Während in Deutschland derzeit noch über sogenannte Corona-Apps diskutiert wird, sind diese in Südkorea seit Beginn der Epidemie ein essenzieller Bestandteil der Virusbekämpfung. Datenschutz und Privatsphäre spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
n Südkorea war man sich ziemlich sicher, Corona im Griff zu haben. Doch dann gingen von einer Sekte in der Stadt Daegu und einem Provinzkrankenhaus im Süden der Halbinsel zwei sogenannte Cluster-Infektionen aus und innerhalb von zwei Wochen stieg die Zahl der Corona-Infizierten um das 63-fache. Doch bereits seit 12. März stabilisieren sich die Zahlen der täglichen Neuinfektionen. "Die Kurve flach halten", um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, in Südkorea scheint das geglückt zu sein. Was die südkoreanische Regierung dafür tut und die Bürger in Kauf nehmen, wird vorgestellt in dieser dreiteiligen Serie.
Dauernd Nachrichten
Das Smartphone in meiner Jackentasche vibriert unentwegt. Alle paar Sekunden kommen Benachrichtigungen auf mein Mobiltelefon, begleitet von einem tiefen, hupendem Alarm. Jede Nachricht steht für einen neuen Corona-Infizierten, der oder die sich in meinem unmittelbaren Umkreis aufgehalten hat. Die derzeit in Deutschland viel diskutierten Corona-Apps für das Smartphone, die dabei helfen sollen, Infektionsketten früh zu unterbrechen und Kontaktpersonen ausfindig zu machen, sind in Südkorea seit Beginn der Epidemie ein essenzieller Bestandteil der Virusbekämpfung. Datenschutz und Privatsphäre spielen dabei kaum eine Rolle.
Dass in Südkorea mittlerweile 70 Prozent der Covid-19-Patienten genesen sind und die Zahl der täglichen Neuinfektionen konstant unter 50 gehalten werden kann, ist unter anderem möglich dank des hohen Grads der Digitalisierung des ostasiatischen Landes.
In vielen Medienberichten wird das als wesentlicher Faktor dafür genannt, dass Südkorea die Epidemie relativ schnell in den Griff bekam. Auf der Halbinsel gibt es rund 860 000 4G- und 5G-Funkmasten. Zum Vergleich: Laut Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland gut 72 700 Mobilfunkmasten (Stand: 1. Februar 2020). Auf die Fläche heruntergerechnet sind das in Südkorea 8,5 Masten pro Quadratkilometer, in Deutschland lediglich 0,2 Masten. Tatsächlich greift die schnelle Datenübertragung in jedem Bereich der Virusbekämpfung in Südkorea.
Alles an einem Ort
Bei einem Corona-Test sind nicht nur von Anfang an alle Patientendaten digitalisiert, auch das Testergebnis kommt per SMS auf das Handy. Um Infektionsketten früh zu unterbrechen, setzt die südkoreanische Regierung auf eine umfassende Auswertung digitaler Fußspuren der Infizierten.
GPS- sowie Kreditkartendaten - in Südkorea ist der Zahlungsverkehr fast ausschließlich bargeldlos - werden ausgewertet, um so die Wege des Infizierten und mögliche Kontaktpersonen zu identifizieren und isolieren. Diese Daten werden mit den Bildern von Überwachungskameras abgeglichen, von denen es ebenfalls eine sehr hohe Dichte gibt. Sind die Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen des Corona-Patienten bestimmt, werden diese Daten als Alarmmeldung bzw. SMS auf die Mobiltelefone einer jeden Person mit einer südkoreanischen Handynummer geschickt.
Geschlecht, Alter, Wohnviertel der infizierten Person werden darin aufgeführt sowie die exakten Aufenthaltsorte samt Uhrzeit der letzten Tage.