Ein Cowboy nimmt seinen Hut - von Lichtenfels in die Staaten

3 Min
So kennt und kannte man Paul Bell bei Rapid Transit: in den Song versunken und mit Hut.
So kennt und kannte man Paul Bell bei Rapid Transit: in den Song versunken und mit Hut.
In mancherlei Hinsicht ist Paul Bell ein echter Ami. Für Cowboy-Hüte und Baseball-Mützen hat er eine Schwäche. Und für seinen Chihuahua Chico.
In mancherlei Hinsicht ist Paul Bell ein echter Ami. Für Cowboy-Hüte und Baseball-Mützen hat er eine Schwäche. Und für seinen Chihuahua Chico.
 
Erinnerungen
Erinnerungen
 
Paul Bell liebt American Football. Von der NFL bis zur College-Liga.
Paul Bell liebt American Football. Von der NFL bis zur College-Liga.
 
Heimatverbunden ist Paul Bell immer geblieben. Er hat sich auch die Fahne seines Heimatstaates Delaware bewahrt.
Heimatverbunden ist Paul Bell immer geblieben. Er hat sich auch die Fahne seines Heimatstaates Delaware bewahrt.
 
In Paul Bells Wohnung stößt man auf interessante Kombinationen. So auch auf Stars and Stripes und den Hl. Franziskus.
In Paul Bells Wohnung stößt man auf interessante Kombinationen. So auch auf Stars and Stripes und den Hl. Franziskus.
 
Paul Bell bei Rapid Transit
Paul Bell bei Rapid Transit
 

Paul Kenneth Bell geht heim nach Amerika. Dafür verlässt der Countrymusiker seine zweite Heimat Lichtenfels.

"Das Leben ist eine journey (Reise)", sagt Paul Kenneth Bell. Aber was soll ein Mensch auch sagen, dessen Weichen zur Musik bei einem Leichenschmaus gestellt wurden? Eine Reise hat der langjährige Lichtenfelser, der Country-Musik im Landkreis bekannter zu machen half, noch vor sich. Es wird eine Reise von Heimat zu Heimat.
Als er nach Oberfranken kam, war er gerade ausgebrochen der berühmte "Summer of Love". Bell war 17 und es war 1967. Ab da blieb der als GI gekommene Mann aus dem US-Bundesstaat Delaware ein Hiesiger. Seine Erinnerungen an das, was die Jahre musikalisch hier für ihn mit sich brachten, füllen einen ganzen Ordner.

Mit den berühmten Bellamy Brothers stand er auf der Bühne, auch mit Truck Stop und Chris LeDoux, Rodeo-Weltmeister und musikalischer Weggefährte von Garth Brooks. Und oft war dabei die Band Rapid Transit, eine Country-Institution am Obermain mit Mitgliedern aus Michelau und Lichtenfels.


1967, damals, als er mit seiner ersten Freundin Beverly zusammen war, habe er in Seattle einmal eine Legende auftreten sehen: Jimi Hendrix. "Er spielte Purple Haze und es war ... wow!", fängt Bell seine Sternstundenerinnerung ein. Eine E-Gitarre steht auch in seinem Zimmer, mehrere Akustikgitarren obendrein, jede Menge Cowboy-Hüte, Base Caps, CDs, LPs und Filme. Es sieht sehr amerikanisch in dieser Lichtenfelser Wohnung aus, im Fernseher läuft Football aus der NFL.

Gesellschaft wird Bell von einem Winzling geleistet - seinem Chihuahau-Rüden Chico. Bell blättert in seinem Ordner aus Zeitungsartikeln und Fotografien.

Bei der Frage, ob es vor Rapid Transit eigentlich Country Bands in Lichtenfels gegeben habe, hält er inne, schweigt, denkt nach und antwortet: "Ich glaube nicht." 1994, als die legendären Bellamy Brothers in der Stadthalle in Bad Staffelstein gastierten, waren Rapid Transit im Vorprogramm zu hören.


