"Wir wollen etwas zurückgeben": So engagieren sich Ehrenamtliche in Corona-Zeiten

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Ein eingespieltes Team: Edmund Müller (links) und Erhard Schlottermüller engagieren sich schon seit Jahren bei den Aktiven Bürgern. Foto: Aktive Bürger
Ein eingespieltes Team: Edmund Müller (links) und Erhard Schlottermüller engagieren sich schon seit Jahren bei den Aktiven Bürgern.  Foto: Aktive Bürger

Die Aktiven Bürger stellen seit Jahren soziale Projekte auf die Beine. Wegen Corona ist das auf die übliche Weise nicht möglich. Zwei Mitglieder berichten von kreativen Ansätzen und erzählen vom Ehrenamt an sich.

Unter dem Stichwort "aktiv" steht im Stilwörterbuch des Duden die folgende Definition: tätig, rührig, zielstrebig. Drei Wesensmerkmale, die auf die Aktiven Bürger zweifelsohne zutreffen: Die Mitglieder der Gruppe – eine Art Marktplatz für das Ehrenamt –, engagieren sich seit der Gründung im Jahr 2011 in verschiedenen Bereichen.

Die Bürgerstiftung als Träger ermöglicht es den Verantwortlichen viele Projekte zu realisieren. Es gibt beispielsweise Lesestunden in Kindergärten oder Seniorenheimen, Integrationshilfe für Asylsuchende, und auch Helfer für die Tafeln in Lichtenfels und Burgkunstadt werden vermittelt.

Ehrenamt in Corona-Zeiten: So engagieren sich die "Aktiven Bürger" im Raum Lichten

Im Gespräch mit dem Fränkischen Tag berichten der geschäftsführende Vorsitzende des Trägervereins, Erhard Schlottermüller, und Gründungsmitglied sowie Mitorganisator Edmund Müller von den coronabedingten Problemen und erklären, warum ihr Engagement keine Einbahnstraße ist.

Der zweite Lockdown hat das Vereinsleben in ganz Deutschland zum Erliegen gebracht. Können Sie und Ihre Mitstreiter aktuell noch aktiv sein?

Edmund Müller: Es ist momentan schwierig. Viele Aktivitäten basieren auf dem direkten Kontakt. Wir mussten schon einiges herunterfahren.

Erhard Schlottermüller: Wir können also nur sehr bedingt aktiv sein. Von unseren Projekten läuft aktuell nur die Hilfe bei der Tafel mit persönlichem Kontakt – selbstverständlich unter Einhaltung eines Hygienekonzepts. Andere Aktivitäten laufen momentan virtuell. Wir haben zum Beispiel einen Märchenkanal auf Youtube für die Kindergartenkinder geschaffen. Die Betreuung der Geflüchteten findet indes über WhatsApp statt. Viele der Migranten haben übrigens zu Beginn der Pandemie ihren Beitrag geleistet: Sie haben Masken genäht, die wir an verschiedene Institutionen verteilt haben.

Müller: Diese Menschen haben hier in Deutschland sehr viel Positives erfahren und wollten etwas zurückgeben.

Schlottermüller: Stichwort zurückgeben. Auch wir wollen das durch unser Engagement tun. Unsere Generation ist in Frieden aufgewachsen. Wir hatten in den 60ern und den 70ern ideale Bedingungen. Jetzt, im Rentenalter, wollen wir uns durch unsere Aktionen auch ein Stück weit dankbar zeigen.

Gibt es Möglichkeiten, die aktuelle Phase zu nutzen – etwa im organisatorischen Bereich?

Schlottermüller: Wir rufen momentan alle 400 Helfer unseres Vereins an. Wir danken ihnen für ihre Arbeit, fragen, wie es ihnen geht und ob sie in Zukunft mit an Bord bleiben. In 90 Prozent der Fälle ist es so, dass sie dabei bleiben.

Das eigene Engagement scheint den Ehrenamtlichen also wichtig zu sein. Wohl auch, weil es sie in ideeller Weise entlohnt. Was ziehen Sie persönlich aus Ihrer Tätigkeit?

Müller: Ich spüre eine gewisse Dankbarkeit. Geben bedeutet auch immer bekommen – und zwar reichlich. Gerade im Rentenalter ist so ein Ehrenamt eine sehr erfüllende Aufgabe.

Schlottermüller: Genau. Wenn du dein Berufsleben hinter dir hast, freust du dich erst einmal. Du hast Zeit für die Familie, den Garten oder das Reisen. Irgendwann denkst du dir aber: Etwas wirklich Sinnstiftendes zu tun, wäre schön. Mich faszinieren vor allem die Gänsehautmomente, wenn du hilfst. Davon gibt es reichlich.

Was wäre ein Beispiel für solch einen Moment?

Schlottermüller: Einmal las eine Helferin im Kindergarten aus dem Buch ‚Winnie Puuh und der Honigtopf‘ vor. Als sie fertig war, holte sie Honigbrote zum Vesper aus ihrer Tasche. Die Augen der Kinder haben geleuchtet.

