Wichtiges für die Welt aus Redwitz

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Geschäftsführer Herbert Drechsel vor der im Bau befindlichen neuen Produktionshalle. Mit im Bild der Unternehmensnachwuchs aus der Lehrwerkstatt mit deren Leiter. Foto: Popp
Geschäftsführer Herbert Drechsel vor der im Bau befindlichen neuen Produktionshalle. Mit im Bild der Unternehmensnachwuchs aus der Lehrwerkstatt mit deren Leiter. Foto: Popp

Der britische Konzern Johnson Matthey bietet technische Lösungen zur Luftreinhaltung und setzt auf Wachstum am oberfränkischen Standort.

Rund 550 Mitarbeiter sind derzeit in Redwitz am größten Johnson-Matthey-Standort in Deutschland tätig, Tendenz steigend. Am heutigen Freitag ist die Einweihung der neuen Produktionshalle, die seit dem Spatenstich im April auf dem Firmengelände entstanden ist. Mit den Technologien zur Luftreinhaltung, die den Schwerpunkt hier bilden, ist man ein Weltmarktführer. Die Entwicklungen gehen immer weiter, die Märkte ändern sich. Abgasreinigungsanlagen für Kohlekraftwerke sind in Deutschland seit der Energiewende kaum mehr gefragt. Während noch immer viele Dieselmotoren nicht mit Rußfiltern ausgestattet sind, plant ein deutscher Autohersteller die Einführung eines Benzinpartikelfilters. Johnson Matthey befasst sich längst auch mit Komponenten für Brennstoffzellen und forscht im Bereich Batteriesysteme. Der britische Großkonzern ist vielseitig aufgestellt.
Die Unternehmensphilosophie lautet, Produkte herzustellen, die Menschen helfen. Wir sprachen mit Herbert Drechsel, einem der Geschäftsführer in Redwitz.

Herr Drechsel, wünschen Sie sich nicht manchmal, dass neue Umwelttechnologien schneller verpflichtender Standard werden?
Wir wünschen uns schon, dass es bei einigen Regierungen in der Welt schneller ginge. Europa ist sehr gut aufgestellt, hier gibt es einen Fahrplan. Etwa bei den Abgas-Normen für Fahrzeuge. Heute sind wir bei Euro VI. Im Augenblick wird darüber diskutiert, was der Nachfolgestandard ist. Auch Länder wie China haben inzwischen Standards, aber es wird dort sehr lange diskutiert, Entscheidungen werden immer wieder verschoben. Ähnlich ist es bei der Hochseeschifffahrt.

Das ist ja ein ganz drängendes Problem. Kreuzfahrten boomen. Von den vielen Frachtschiffen ganz zu schweigen.
50 Prozent aller Stickoxide kommen aus Hochseeschiffen. Grund dafür ist, dass diese mit Schweröl betrieben werden.

...und die schädlichsten Abgase überhaupt produzieren.
Es sind sicher die schädlichsten - aber ich möchte jetzt diese Industrie nicht schlecht machen. Es ist natürlich ein Kostenfaktor, und diese Branche ist sehr wettbewerbskritisch. Es wird sehr darauf geachtet, nicht zu viele Zusatzkosten zu haben. Das ist einer der Beweggründe, warum die Einführung strengerer Vorgaben auch durch Lobbyarbeit immer wieder verschoben wird.

Aber das ist ja nicht im Sinne der Menschen...
Wir können nicht viel tun. Wir können nur sagen: Wir sind bereit, wir haben Katalysatoren. Es ist wesentlich, dass Regierungen selbst die Notwendigkeiten sehen und sich dann von den nötigen Entscheidungen nicht abbringen lassen. In China beispielsweise müsste Druck aus der Bevölkerung kommen, dass man die Zustände in den Städten nicht länger akzeptieren wird. Dann wird auch bei solchen Regierungen das Bewusstsein dafür wachsen, etwas tun zu müssen.

Wie können Sie als Hersteller das Bewusstsein für diese Problematik schärfen?
Ich denke, vom Standort Redwitz aus kann man das nicht tun. Wir sind hier ein Produktionswerk. Unser Fokus liegt auf wertvoller Entwicklungsarbeit von Katalysatoren und Abgasreinigungssystemen sowie deren Fertigung.

Wenn ein weltweiter Umweltstandard - und insbesondere auf Hochseeschiffen - durchgesetzt würde, wäre das auch eine Riesenchance für Johnson Matthey.
Unsere Entwickler sind in bestimmten technischen Gremien vertreten und eingebunden. Aber am Ende entscheiden Regierungen, ob etwas gemacht wird.

