Henry Schramm: Wir brauchen diese Perspektive so dringend - gerade jetzt! In den letzten Jahrzehnten hat Kulmbach kontinuierlich Einwohner verloren. Viele junge Leute haben hier für sich keine Zukunft gesehen. Hochschulstandorte bringen neue Perspektiven für Geschäfte, Kneipen und Wirtschaft. Seit dem Uni-Beschluss 2017 ist das anders. Weggezogene kommen zurück, Unternehmen und Privatleute investieren, die Menschen glauben wieder an ihre Heimatstadt. Deshalb werde ich alles daran setzen, dass dieses Projekt ein Erfolg wird. Die Uni hilft mit und der Freistaat steht weiter zu seinen Zusagen. Wir müssen - jetzt wo das Geld knapper wird - dennoch in München weiter dafür werben und auch kämpfen.
Ingo Lehmann: Ich bin da sehr zuversichtlich, dass die Zusagen der bayerischen Staatsregierung gelten, egal wer Kulmbacher Oberbürgermeister ist. Auch Kronach bekommt einen Unicampus - und dort heißt der OB bekanntlich nicht Henry Schramm.
Was ist Ihrer Meinung nach aktuell von einem Oberbürgermeister gefordert?
Henry Schramm: Die Menschen müssen spüren, dass man sich ihrer Nöte annimmt und etwas für sie erreicht - das gilt für Einzelne oder ganze Unternehmen. Es braucht Netzwerke, Erfahrung, Sachkenntnis und Entschlossenheit. Abstimmung mit Regierung und Katastrophenschutzbehörden sind erforderlich. Generell sollte man nicht spalten, sondern Menschen zusammenführen.
Ingo Lehmann: Arbeit rund um die Uhr - ich fand es schon ein wenig verwunderlich, dass Herr Schramm Zeit für den Wahlkampf gefunden hat. Wir als SPD haben seit Beginn der Corona-Krise bewusst den Wahlkampf gedrosselt. Wir glauben, dass alles bereits gesagt wurde und es für die Menschen existenziellere Sorgen gibt als den OB-Wahlkampf.
Wie reagieren Sie auf die Wahlempfehlung der Grünen?
Henry Schramm: Wir haben im Stadtrat und im Bezirk mit den Grünen ein gutes Miteinander. Thematisch sind wir nicht weit auseinander. Ich bin zuversichtlich, dass die Wähler selbst entscheiden.
Ingo Lehmann: Ich habe mich sehr gefreut. Das zeigt mir, dass ich nicht nur Rückhalt bei meiner Partei habe, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in Kulmbach erreichen kann. Unsere Themen und unsere Lösungsansätze ähneln sich sehr. Gemeinsam wollen wir ein zukunftsorientiertes Kulmbach schaffen, das für Vielfalt, Soziales, Ökologie und nicht zuletzt für Transparenz und Bürgernähe steht. Wir wollen, dass in Kulmbach wieder jeder gleichberechtigt ist und die Interessen der Allgemeinheit im Vordergrund stehen.
Warum sollen die Bürger in der Stichwahl Sie wählen?
Henry Schramm: Ich liebe diese Stadt - ich brenne dafür, sie weiterzuentwickeln. 2000 neue Arbeitsplätze sind seit meinem Amtsantritt entstanden. Um jeden einzelnen davon müssen wir jetzt kämpfen. Und trotz der aktuellen Situation haben wir so viele Chancen - wenn wir sie nutzen! Der Eku-Platz mit der Tiefgarage ist schön geworden. Wir können ein Band entwickeln von der Altstadt über das Kaufplatzgelände, die Spinnerei, dem sanierten Bahnhof bis hin zum Güterbahnhofsgelände - mit ganzer Kraft und Herzblut werde ich für Kulmbach und die Menschen hier weiterarbeiten.
Ingo Lehmann: Ich stehe als Kulmbacher Oberbürgermeister zu unserem Wahlspruch: Kulmbach mit Charakter. Ich möchte, dass zukünftig Entscheidungen im Kulmbacher Stadtrat getroffen werden, die nicht über die Köpfe der Menschen hinweg gefällt werden. Eine lebendige Kulmbacher Innenstadt, die mit einem neuen Bürgerplatz einen weiteren Anziehungspunkt erhält, eine Altstadt, die ihren Namen verdient, mit der Plassenburg ein Wahrzeichen, das ohne sinnlose Verkehrsbauwerke auskommt. Ein Kulmbach, dass auch Wohnraum für den kleineren Geldbeutel bietet und nach Antworten auf den Klimawandel sucht. Ich möchte Kulmbach sympathischer machen, eben ein Kulmbach mit Charakter.
Die Stichwahlen
Stichwahl Im ersten Wahlgang am 15. März hat keiner der Bewerber mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigen können.
Ergebnis Am 15. März hatte in Kulmbach Amtsinhaber Henry Schramm (CSU) 45,54 Prozent der Stimmen für sich verbuchen können, Ingo Lehmann (SPD) erreichte 35,46 Prozent. Nicht mehr im Rennen sind Dagmar Keis-Lechner (Bündnis 90/Die Grünen), der 14,12 Prozent der Wähler ihre Stimme gegeben hatten, und Hagen Hartmann (AfD) mit 4,88 Prozent.
Entscheidung Zu einer Stichwahl kommt es auch in Neudrossenfeld. Dort hatte Amtsinhaber Harald Hübner (CSU) 45,14 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. Wie 2014 müssen am Sonntag die Wähler zwischen ihm und Björn Sommerer (FuG) entscheiden, der 29,63 Prozent auf sich vereinigt hat. Rainer Strobel (FW) hatte 25,23 Prozent erreicht.
Verfahren Aufgrund der Corona-Krise ist nur die Briefwahl möglich. In Kulmbach gibt es 21 460 Wahlberechtigte, in Neudrossenfeld sind es insgesamt 3102. am