Viele Gemeinden leisten sich eine Begutachtung ihrer Bäume durch Sachverständige. Das dient der Absicherung - aber nicht nur.
Es waren Sturmschäden, die in der Gemeinde Michelau den letzten Ausschlag gegeben haben, in ein Baumkataster zu investieren. Es dient dazu, der Verkehrssicherungspflicht besser nachkommen zu können und vor Haftungsansprüchen gewappnet zu sein. Ein Baum lag plötzlich quer über einer Straße. Nicht auszudenken, wenn dort gerade jemand gelaufen oder gefahren wäre! Im März erteilte der Gemeinderat einem Unternehmen für Geoinformation den knapp 20 000 Euro teuren Auftrag. Die Memminger Firma Riwa, die für viele Gemeinden geographische Informationssysteme wie digitale Flurkarten zur Verfügung stellt, schickt aber nicht selbst Mitarbeiter in den Landkreis Lichtenfels, um dort die notwendigen Daten zu sammeln. Mit den Leistungen vor Ort werden Partnerunternehmen beauftragt.
So kamen die Baumsachverständigen Johannes Kohler und Christoph Fuchs aus dem Landkreis Bayreuth zu ihren Aufträgen in Michelau, Marktgraitz, Ebensfeld - ja eigentlich schon im ganzen Landkreis in verschiedenen Aufgabenstellungen.
Zur konkreten Positionsbestimmung nutzen sie GPS, der Tablet-Computer ist fast immer am Mann, die Internetverbindung erstmal nachrangig. Auf dem Kartensystem werden die Straßenzüge dargestellt, mit dem Eingabestift dann die erforderlichen Daten zu jedem einzelnen Baum festgehalten: Höhe, Stamm- und Kronendurchmesser, botanischer Name der Art, Altersstufe, etwaige Schäden, Gefahrenpotenzial durch Totholz oder Äste, die in den Straßenraum ragen, und so weiter. Die Liste ist detailliert und wird nacheinander abgearbeitet. Manchmal geht das rasch, und der Sachverständige kann einen Baum in wenigen Minuten erfassen. Manchmal braucht es mehr Zeit, genaueres Hinschauen und Abwägen.
Vor allem, wenn es sich um besonders schöne, große und erhaltenswerte Bäume handelt - vielleicht sogar um ein Naturdenkmal. Es gilt dann, geeignete Maßnahmen zum Erhalt zu empfehlen. Wie dringend etwas zu tun ist, wird im Schulnotensystem festgelegt, die Bewertung der Schäden auch.
Aus dem Ergebnis können die Verantwortlichen in den Gemeinden später die zu erwartenden Pflegekosten abschätzen. "Nicht jeder vitale Baum ist sicher, und nicht jeder sichere Baum ist vital", erklärt Johannes Kohler die feinen Unterschiede in der Beurteilung. Die Gewährleistung eines verkehrssicheren Zustands hat aber für die Auftraggeber Priorität. Natürlich geht es auch um Kosten. Ein Baumkataster kann sich nach Kohlers Auffassung bezahlt machen, indem es hilft, Schäden zu vermeiden.
Besser vorbeugen...
Wenn ungünstige Wuchsentwicklungen rechtzeitig erkannt werden, können Probleme durch vorbeugendes Eingreifen vermieden werden. Ein Baum kann das Wegnehmen kleinerer Äste wesentlich besser kompensieren, als später im großen Stil zurechtgestutzt zu werden. Das Kataster verschafft einen Überblick, wodurch Pflegemaßnahmen effektiver planbar sind.
Die Nutzer können später die Dokumentation weiterschreiben, ihre Arbeiten oder weitere Informationen eintragen, die wichtig werden könnten - etwa, wenn bei Kanalbauarbeiten der Wurzelbereich eines Baumes beschädigt wurde. Das kann für eine spätere Begutachtung hilfreich sein.
Sie können die Daten nach vielen verschiedenen Suchkriterien filtern und finden dann zum Beispiel auf Knopfdruck alle über zehn Meter hohen Stämme in einem Ortsteil oder alle Bäume, an denen besonders dringend etwas gemacht werden muss.
Bäume, die in Erinnerung bleiben
Auch Monate nach einem Auftrag sind dem gelernten Landschaftsgärtner und studierten Arboristiker manch besondere Baumexemplare aus dieser und jener Region samt Geländestruktur und Straßenzügen in Erinnerung. Diese Beziehung zu den Orten, in denen er eingesetzt war, beschreibt Kohler mit einem Vergleich: "Du kommst und bist völlig fremd.
Aber hinterher könntest du da Taxifahrer werden."
Auch wenn er und die Kollegen nur einige Tage oder Wochen in einem Ort zu tun haben, immer an unterschiedlichen Stellen, und kein großes Fahrzeug oder Firmenschild auf ihr Tun hinweist, geschieht ihr Einsatz nicht außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. "Wir werden andauernd angesprochen", sagt Kohler. Meistens machen sich die Vorübergehenden Sorgen, dass Bäumen, die ihnen vertraut sind, die Motorsäge drohen könnte. Meistens kann er da beruhigen. Im Grunde ist er nur gekommen, um zu schauen, wie es den Bäumen geht. Die Daten, die aus dieser Bestandsaufnahmen hervorgehen, können aber auch noch nach vielen Jahren nützlich sein.