In Deutschland stieg die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger erstmals auf über eine Million. Auch im Kreis Lichtenfels stieg die Zahl der Strafen in den vergangenen Jahren.
Die Nachricht war ein Paukenschlag: Die Zahl der gegen Hartz-IV-Bezieher verhängten Strafen betrug zwischen August 2011 und Juli 2012 1,017 Millionen. Auch im Landkreis Lichtenfels ist die Zahl der Hartz-IV-Bezieher, die bestraft wurden und deswegen weniger Geld bekamen, in den vergangenen Jahren gestiegen.
Um rund 1500 Menschen, die im Moment Hartz-IV erhalten, kümmern sich Geschäftsführer Wolfgang Franz und seine rund 40 Mitarbeiter im Lichtenfelser Jobcenter. "Kunden" nennt er sie und längst nicht alle seiner Kunden seien arbeitslos, betont Franz - das seien im Kreis momentan rund 770 Menschen. Zu den Hartz-IV-Empfängern zählten schließlich auch Kranke, Menschen, die sich in Weiterbildungsmaßnahmen befinden, oder Frauen, die in Familienzeit sind. Allen gemein ist, dass sie bedürftig sind. Offiziell anerkannt durch das Sozialgesetzbuch II.
Weniger Hartz-IV-Empfänger Wolfgang Franz hätte Grund zur Freude. Die Zahl seiner Kunden geht zurück. Noch vor vier Jahren hatte das Lichtenfelser Jobcenter über 2400 Menschen, um die es sich kümmern musste. Heute sind nahezu 1000 Personen weniger. Wolfgang Franz könnte sich freuen, doch er tut es nicht. Denn große Sprünge kann niemand seiner Kunden machen, weiß der Geschäftsführer des Jobcenters. Der Hartz-IV-Regelsatz beträgt 364 Euro für eine alleinstehende Person - da bleibt am Monatsende nicht viel übrig. Mit ernstem Gesichtsausdruck sagt er deshalb: "Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Unsere Aufgabe ist es, unseren Kunden Arbeit zu vermitteln, wenn sie arbeitslos sind."
Und genau das machen Franz und seine Mitarbeiter offenbar mit Akribie.
So lässt sich zumindest die gestiegene Zahl der Strafen des Lichtenfelser Jobcenters gegen Hartz-IV-Empfänger erklären. Binnen von drei Jahren stieg sie um rund 60 Prozent auf 766 Strafen im Kalenderjahr 2011. Und für dieses Jahr sieht es für die Kunden des Jobcenters nicht besser aus. Allein 485 Mal wurde ihnen im im ersten Halbjahr die Sozialleistung gekürzt.
Wofür sie bestraft werden? "Wir vereinbaren mit dem Kunden eine Aktivität, die er im Sinne der Integration zu erbringen hat. Wenn er das nicht, beziehungsweise ohne Grund nicht tut, dann wird er sanktioniert", erklärt Franz. Das geschehe dann, "wenn wir beispielsweise jemandem eine Stelle zu unterbreiten haben, und laden denjenigen zu einem Termin ein, und er oder sie kommt unentschuldigt nicht."
766 Strafen im vergangenen Kalenderjahr Dieser Fall mache den Löwenanteil der Sanktionen aus, im
vergangenen Jahr sind darauf fast 75 Prozent aller Bestrafungen zurückzuführen. Mit der Konsequenz, dass die Betroffenen drei Monate lang zehn Prozent weniger Geld vom Jobcenter bekommen. Seltener komme es vor, dass jemand einen Job von vornherein ablehnt oder eine qualifizierende Maßnahme vorzeitig abbricht. Diese Fälle machten 2011 rund 20 Prozent der 766 Sanktionen aus. Hierbei fällt die Strafe allerdings höher aus: 30 Prozent weniger Geld für ein Vierteljahr bedeutete das für die Betroffenen. Wiederholungstäter haben gar mit noch härteren Strafen zu rechnen: "Das kann bis zum Wegfall der Leistung führen. Dann werden aber Lebensmittelgutscheine ausgegeben." Fixkosten wie die Miete seien davon aber nicht betroffen.
Es hänge vom Arbeitsmarkt ab, sagt Wolfgang Franz, dass das Jobcenter mehr Strafen ausspricht. Habe er keine offenen Stellen, könne er auch niemandem ein Stellenangebot unterbreiten.
Und ohne Stellenangebot gibt es eben meist auch keine Sanktion. "Außerdem können wir uns intensiver um unsere Kunden kümmern", was daran liege, dass deren Zahl zurückgehe, erklärt Franz. "Wir haben unsere Bemühungen forciert." So könnten seine Mitarbeiter die Hartz-IV-Empfänger häufiger einladen. Weshalb seine Kunden das offenbar nicht schätzen, darüber will Wolfgang Franz nicht spekulieren.