Haben Sie für den Standort Redwitz ausreichend Fachkräfte?
Für gewisse Funktionen müssen wir eher lange suchen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Leute mit höherer Qualifikation nicht unbedingt in diese Region ziehen möchten, weil sie relativ weit weg vom Schuss ist - nicht nahe genug an größeren Städten wie Nürnberg oder Bamberg. Das ist ein gewisser Standortnachteil. Wir tun aber auch viel dafür, dass wir genügend Kräfte zur Verfügung haben - durch unsere Lehrwerkstatt. Heuer konnten wir allerdings drei Stellen dort nicht besetzen.

In welchen Berufsfeldern mangelt es besonders an Nachwuchs?
Mechatroniker, Mechaniker und Elektriker sowie Maschinenbau-Ingenieure.

Und mit diesen Berufen hat man dann hier auch Übernahme- und Aufstiegschancen?
Ja. Wir wollen wachsen. Wir bauen nicht ein Gebäude, um drei Jahre später zurückzufahren. Hier gibt es wirklich Zukunftschancen. Im Bereich der Katalysatoren, aber auch bei den Piezokeramiken sehen wir Wachstumschancen. Wir versuchen auch, Leute, die mehr Potenzial haben, weiterzuentwickeln.

Bedeutet das, auch einmal in ein anderes Land, an einen anderen Standort gehen zu können?
Wir hören gerne zu, wenn einer unserer Azubis oder Mitarbeiter sagt, ich möchte einmal etwas anderes machen. Wir sind ein wachsendes Unternehmen und müssen Leute finden, die die Fähigkeiten haben, Schlüsselpositionen zu besetzen. Viele unserer Führungskräfte sind als Azubis zu uns gekommen.

Umgekehrt muss derjenige, der sich hier bewirbt, aber nicht befürchten, gegen seinen Willen an einen anderen Standort versetzt zu werden?
Das macht keinen Sinn, wenn wir ihm einfach vorschreiben, er soll nach England oder gar nach China oder Mazedonien. Das ist eine Chance. Jeder, der sich bemüht und für einen solchen Einsatz Bereitschaft signalisiert, kann berücksichtigt werden.

Woran könnte es denn liegen, dass nicht genügend junge Leute sich für eine Ausbildung hier beworben haben? An der Bezahlung? Am Image der Berufe?
Von der Bezahlung her stehen wir in der Region eher vorne dran. Vielleicht liegt es an einem Wertewandel. Die Leute wollen nicht unbedingt in die Produktion, die oft mit einem Drei-Schicht-Betrieb verbunden ist. Wir sehen auch einen Trend hin zum Studium. Regelmäßig sind wir deshalb auf Ausbildungsmessen vertreten und zeigen auf, welche Karrieremöglichkeiten wir nach einer Ausbildung bieten.

Das Vorgängerwerk in Redwitz, Argillon, musste restrukturiert werden, ging 2008 durch Verkauf an Johnson Matthey. Wie blicken Sie heute in die Zukunft?
Ich sehe keine Probleme für die Zukunft. Wir haben immenses Wachstum vor uns. Wir werden weiter das machen, was wir tun: zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen beitragen.


Zur Person

Herbert Drechsel ist neben Michael Gula Geschäftsführer von Johnson Matthey Catalysts (Germany). Er ist Oberfranke, lebt in Bayreuth und fährt täglich 45 Minuten zu seinem Arbeitsplatz in Redwitz. Er kam zu Argillon, knapp ein Jahr, bevor der Standort von Johnson Matthey gekauft wurde, und war zuvor bei einem Automobilzulieferer im Raum Nürnberg tätig.



Vom Siemens-Isolatorenwerk zum Weltmarktführer

Nahe der Bahnlinie der oberfränkischen Gemeinde Redwitz gründete der Siemens-Konzern 1950 ein Keramik-Isolatorenwerk. Lkw-Katalysatoren wurden ab 1987 dort produziert. 2002 wurde der Geschäftszweig ausgegliedert und an einen US-Finanzinvestor verkauft, im Folgejahr der Firmenname in Argillon geändert - bezugnehmend auf das lateinische Wort für Tonerde: argilla. Nach Schwierigkeiten am Markt und einem Sanierungsprozess wurde die Firma an den britischen Konzern Johnson Matthey verkauft. Dieser, 1817 gegründet, hat seine Ursprünge im Edelmetallbereich. Hieraus gingen unter anderem medizinische Produkte hervor. Heute zählt der Konzern in 30 Ländern 13 000 Mitarbeiter, Tendenz steigend, und ist Weltmarktführer für modernste Werkstoff-Technologien. Der Farbstoff, der am Rand von Windschutzscheiben verwendet wird, ist eine seiner Entwicklungen und verhindert, dass sich der Kleber löst. Jedes dritte Auto fährt mit einem Kat von Johnson Matthey. Das Firmengelände in Redwitz ist ein Industriepark geworden. Isolatoren werden heute dort von Lapp Insulators gefertigt, auch die PS Metallbearbeitungs GmbH ist eingemietet.