Isabell Senger ist Auszubildende in der Marktverwaltung von Ebensfeld. Sie hat eine Muskelschwäche und kann deswegen nicht laufen. Bevorzugt behandelt wird sie von ihren Kollegen dennoch nicht, aber das möchte die 19-Jährige auch gar nicht.
Die automatische Schiebetür des Ebensfelder Rathaus geht auf und herein kommt eine Frau, in der Hand einen kleinen Koffer. "Kann ich bei Ihnen den Beamer abgeben, den ich ausgeliehen habe?", fragt sie die junge Mitarbeiterin hinter dem Schreibtisch, die an ihrem linken Handgelenk Eintrittsbändchen mehrerer Musikfestivals trägt. "Stellen Sie ihn einfach hier hin", sagt Isabell Senger. Alltag für sie. Die 19-Jährige arbeitet im Einwohnermeldeamt des Rathauses.
Ebenso ist es Alltag für Isabell Senger, dass sie der Dame den Beamer nicht problemlos abnehmen kann - genauso wenig, wie sie den schweren Eingangsstempel bedienen kann, mit dem das Datum auf Papieren festgehalten wird. Die junge Frau hat eine Muskelschwäche. In der medizinischen Fachsprache: Spinale Muskelatrophie, weswegen sie einen Rollstuhl braucht.
Seit 2010 macht sie im Ebens felder Rathaus eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Sie kümmert sich um das Mitteilungsblatt, den Veranstaltungskalender, den Posteingang und um die Jubiläen und Geburtstage, zu denen der Bürgermeister erscheinen soll. Ihr Arbeitsplatz ist das Einwohnermeldeamt: "Wir haben sie absichtlich hier hergesetzt, weil dort viel Publikumsverkehr ist", erklärt Bürgermeister Bernhard Storath (CSU). "Ich wollte den Bürgern des Marktes Ebensfeld zeigen, dass Behinderte ganz normale Leute sind, auch wenn sie ein Handicap haben." Berührungsängste wollte Storath, der als Krankenpfleger 20 Jahre lang mit Kranken und Behinderten zu tun hatte, abbauen - nicht nur unter den Ebensfeldern, sondern auch bei den Mitarbeitern in der Gemeindeverwaltung. Das habe funktioniert, sagt Isabell Senger: "Alle gehen hier ganz normal mit mir um. Klar, mussten sie sich erst einmal daran gewöhnen, aber es war eigentlich kein Problem."
Alle helfen zusammen Im barrierefreien Ebensfelder Rathaus kann sie sich selbstständig bewegen. Aber für Isabell Senger hat diese Freiheit ihre Grenzen: Eine verschlossene Tür kann sie beispielsweise nicht allein öffnen. "Das ist aber kein Problem, ich klopfe einfach, und dann macht mir ein Kollege auf", erklärt sie.
"Natürlich müssen alle zusammenhelfen. Wenn Isa ein Stift runterfällt, kann sie ihn nicht aufheben, das ist klar", sagt Bernhard Storath. Eine vollständige Arbeitskraft werde sie nie sein können, fügt er hinzu, "deswegen ist es auch so schön, dass sie flexibel ist, allen hilft, und die anderen dadurch entlastet."
In Watte wird Isabell Senger wegen ihrer Behinderung nicht gepackt. "Das habe ich zu ihr im Vorhinein gesagt", erklärt Storath, "dass sie auch mal genauso zusammengestaucht wird, wie jeder andere Stift". Das sei schon vorgekommen, verrät Isabell Senger mit einem Grinsen im Gesicht, aber wenn sie einen Fehler gemacht habe, stehe sie dazu.
Bald ist die 19-Jährige mit ihrer Ausbildung fertig und hofft, dass sie bei der Marktgemeindeverwaltung in Ebensfeld bleiben kann. Die Chancen dafür stehen laut Bernhard Storath gut: "Ihre Leistungen passen und dann wird sie logischerweise auch übernommen. Wir müssen zwar vorher den Gemeinderat fragen, aber ich hoffe, dass der mitmacht. Isa ist eine Bereicherung für unsere Verwaltung und auch für die Bevölkerung."