Worüber darf man lachen?

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Ein Stück, zwei Varianten: Die "Berndorfer Kirchenmäuse" 2018 (oben) und die "Buschklopfer" 2010. Fotos: Archiv/U. Prawitz, D.Hübner
Ein Stück, zwei Varianten: Die "Berndorfer Kirchenmäuse" 2018 (oben) und die "Buschklopfer" 2010.  Fotos: Archiv/U. Prawitz, D.Hübner
 
Beim Redaktionsgespräch (von links) Georg Mädl, Dietmar Hofmann, Martin Geiger, Johannes Asen, Cosima Asen, Redaktionsvolontärin Mirjam Stumpf, die Redakteurinnen Dagmar Besand und Katrin Geyer und Redaktionsleiter Alexander Müller. Foto: Jürgen Gärtner
Beim Redaktionsgespräch (von links) Georg Mädl, Dietmar Hofmann, Martin Geiger, Johannes Asen, Cosima Asen, Redaktionsvolontärin Mirjam Stumpf, die Redakteurinnen Dagmar Besand und Katrin Geyer und Redaktionsleiter Alexander Müller.  Foto: Jürgen Gärtner
 

Im Redaktionsgespräch mit Schauspielern geht es um verschiedene Varianten eines Stücks und um die Frage, wie weit Humor auf der Bühne gehen darf.

Ein deutscher Wehrmachts-Soldat tritt auf. Zackig knallt er die Hacken zusammen, hebt die Hand zum Hitlergruß: eine Szene aus einer Komödie.

Darf man über so etwas lachen? Das Publikum ist da oft geteilter Meinung. Und auch Schauspieler und Regisseure sind sich nicht immer einig. Die Frage, worüber man im Theater Witze machen darf, bietet Diskussionsstoff. Wir haben Schauspieler aus der Region zu uns in die Redaktion eingeladen, um mit ihnen über genau diese Frage zu debattieren.

Zu der eingangs beschriebenen Szene aus der britischen Boulevard-Komödie "Lauf doch nicht immer weg!" von Philip King haben sie alle eine besondere Beziehung. Cosima und Johannes Asen haben die Komödie sowohl 1990 als auch 2010 mit den "Buschklopfern" gespielt. Georg Mädl, Schauspieler und Regisseur, war 2010 in die Rolle des deutschen Soldaten geschlüpft. Martin Geiger und Dietmar Hofmann sind Mitglieder der Theatergruppe "Berndorfer Kirchenmäuse". Die hat das Stück in der vergangenen Saison auf die Bühne gebracht. Aber im Gegensatz zur Aufführung der "Buschklopfer" gab es hier keinen deutschen Soldaten und keinen Hitlergruß - nur eine Figur, die einfach "der Soldat" heißt.

Warum? "Wir haben ausgiebig darüber diskutiert und uns entschieden, diese Szenen zu entschärfen", sagt Dietmar Hofmann. Im Publikum sitzen bei uns ja Leute, die den Krieg noch erlebt haben. Die fänden das vielleicht nicht lustig." Und, so sagt er: "Dem Stück nimmt man damit nichts."

Auch bei den "Buschklopfern" hat es 1990 und 2010 Diskussionen gegeben, wie nah man die Figur am Original anlegen sollte. King hat das Stück in den vierziger Jahren geschrieben; uraufgeführt wurde es 1945. Für das englische Publikum am Ende des Zweiten Weltkriegs taugte die Karikatur eines deutschen Soldaten durchaus für Lacher.

Die "Buschklopfer" hätten sich dann, so Cosima Asen, für eine Inszenierung sehr nah am Original entschieden. "Da gehörte das einfach dazu." Ärger habe es deshalb nicht gegeben. Unproblematisch sei die Figur auch für ihn gewesen, so Schauspieler Georg Mädl. "Die Figur ist als Bösewicht angelegt, das wird im Stück schnell klar. Es ist eine überzogene Figur, eine Karikatur."

Es klingt paradox: Aber die Frage, was auf einer Theaterbühne lustig ist, ist eine ernste Sache. Das wird im weiteren Verlauf unseres Gespräches deutlich. Einig sind sich alle: Nichts ist schwerer zu realisieren als die leichten, lockeren, heiteren Boulevardkomödien. "Du musst das Stück ernst nehmen, aber Leichtigkeit vermitteln", sagt Georg Mädl. "Die Boulevard-Komödie braucht viel Tempo", meint Cosima Asen. Und sie braucht die Interaktion mit dem Publikum.

Das hat oft große Erwartungen an die leichte Komödie und ist bisweilen unberechenbar. Diese Erfahrung haben sie alle schon gemacht. Dietmar Hofmann und Martin Geiger erinnern sich an die Produktion "Schau nicht unters Rosenbeet" aus dem Jahr 2017, einen aberwitzigen Comedy-Thriller mit viel schwarzem Humor. "Die vielen englischen Namen und die vielen Leichen haben das Publikum wohl manchmal überfordert", mutmaßen sie.

Georg Mädl berichtet von einem Stück, bei dem das Publikum in den ersten Aufführungen an einer ganz bestimmten Stelle immer herzhaft lachte. "Bei der nächsten Aufführung blieb es an dieser Stelle plötzlich totenstill. Das irritiert maßlos." Auch deshalb wird in den beiden Theatergruppen während der Proben viel diskutiert: Verortet man das Stück in der Entstehungszeit, oder passt man es modernen Gegebenheiten an? Baut man ein paar extra Gags ein, spielt ein bisschen mit Lokalkolorit? Das ist immer gut: "Wenn die Leute was wiedererkennen, freuen sie sich", meint Georg Mädl.

Wenn die Leute hingegen etwas für politisch nicht korrekt halten, schimpfen sie bisweilen. So sah sich Georg Mädl mit dem Vorwurf konfrontiert, die jüngste "Buschklopfer"-Produktion "Jetzt nicht, Liebling!" sei sexistisch gewesen, weil die Frauen als einfältige Weibchen dargestellt würden."Stimmt doch gar nicht", sagt der Regisseur. "In der Entstehungszeit des Stückes war das Frauenbild ein anderes. Da muss man tiefer gucken: Eigentlich sind ja die Männer die Trottel."

Und immer wieder geht es schließlich um die Frage: Worüber darf man Witze machen? Geht ein Witz mit einem Alkoholiker oder einem Behinderten im Rollstuhl? Tilgt man "Un-Worte" aus dem Text? "Wir haben mal in einem Stück immer dann, wenn im Text 'Neger' stand, 'Mohr' gesagt", erinnert sich Dietmar Hofmann. "Das war ziemlich skurril."

Was der Regisseur den Schauspielern zumuten kann, ist übrigens auch nicht außer acht zu lassen. "Ich würde mich keiner Rolle verschließen", sagt zwar Martin Geiger, und auch Dietmar Hofmann meint: "Ich bin für alles zu haben." Aber er schränkt das gleich ein: "Nackt würde ich nicht auf die Bühne gehen." So, wie es Cosima und Johannes Asen strikt ablehnen würden, eine Vergewaltigungsszene zu spielen.

Ansonsten, da besteht bei unseren Gesprächspartnern große Einigkeit, darf die Boulevard-Komödie alles. Fast alles, wie Johannes Asen relativiert: "Humor ja - aber es darf niemals entwürdigend werden."