100 Jahre hat das Landratsamtsgebäude überdauert, aber dieses Jubiläum ging im Alltagsgeschäft unter. Der Geschichtsverein CHW will es würdigen.
Verschlafen wurde das Jubiläum nicht. 100 Jahre Landratsamtsgebäude waren dem Chef des Hauses in seiner Jahresschlussansprache 2015 einen Absatz wert. Zum Feiern sei man aber nicht gekommen. Es gab Wichtigeres: Der Asylbewerberzustrom verlangte den Mitarbeitern der Behörde viel Einsatz ab. Der Klinikneubau war das größte, aber nicht das einzige Bauvorhaben unter der Regie des Landkreises. Da hielt man sich mit dem Haus, das schon so lange seine Dienste tut, nicht auf. Vielleicht würde ja der Geschichtsverein Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) noch eine gebührende Würdigung folgen lassen, regte Landrat Christian Meißner (CSU) an. Bezirksheimatpfleger Günter Dippold, der seit der letzten Kommunalwahl selbst zu den Kreisräten in diesem Haus zählt, nahm den ihm zugespielten Ball auf. Der Historiker ist Vorsitzender der großen Gemeinschaft fränkischer Geschichtsfreunde mit ihren 18 Bezirksgruppen, Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zu heimatgeschichtlichen Themen. Er hat geforscht, nicht nur über die Baugeschichte, sondern vor allem auch über die Menschen in und um dieses Amtsgebäude.
Minister begutachtet Grundstück
Es gäbe da vieles festzuhalten und zu erzählen. Günter Dippold legt im Gespräch zunächst einmal den grundlegenden Unterschied zum heutigen Landratsamt dar. Damals handelte es sich um eine rein staatliche Behörde - ohne den Teil, der heute durch die Kommunale Selbstverwaltung bestimmt wird. An der Spitze stand kein Landrat, der von den Bürgern gewählt wird, sondern der Bezirksamtmann, ein Beamter, der vom Prinzregenten - später vom Innenminister - ernannt wurde. Zur Zeit des Baues des Gebäudes war das der Jurist Heinrich Hofmann. Er stammte aus Tiefenklein nahe Küps, hatte in Erlangen und Marburg studiert, und war 1911 nach Lichtenfels versetzt worden. Damals befand sich das Bezirksamt noch im heutigen Lichtenfelser Rathaus II. Im Erdgeschoss waren die Amtsräume, den ganzen ersten Stock nahm die Dienstwohnung des Bezirksamtmanns ein. Diese sollte noch standesgemäßer werden in dem Amtsneubau, der in der Kronacher Straße geplant war. Die ganze zweite Etage war für Hofmann und seine Familie vorgesehen. Einen großen Garten gab es auch. Das Nebengebäude mit der Hausnummer 28 wurde erst später in diesen Garten gesetzt - übrigens zunächst für die Gendarmerie.
Eine ganze Reihe staatlicher Gebäude entstand in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in Verlängerung der Kronacher Straße, die von der Innenstadt gesehen nur bis zum evangelischen Pfarrhaus reichte: das Amtsgericht 1902, die Realschule 1907, die Korbfachschule 1910 und das Forstamt 1912. Der Innenminister besichtigte 1910 persönlich den Bauplatz für das Bezirksamt. Baubeginn war im Sommer 1913. Interessant: Den Zuschlag für die Ausführung bekamen der Gewerbeverein Lichtenfels beziehungsweise die darin vertretenen Firmen Diroll, Och und Meidel, obwohl Bamberger Unternehmen über 400 Mark günstiger gewesen wären, wie Dippold herausgefunden hat. Die Meister vor Ort konnten da wohl mit entsprechender Überzeugungskraft auftreten.
Der Parkettleger im Krieg
Gebaut wurde relativ zügig, doch dann begann der Erste Weltkrieg. Der beauftragte Parkettleger aus Bayreuth war eingezogen, der geplante Einzugstermin verzögerte sich um einige Monate. Im Januar 1915 sollte es dann den Erstbezug durch den Amtsdiener Christoph Hollering geben. Er hatte natürlich eine viel kleinere Dienstwohnung als der Chef, der bald folgen sollte. Der Bau sah - und das war neu - Amtszimmer für den Arzt und den Bausachverständigen vor. Diese hatte bis dahin von zuhause aus gearbeitet, der Amtsarzt dort noch als Hausarzt praktiziert. Der Distriktrat, für den es einen Sitzungssaal gab, hatte nur um die 30 Mitglieder (heutiger Kreistag 50). Es gab damals noch einen weiteren in Weismain.
Die Aufgaben des Amtes stimmten in Grundzügen mit den heutigen Bereichen überein - Gesundheit, Bauaufsicht, Kommunalaufsicht - doch mit den modernen Gemeinden hat ein Landratsamt eher weniger Arbeit als die Behörde zu einer Zeit, in der es vielfach keine hauptamtlichen Bürgermeister und geschulte Kräfte vor Ort gab.
Nach dem Krieg, 1918, war die Wohnungsnot so groß, dass in den staatlichen Gebäuden Notwohnungen eingerichtet wurden, auch im Bezirksamt. Unterm Dach wohnten Gendarme. Ein Haus mit einer bewegten Geschichte also.
Professor Dippold kann jetzt versichern: "Das CHW wird ein eigenes Heft darüber herausbringen." Nur wann, das steht noch nicht fest. Vielleicht im Sommer nächsten Jahres. Denn da steht wieder ein Jubiläum am Landratsamt an, wie er bemerkt. Der Anbau mit dem Sitzungssaal, errichtet unter Landrat Helmut G. Walther, nach dem auch das Krankenhaus benannt ist, wird dann 50 Jahre alt.