Beim Truckerfestival in Lichtenfels öffneten Brummifahrer mehr als nur die Führerhäuschen ihrer rollenden Kunstwerke. Über die Branche wurde viel geschimpt.
Der Vater sagt "Nein". Sein Junge hält ein "Jein" dagegen. Aber ein entschiedenes. Zukunftsfähig oder nicht? Beim Trucker- und Countryfestival am Schützenplatz schieden sich die Geister über die Vitalität der Branche. Streiflichter aus einer Welt voller Sorgen, Nöte, Mut, Beharrlichkeit und rollender Wohnzimmer.
Jens Bode gehört zu den "Einprozentern", deren Trucks Selbstverwirklichung in Airbrush sind. Auf dem Führerhaus des Fahrers aus dem Raum Rostock ist nach drei Seiten hin die Firmenentwicklung sichtbar. Jeder Firmentruck ist auf einer Seite in Kunstfertigkeit verewigt.
Was Bode trieb, kann auch Marc Lengler aus Schwabthal verstehen: Bei ihm ist eine Comic-Figur zu sehen - der Silver Surfer, jener Held, der einsam im All seine Bahn zieht. "Ich bin freiheitsliebend und auch der Surfer kann überall hinfliegen", erklärt Lengler die bewusst gewählte romantische Symbolik.
Die Firma zahlt nicht immer
Doch wer zahlt diese Dinge? Nicht selten der Fahrer selbst, der es sich in "seinem" Lkw behaglich machen möchte. Immerhin fährt, schläft, isst, ärgert, sorgt, träumt und erinnert er sich darin. Aber: "Es gibt noch Firmen, wo der Chef sagt, ich bin froh, wenn sich noch einer für mich ins Auto setzt, sich für den Lkw interessiert." Solche Chefs bezahlen die Airbrush-Wünsche ihrer Fahrer, denn Fahrer seien schwer zu bekommen.
Wohl 350 Zugmaschinen aus ganz Deutschland standen auf dem Schützenplatz, auf der Wiese dahinter und noch weiter seitab. "Wir sind zum dritten Mal in
Lichtenfels", erklärt Thomas Weber vom Verein Franken-Strolche (Sitz Coburg). Sie sind die Ausrichter dieses deutschlandweit größeren Festivals, das regelmäßige in der Korbstadt ausgetragen wird.
"Weil die Location passt und die Zusammenarbeit mit der Stadt gut" sei. 20 Euro kostet ein Stellplatz über das Wochenende, inklusive zwei Mal Frühstück.
Die Branche kann sich ärgern. Die Gespräche der Trucker drehen sich um Billiglöhne, Konkurrenz aus dem Ausland, Dumpingpreise oder Gesetzesnovellierungen, von denen man erst erfahre, sobald man in Verkehrskontrollen gerate. Mit der Folge, Geldstrafen aus eigener Tasche bezahlen zu müssen. Weil "ein Unternehmer mit Geschäftsgeld doch keine Strafen zahlen darf", erklärt Manfred Hanna, Kassier der "Strolche" und selbst Spediteur. "Jeder Staplerfahrer verdient sein Geld leichter", sagt er und macht seinem Frust Luft.
"Es wird in der Branche gelogen auf Biegen und Brechen."
Branche wird immer härter
Schon bei der Auftragsvergabe würden Speditionen angelogen, würden keine Angaben zu Wartezeiten gemacht oder behauptet, von nichts etwas gewusst zu haben. Disponieren sei so nicht immer möglich, sagt er und schüttelt den Kopf. Viele Fahrer würden "unwürdig" behandelt, an Beladestellen ignoriert, wie dumm stehen gelassen. Er glaubt nicht, dass die Branche Zukunft hat. Sein Sohn sagt Jein, ist im dritten Lehrjahr zum Berufskraftfahrer und weiß, dass von seiner 30-köpfigen Klasse aus dem ersten Lehrjahr immerhin noch elf dabei sind.
"Früh um 2 Uhr in Tränen ausgebrochen und gefragt: Was ist mit dem, den ich umgebracht habe?" - Erinnerung des Bamberger Betriebsseelsorgers Norbert Jungkunz an ein vertrauliches Gespräch, welches er mit einem Trucker über dessen Unfall führte.
Kaum jemand kennt die Sorgen und Nöte dieser Männer besser als er. Ehescheidungen wegen unmöglicher Arbeitszeiten, schlechtem Arbeitsklima, Stress. "Ich bin auch Lückenfüller für die Zeit bis zur Psychotherapie." Und ja, er habe auch schon zur Aufgabe des Berufs geraten. Dann verweise er auf die Arbeitsberatungsstellen der katholischen Kirche, da sei man "gut aufgestellt".
Romantik im Führerhaus
Wo Licht ist, sei auch Schatten, sagt ein Fernfahrer zu seiner Branche. Aber bei all dem Schatten fragt man sich, wo überhaupt das Licht ist? Vielleicht bei Gabi und Kai Niedermeier, seit Samstag standesamtlich verheiratet, so geschehen in Michelau. Die beiden Norddeutschen kennen sich seit Kindertagen. Jetzt, im reiferen Alter, begegneten sie sich wieder, aber jetzt ist er Lkw-Fahrer. Als sie auf dem Schützenfest eintreffen, bereiten ihnen die Lkw ein hupendes Spalier.
Nirgendwo anders als hier in Franken wollten sie heiraten. Seinen Truck hat sich Kai schon schön ausstaffiert und er wartet nur darauf, dass Gabi mitfährt. Das tut sie.
Auch Marcel Breitenbach aus der Nähe von Heilbronn kann von Druck, Entfremdung zur Frau und Lohnabzug bei unverschuldeten Versäumnissen berichten. Und doch möchte er nichts anderes tun: "Es ist das Lebensgefühl unterwegs zu sein"... Da ist sie wieder, die Romantik vom Cowboy der Landstraße.