Müller: Wir haben ein Projekt in Seniorenheimen. Dort spielen Aktive Bürger mit den Bewohnern. Es wird auch viel gesungen. Dann passiert es, dass demente Menschen, die sonst keinen Ton mehr sprechen, keine Orientierung mehr haben und teilweise ihren eigenen Namen nicht mehr kennen, anfangen mitzusingen. Das ist wunderbar.

Weshalb ist das Ehrenamt in unserer Gesellschaft so wichtig?

Müller: Eine demokratische Gesellschaft, wie wir sie verstehen, muss von unten nach oben gestaltet werden. Diese Gestaltung übernehmen oftmals bestimmte Gruppierungen, wie die Kirche oder Vereine. Aber leider wirken auch Populisten und Rassisten mit ein. Dagegen müssen wir ein Zeichen setzen. Ähnlich ist es mit dem Egoismus. Wir beobachten eine Gesellschaft, die sich immer mehr in eine solche Richtung bewegt. Wenn jeder nur ein bisschen Einsatz zeigt, verbessern wir die Lebensqualität von uns allen.

In welchen Bereichen fehlen aktuell die Helfer?

Müller: Was uns betrifft, müssten wir eigentlich alle Bereiche nennen. Viele Helfer sind nämlich nur vorübergehend aktiv.

Schlottermüller: Es ist unser Grundsatz, dass jeder Aktive Bürger die Art, die Zeit und die Dauer seiner ehrenamtlichen Tätigkeit selbst festlegt. Ein Teil der Aktiven nutzt das für gezielte und befristete Einsätze. Auch kommen immer wieder neue Aufgaben auf uns zu. Dafür suchen wir dann neue ehrenamtliche Helfer.

Was ist das beste Rezept, um diese zu gewinnen?

Schlottermüller: Wir haben ein Netzwerk mit Ansprechpartnern in den Städten und Gemeinden des gesamten Landkreises. Die sind wiederum vor Ort gut vernetzt. Das ist der Schlüssel.

Müller: Der persönliche Kontakt ist immer das Beste. Es ist aber auch wichtig, dass die Bürger über unsere Aktivitäten Bescheid wissen. Mittlerweile geht da auch einiges über die Medien – unsere Website zum Beispiel. Zudem geben wir einen digitalen Newsletter mit dem Namen Ehrensache raus.

Also auch moderne Methoden, mit denen man junge Menschen erreichen könnte. Gerade denen wird oftmals vorgeworfen, dass ihnen die Motivation für eine ehrenamtliche Tätigkeit fehle. Wie beurteilen sie diese Behauptung?

Schlottermüller: Ich glaube nicht, dass ihnen die Motivation fehlt. Gerade in der Flüchtlingsbetreuung gab es beispielsweise sehr schnell einige junge Leute, die mitgeholfen haben.

Müller: Wobei man schon sagen muss, dass uns die jungen Menschen ein bisschen fehlen. Rentner haben dann eben doch mehr Zeit. Wobei ich kein schlechtes Bild von der Jugend habe. Viele engagieren sich in Vereinen, bei der Feuerwehr oder etwa beim Roten Kreuz.

Haben Sie Ideen, wie Sie jüngere Menschen noch mehr für die Arbeit der Aktiven Bürger begeistern könnten?

Müller: Viele junge Menschen lassen sich eher für ein zeitlich begrenztes Engagement begeistern. Bei uns ist das, wie gesagt, möglich. So können sich zum Beispiel auch Studenten einbringen, die nur für ein paar Semester in der Gegend sind. Wir müssen aber mehr auf die jüngere Generation zugehen, damit unsere Idee auch in Zukunft weiterlebt.

Um die Idee weiterleben zu lassen, ist sicherlich auch ein großer finanzieller Aufwand notwendig. Woher kommt das Geld für die Projekte?

Schlottermüller: Wir leben von Spenden. Viele Organisationen in Deutschland haben ein Budget zwischen 200 000 und 300 000 Euro, auch weil sie staatlich unterstützt werden. Wir hier stemmen das mit etwa 18 000 Euro im Jahr. Das ist auch deshalb möglich, weil wir keine festangestellten Kräfte haben.

Müller: Wir veranstalten auch einmal im Jahr ein Benefizkonzert im Stadtschloss. Das für nächstes Jahr ist bereits geplant – ob es stattfinden kann, müssen wir aber abwarten.

Das Gespräch führte Sven Dörr.

Spendenkonto der Aktiven Bürger:

IBAN: DE 22 7835 0000 0009 0599 57, BLZ: BYLADEM1COB SPK Coburg-Lichtenfels

Kontakt

09571/1699330, info@aktive-buerger-lichtenfels.de

Internet

www.aktive-buerger-lichtenfels.de

Märchenkanal

www.youtube.com/channel/UCivzkk0340u30GZTcKixtJg