährigen Asylbewerber aus dem Iran, dem versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen wird, brachte kaum neue Erkenntnisse.
Durch Messer verletzt
Auslöser des Streits war eine Feier, die sein Mitbewohner zusammen mit weiteren Landsleuten in dem gemeinsamen Zimmer in der Asylbewerberunterkunft in Weismain veranstaltete, in dessen Verlauf der Beschuldigte seinen Mitbewohner mit einem Klappmesser an der Hand verletzte. Bei dieser Feier wurde Bier getrunken, laute Musik gehört und zur Musik getanzt.
Die Große Jugendkammer am Landgericht in Coburg hatte bei der gestrigen Verhandlung weitere Zeugen und Dolmetscher geladen, darunter auch eine 20-jährige Frau, die auf einem der Handy-Videos zu sehen ist, die bei besagter Feier im Juli letzten Jahres im Zimmer des Beschuldigten gedreht wurden.
Eine völlig neue Version
Dass der Angeklagte ein Messer in der Hand hatte, als er das Zimmer betrat, daran erinnert sich die Zeugin. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Christoph Gillot, welchen Grund der Beschuldigte gehabt habe, mit einem Messer sein Zimmer zu betreten, brachte die Zeugin eine völlig neue Version zu Gehör. Er sei aus der Küche gekommen, wo er für sich und seine Freundin zuvor einen Salat gemacht und mit dem Messer Gurken und Tomaten geschnitten habe, übersetzte der Dolmetscher. Bei so viel "Gesundem" wollte der Vorsitzende Richter es dann belassen und übergab an Staatsanwalt Christian Pfab, der der Zeugin unmissverständlich die Konsequenzen einer Falschaussage deutlich machte. "Vom Essen machen war bislang keine Rede", sagte Pfab. Der Beschuldigte habe den Feiernden auf Arabisch erklärt, dass sie sein Zimmer verlassen sollen, erklärte die Zeugin. Doch sein Zimmergenosse wollte den Raum nicht verlassen, vielmehr habe er versucht, den Beschuldigten aus dem Zimmer zu drängen, und sich dabei am Messer verletzt.
Dass der Beschuldigte sehr aggressiv gewesen sei, wie die Zeugen vom ersten Verhandlungstag bei ihrer Erstvernehmung durch die Polizei aussagten, das verneinte die Zeugin am gestrigen Verhandlungstag. "Er war normal, die anderen waren besoffen", übersetzte der Dolmetscher die Aussage der jungen Frau. Eine weitere Zeugin aus der Asylbewerberunterkunft konnte sich nicht erklären, weshalb sich die beiden Zimmernachbarn "mit den Beinen geschlagen haben", da sie doch befreundet gewesen seien. Auch ein Messer will sie nicht gesehen haben.
Die zu Beginn der Verhandlung gezeigten acht Handy-Videos zeigten zwar nicht das Tatgeschehen, aber die Begleitumstände. Zu sehen waren eine Gruppe von Männern und einige wenige Frauen, die gemeinsam feierten. Ein weiteres Video zeigte eine von massiven Schimpfwörtern begleitete Auseinandersetzung im Außenbereich der Asylbewerberunterkunft in Weismain.
Auch nach dem zweiten Verhandlungstag sind noch viele Fragen offen
Die zentrale Frage des ersten Verhandlungstages, was passiert wäre, wenn der Zimmergenosse den Angriff des Beschuldigten nicht abgewehrt hätte, konnte auch am zweiten Verhandlungstag nicht geklärt werden. Auch nicht, warum die Aussagen der Zeugen des ersten Verhandlungstages so deutlich von dem abwichen, was diese zunächst bei der Polizei ausgesagt hatten. "Die Verständigung zwischen dem Dolmetscher und den Zeugen war problemlos möglich", sagte ein Polizist der Polizeiinspektion Lichtenfels. Jeder Zeuge wurde damals einzeln befragt und jeder schilderte, dass bei der Auseinandersetzung durchaus mehr hätte passieren können. Ihre Aussagen habe der Dolmetscher den Zeugen noch einmal vorgelesen, diese hätten die Papiere dann unterschrieben.
Am kommenden Mittwoch wird die Verhandlung in Coburg mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.