Die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ist für den Landkreis Kulmbach eine große Herausforderung. Derzeit sind 20 Jugendliche in Fassoldshof untergebracht. Dass sie ihre Schulpflicht erfüllen können, verdanken sie einem Spendenprojekt.
Sie kommen zu Tausenden, suchen Schutz, Sicherheit, ein neues Leben - Flüchtlinge aus den Krisenregionen im nahen Osten, in Osteuropa und Afrika. Solange das Asylverfahren läuft, müssen sie untergebracht und versorgt werden - eine Aufgabe, die im Landkreis Kulmbach bislang gut gemeistert wird, weil Kreis und Gemeinden an einem Strang ziehen und vorausschauend nach guten Lösungen suchen.
Besonders schwierig ist die Situation allerdings bei unbegleiteten Minderjährigen, die nach geltendem Recht nicht nur untergebracht, sondern nach den gleichen Standards betreut und geschützt werden müssen wie minderjährige deutsche Kinder. Die Jugendämter nehmen sie in Obhut und werden durch die Familiengerichte zum Vormund bestellt, wenn keine Angehörigen auffindbar sind.
20 Jugendliche - Jungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren - fallen derzeit in den Zuständigkeitsbereich des Kulmbacher Jugendamts, wobei die Vormundschaft zum Teil noch bei den abgebenden Behörden liegt.
Jedes Schicksal ist anders Für Jugendamtsleiter Klaus Schröder und seine Mitarbeiter ist diese Zusatzbelastung eine schwierige Aufgabe. Sie bindet viele Ressourcen, die eigentlich für andere Tätigkeiten gebraucht würden. "Wir haben mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen noch wenig Erfahrung, unsere Infrastruktur und unsere Personalstärke sind nicht für die umfassende Betreuung dieser Jugendlichen ausgelegt."
Das größte Problem: "Wir sind bei jedem Einzelfall mit anderen Anforderungen konfrontiert. Es gibt Jugendliche, die seit mehreren Jahren auf der Flucht und durch Krieg und Gewalt schwer traumatisiert sind, andere werden von den Eltern weggeschickt - wegen der Kriegsgefahr oder aus wirtschaftlicher Not." Dazu gebe es noch viele andere Gründe. Es sei angesichts der Sprachbarrieren und fehlender Dokumente auch nicht immer klar, wie alt die jungen Leute tatsächlich sind.
Noch ist die Situation im Griff Trotz aller Schwierigkeiten habe man die Situation in Kulmbach bislang im Griff: "Wir versuchen, es so gut wie möglich zu machen, aber wenn die Entwicklung so weitergeht und uns immer mehr unbegleitete Jugendliche zugewiesen werden, weiß ich nicht, wie wir das bewältigen sollen", sagt Schröder.
Seine Bedenken sind begründet: Im vergangenen Jahr wurden in Bayern 3400 unbegleitete Minderjährige aufgenommen, für dieses Jahr wurden die Schätzungen inzwischen von 5000 auf 10 000 korrigiert. Es werde nicht möglich sein, für diese Menge an jungen Leuten passende Jugendhilfeplätze zu finden.
Während die Verteilung der Asylbewerber insgesamt in Deutschland weitgehend gerecht gehandhabt wird, sieht die Situation bei den unbegleiteten Minderjährigen anders aus: "Um diese jungen Leute muss sich grundsätzlich das Jugendamt kümmern, in dessen Zuständigkeit sie aufgegriffen werden, und da liegt Bayern weit vorn. Zum Vergleich: Thüringen musste sich im vergangenen Jahr gerade mal um 15 unbegleitete Minderjährige kümmern.
Die derzeit dem Landkreis zugewiesenen Jugendlichen sind in der Jugendhilfe-Einrichtung der Rummelsberger Diakonie in Fassoldshof untergebracht. Dort kümmert sich die Psychologin Birgit Schumann um die jungen Leute. Sie findet in der Regel recht schnell einen Draht zu den jungen Flüchtlingen. "Natürlich sind manche zunächst zurückhaltend und misstrauisch, doch wenn sie anfangen, sich bei uns zu Hause zu fühlen, fassen sie auch Vertrauen zu den Betreuern und Fachdiensten."
Damit sich die Jugendlichen möglichst schnell in ihrem neuen Leben zurechtfinden, hat das Erlernen der deutschen Sprache Priorität: Sie bekommen deshalb zehn bis 15 Stunden Deutschunterricht pro Woche, in kleinen Gruppen mit maximal fünf Schülern. Einige müssen überhaupt erst lesen und schreiben lernen, weil sie dies in ihrer Muttersprache nicht können. Andere kommen mit einer sehr guten Schulbildung.
Große kulturelle Unterschiede "Darüber hinaus zeigen wir den Jugendlichen erst einmal, wie das Leben bei uns funktioniert. Was gibt es zu essen? Wo kauft man ein? Wie bekommt man ein Bus-Ticket?" Manche Jugendlichen finden sich sehr schnell zurecht, andere haben mit allem Schwierigkeiten. Je nach Herkunftsland seien auch die kulturellen Unterschiede recht groß, so Schumann.
Noch kein Unterricht bewilligt Wer Deutsch versteht, kann die Berufsschule in Fassoldshof besuchen - in einer eigenen Klasse. Die jungen Leute sind nämlich, wie deutsche Jugendliche auch, schulpflichtig, "aber wir bekommen von der Regierung bislang keine Schulstunden", bedauert der Leiter der Fassoldshofer Berufsschule, Thomas Zapf. Dass die Jungen trotzdem in Deutsch, Mathematik und Sozialkunde unterrichtet werden können, ist einer Spende zu verdanken. Der Förderverein der Schule hat dem Träger 20 000 Euro zur Verfügung gestellt. Davon wurde Lehrerin Jenny Richter eingestellt, die die Schüler seit Februar fördert.
Ende Juli läuft das Projekt allerdings aus. Und dann? Thomas Zapf weiß nicht, wie es weitergeht: "Wir haben entsprechende Lehrerstunden für eine Klasse beantragt, aber die werden wir wohl nicht bekommen." Der Grund: Fassoldshof ist eine sonderpädagogische Einrichtung, und die Flüchtlinge haben keinen sonderpädagogischen Förderbedarf. "Aber sie wohnen ohnehin hier, und wir sind eine kleine Schule, die sich um die Jugendlichen kümmern kann. Sie fühlen sich wohl bei uns", sagt der Schulleiter. Eventuell wird ab September eine Klasse an der Hans-Wilsdorf-Berufsschule eingerichtet.
Probleme gibt es mit den Jungen nicht - ganz im Gegenteil. Zapf: "Das sind klasse Jungs, und ich habe sie gern hier!"