Berühmte Partner

Und im Zusammenhang mit der in Deutschland berühmten Band Truck Stop stellen sich bei Paul Bell auch Erinnerungen ein. "Truck Stop hatte bei einem Auftritt null Bock gehabt, ein paar von ihnen waren besoffen. Aber Rapid Transit waren in der Lage, den Laden zu reißen."

Vor wenigen Wochen hatte Bell einen Auftritt mit Rapid Transit. Es war in der Michelauer Turnhalle, die Stimmung war gut und er sang auf einem Hocker sitzend, wie immer unter seinem Künstlernamen Paul Kenney. Es wird noch ein allerletzter Auftritt im Oktober folgen, dann war's das.

Bell denkt an die Anfänge. Damals, als Sechsjähriger, als er vor der Schule" Somewhere Over the Rainbow" sang. Acht Jahre später habe sich auf einer Party seine Liebe zum Soul entzündet, zu Marvin Gaye oder Otis Redding. Es sollten noch 14 Jahre vergehen, bis er auf die nächste Liebe Country-Musik stieß. Der Anlass war allerdings traurig.

Bell, ein mittlerweile in Deutschland verheirateter Familienvater, flog heim in die USA, um seinem Vater die letzte Ehre zu erweisen. Aber während der ihn befremdenden Situation des Leichenschmauses lockte ihn die Frage eines Anwesenden weg: "Wir jammen (musizieren) - kommst du mit?" Bells Antwort: "Ja, ist cooler als Leichenschmaus." Es gab Country-Musik - ein Erweckungserlebnis. Das Leben ist eine journey.


Start ins Country Leben

"Wieder zurück in Deutschland habe ich gesagt: Ich mache eine Country-Band auf. Ich habe inseriert." Doch nicht nur das Inserat brachte ihm Bandmitglieder. Schon seit Jahren war er Mitglied der Rock Band Summit Edge und nun stiegen zwei Bandmitglieder seinetwegen ins Country-Fach um.

Der erste Auftritt war Anfang der 80er im fast vergessenen Bergschloss. Durch den Bühnenvorhang habe man gespitzt und stellte verblüfft fest: "Der Laden ist voll!" Auch für Karlheinz Böhms Stiftung Menschen für Menschen hat man musikalisch Geld gesammelt. Und überhaupt: "Wir waren Pioniere - statt Blasmusik gab es durch uns Country auf (hiesigen) Schützenfesten. Wir haben auf dem Korbmarkt gespielt und sogar Angebote gekriegt, auf US-Rodeo-Shows zu spielen."

Als Bodenleger und Schreiner arbeitete Bell. Auch als Taxifahrer. Einen Beruf erlernte er in Deutschland auch: Berufskraftfahrer. Der Lichtenfelser Ami ist also Trucker.

Und in Lichtenfels wurde er auch Witwer, als seine Frau Franziska ging. All das gehört zu der Lebensreise des empfindsamen und gläubigen Manns, der sechs in alle Welt verstreute Kinder, zehn Enkel und einen Ur-Enkel hat. "Ich leben länger in Deutschland als in Amerika und Lichtenfels ist Heimat für mich", stellt er fest. Aber es zieht ihn etwas heim.

"Ich möchte hier nicht sterben, ich möchte amerikanisch in Amerika sein." Mit dem Sterben hat es noch lange Zeit, Bell fühlt sich gut. Neulich wurde er ausfindig gemacht. Von Beverly und nach beinahe 50 Jahren. Sie fragt, was er sich noch so vorstellen könne.
Das Leben ist eine journey. Doch ob sie im Dezember zu Beverly oder zur Mutter führt, kann er nicht sagen. Paul Bell würde gern "barfuß am Pazifik" spazieren gehen.

Am liebsten an der Küste im Staat Washington. Jimi Hendrix war von dort ...