Fantastisches von Raben und Katzen

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Auftritt im Brückentheater: Markus Veith als Rabe Foto: Gerda Völk
Auftritt im Brückentheater: Markus Veith als Rabe Foto: Gerda Völk

In "Einst um eine Mittnacht" überzeugt Markus Veith erneut durch seine schauspielerische Vielfalt.

Ein Gruselstück im Brückentheater? Spätestens bei Edgar Allan Poes "Untergang des Hauses Usher" wandert der Blick ganz automatisch Richtung Gebälk. Doch anders als es aus dem Lautsprecher tönt, durchzieht kein immer größer werdender Riss die dicken Balken, rieselt kein Stäubchen von der Decke. Schaurig schön ist es dennoch, was der Theatersommer Schauspieler Markus Veith auf die Bühne des Brückentheaters bringt. Mit dem Stück "Einst um eine Mittnacht" steht der in Dortmund geborene Schauspieler bereits zum zweiten Mal auf der Bühne des Brückentheaters. Und manch einer im Publikum gönnte sich den Nervenkitzel bereits das zweite Mal und straft damit den Raben aus einem von Poes Gedichten Lügen, der mehr als einmal sein "Nimmermehr" krächzt.

Markus Veith hat die Geschichten von Edgar Allan Poe, dem Raben-Vater der fantastischen Literatur, dem Meister der Kriminal- und Gruselgeschichten, in Reime gefasst. Er beginnt mit dem Gedicht "Der Rabe", aus dessen erster Zeile sich auch der Titel des Stücks herleitet. Plötzlich ist er da, der Rabe, das Flatterwesen das sich unvermittelt ins Haus geschlichen hat. Raben gelten als Galgenvögel, als böse Wesen, dabei ist längst bewiesen, was der Vogel auf dem Kasten hat, erfährt das Publikum.


Schauerstimmung und Gänsehaut

Auch ein anderes Tier ist mitunter mit einem schlechten Image versehen. Ob eine schwarze Katze wirklich Unglück bringt, hängt davon ab ob man Mensch oder Maus ist.
Markus Veith hat Poes Geschichte um "Das verräterische Herz" um eine Katze erweitert, die sich vermeintlich mit der alten Frau verbündet hat. Schauerstimmung und Gänsehaut durchzieht das Brückentheater bei den Gedankengängen und Seelenqualen, die der Untermieter durchleidet beim Anblick ihres blassblauen Auges. Thomas Glasmeyer hat die grandiosen Puppen entworfen, die sowohl die Alte als auch die Katze verkörpern. Die Alte findet schließlich den Tod, weil ihr Untermieter mit ihrer zuvorkommenden Freundlichkeit, ihrem Schmatzen beim Essen, dem Knacken und ihrer Gelenke und dem starren Auge nicht mehr zurechtkommt. Letztlich ist es der dröhnende Herzschlag der hinter den Fliesen versteckten Leiche, der den mordenden Untermieter in den Wahnsinn treiben. Im "Untergang des Hauses Usher" glänzt Markus Veith im Dialog darüber, ob es eine gute Idee ist, den letzten Vertreter der Dynastie zur Ablenkung aus "Shining" von Stephen King vorzulesen. Am Ende hat das Gebäude die Perversionen aller Usher-Generationen übernommen und stürzt mit lautem Getöse ein. Würde Edgar Allan Poe heute noch leben, hätte er an Markus Veiths Ausflug in die Realsatire des 21. Jahrhundert seine Freude gehabt. Da erklärt ein Herr Bauernfang, dass die Qualität einer Bilanzfälschung darüber entscheidet, ob man zum Opernball oder vor Gericht geladen wird.
Auch in "Einst um eine Mittnacht" überzeugt Markus Veith, wie vor Wochen schon im Musiktheater "Das Orangenmädchen" durch seine schauspielerische Vielfalt. Diesmal reicht seine Palette von bitterbösem Humor über bizarre Komik bis hin zu überzeugend gespielten Seelenschmerz und Höllenqualen. Die Besucher erlebten eine anspruchsvolle Unterhaltung, die mit langanhaltendem Applaus quittiert wurde.