Hans Birger wohnt in Lichtenfels und setzt sich leidenschaftlich für die Innenstadt ein. In der Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse für die Coburger Straße sorgt das beinahe für einen Eklat.
Noch bis morgen wird die Ausstellung im Stadtschloss zu sehen sein. Sie präsentiert die Ideen verschiedener Architekten zur Gestaltung der Unterführung in der Coburger Straße. Vor allem der Lösungsvorschlag der Preisträger sollte mit und von Bürgern diskutiert werden. Am Dienstagabend kam es aber weniger zu Diskussionen als vielmehr zu einem kleinen Eklat. Der Lichtenfelser Hans Birger provozierte zum Thema Fachmarktzentrum und zwang so Bürgermeisterin Bianca Fischer zu sich aufs Podest.
Thema Fachmarktzentrum Gerd Aufmkolk und Gunter Fischer staunen nicht schlecht. Soeben werden sie Zeuge einer Gesprächseröffnung, die mit ihnen nichts zu tun haben kann. Der eine, Aufmkolk, ist Landschaftsarchitekturprofessor und der andere, Fischer, ist Bonner Landschaftsarchitekt und Preisträger des von der Stadt ausgelobten Wettbewerbs zur Gestaltung der Unterführung.
Ihr Thema heißt Innenstadtbelebung, nicht Fachmarktzentrum. Dass es Birger sein wird, der als erster (und einziger) Bürger laut eine Frage zu den Fotodarstellungen an den Wänden haben würde, passt in die Dramaturgie.
Immerhin hat er durch Leserbriefe und Anzeigenveröffentlichungen schon Stellung zur Situation der Innenstadt bezogen. Auch wohnt er in der Innenstadt und hat dort Immobilien. Er ist auch räumlich nah dran an der Unterführung. Als er die Frage erhebt, ob sich der Professor sicher sei, dass das prämierte Lösungsmodell die Innenstadt beleben wird, lässt sich Unmut im Publikum vernehmen.
Am Ziel vorbei Man weiß von seinem jüngsten Meinungsbeitrag, in dem er darzulegen versuchte, dass er eine "absolut sichere, bessere und günstigere Lösung" für die Unterführung wüsste.
Der Unmut steigert sich noch, als Birger davon zu sprechen begann, dass schon die Errichtung der Fußgängerzone ein Fehler gewesen sei. "Das hat doch jetzt mit dieser Veranstaltung nichts zu tun", so der allgemeine Kommentar. Aufmkolk und Fischer wirken betreten, die Veranstaltung droht am Ziel vorbeizugehen. Aber wie soll der Themawechsel gelingen? Bürgermeisterin Bianca Fischer tritt zu ihm hinauf an die Fotowand: "Hans, jetzt bitt' ich Dich als Freund..."
Eigentlich ist er ein ruhiger Mensch. Er spricht mit Bedacht und man nimmt ihm die Sorge um die Innenstadt ab. Wird die neu zu gestaltende Unterführung dazu beitragen, den Verkehr in die Stadt oder aus der Stadt zu ziehen? Dies ist die Frage, die ihn umtreibt. Aber man kann nicht sagen, dass er stur ist.
Schon als Gunter Fischer erklärt, dass Langzeitparkplätze zugunsten von Kurzzeitparkplätzen geopfert werden sollen, nickt Birger mit dem Kopf.
"Das klingt vernünftig", sagt er. Das Siegerkonzept, für das sich ein Gremium unter Vorsitz von Aufmkolk aussprach, sieht auch ein freundliches Korbgittergeflecht in der Unterführung vor, sanft ansteigende Stufen auf beiden Seiten, dort, wo jetzt noch die Mauerwangen stehen und ein relativ unauffälliges Ampelsystem, das verhindern soll, dass sich zwei Busse gleichzeitig in der Unterführung begegnen.
Mehr Kurzzeitparkplätze "Wir hatten uns ziemlich bald auf den ersten Preisträger fokussieren können", sagt Aufmkolk und zeichnete ein Bild, das an das einstmals hohe Niveau des Parlamentarismus in Englands erinnerte, wobei durch Rede und Gegenrede die Diskussion und auch die Diskutanten "immer klüger" geworden seien.
"Der Weg, den sie jetzt beschreiten, ist kein falscher", resümiert Aufmkolk und spricht mit "Ich weiß, dass er das kann", erneut eine Empfehlung für Fischer aus. Aber nicht nur für ihn, sondern auch für das osthessische Architektenehepaar Sturm und Wartzeck, mit dem die Siegeridee gemeinsam geboren wurde.
Randnotiz dabei: Jörg Sturm gewann 1989 einen Designpreis, ausgelobt von der Korbstadt Lichtenfels. Gegenstandpunkte seitens der Besucher werden nicht laut. Überhaupt gibt es außer Amtsträgern kaum Bürger, die gekommen sind.
Geht alles seinen Gang, so wird der erste Preis im Stadtrat genehmigt werden. 95-prozentig, wie Aufmkolk Wochen zuvor bemerkte. Zu Ende der Veranstaltung sitzen Architekt Fischer und Birger an einem Tisch. Sehr frei nach Dürrenmatt: der Architekt und sein Kritiker. Gram sei er ihm nicht, versichert Fischer. Dann reichen sich die beiden die Hand.