Solidarisch - über den Tod hinaus
Seine eigene Rettung verdankt er neben dem medizinischen Können der Ärzte nicht zuletzt der Tatsache, dass sich ein Mann in Großbritannien zu Lebzeiten Gedanken gemacht hat und sich als Spender registrieren ließ. "Wenn ich die Diskussion in Deutschland verfolge, so empfinde ich das bisweilen als beschämend, ja da geht mir das Messer in der Tasche auf." Die Widerspruchslösung (siehe Infokasten), wie sie Gesundheitsminister Jens Spahn in die politische Debatte geworfen hat, hält er für die einzig richtige Lösung.
"Wir sind ein Solidarstaat, in dem einer für den anderen eintritt. Das sollte dann in der Frage der Organspende auch so sein, oder? Es ist nur fair, wenn jeder als potenzieller Spender registriert wird, weil er selber als Betroffener ja auch hofft, dass ihm das Gemeinschaft hilft. Und diese Vorgehensweise entlastet alle: die Angehörigen, weil sie nicht im Angesicht des Todes eines geliebten Menschen noch entscheiden müssen; die Ärzte, die ohnehin mit zu viel überflüssiger Arbeit überhäuft sind. Und auch das Gesundheitssystem an sich, denn die Folgekosten für Dialyse etc. sind gravierend."
Das bedeutet Widerspruchslösung
In Deutschland gilt bei der Organspende seit 2012 die erweiterte Zustimmungslösung. Doch sie soll durch die Widerspruchslösung ersetzt werden. Die besagt: Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel in einem Widerspruchsregister, können Organe zur Transplantation entnommen werden. Das gilt unter anderem in Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn.
Kommentar
Meiner hat Eselsohren und kleine Risse. Gültig ist er trotzdem. Das Papierchen in Visitenkartengröße trägt als Datum den 25. Juni 1997. Seither bin ich potenzieller Organspender. Willentlich! Einschränkungen habe ich keine angegeben, man darf mich im Falle des Todesfalles also "ausschlachten". - Diesen Begriff habe ich oft gehört. Einige wenige hießen mich willkommen im Club und zeigten ihr Kärtchen. Die meisten schüttelten den Kopf. Wie ich mich der Ärzte-Mafia ausliefern könne und/oder wie sich das mit dem christlichen Glauben vereinbaren ließe? Ich stellte jedes Mal zwei Gegenfragen: 1. Wie oft begibt man sich zu Lebzeiten in die Hände von Ärzten, weil es nötig ist? 2. Sollte mich mein Herrgott weniger lieben oder gar strafen, weil ich am jüngsten Tag nicht als Komplettverweser vor ihn trete? In all den Jahren wurde die Organspende im Wechsel mal totgeschwiegen, dann wieder totgeredet (mancher Klinikskandal mag dazu beigetragen haben). Torpediert wurde das System auch im Inneren, als Ethiker und Mediziner eine Diskussion über den Hirntod als Kriterium für den Zeitpunkt der Organentnahme vom Zaun brachen. Das führte zu Verunsicherung bei den Gesunden; man befürchte gar, der Notarzt würde etwa am Unfallort weniger intensiv helfen, um an Organe zu kommen. Was er davon haben soll? Selbstbereicherung? Information statt Angst - wäre mal ein guter Ansatz. Andere machen's vor. Zum Bespiel Österreich, wo seit 1982 die Widerspruchslösung gilt: Jeder ist automatisch Spender, es sei denn, er widerspricht. Mir ist nicht bekannt, dass unser Nachbar zum rechtsfreien Hort des organisierten Organhandels mutierte - umgekehrt nimmt er bei Transplantationen seit Jahren einen Spitzenrang ein, zuletzt mit 92 Eingriffen pro einer Million Einwohner. Hierzulande liegt die Quote bei 46,4!
Darf man da nicht staatlich festlegen, dass sich Bürger ab 18 einmal (!) im Leben mit dem Thema befassen - und Ja oder Nein sagen? Was es im Umkehrschluss bedeutet, sehen wir: Schwerkranke, die oft erst vegetieren und dann krepieren auf den Wartelisten. Jeden Tag drei Menschen. Drei Jahre dieses Spiel, und wir haben die Getöteten der 9/11-Anschläge beisammen. Ohne Terror von
außen, es genügt die brutale Gleichgültigkeit von innen.