Wenn das Herz eine Prothese braucht

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Jennifer Baumüller will das Netzwerk "Herzensangelegenheiten" gründen. Unser Bild zeigt sie mit Tochter Lusi,die mit einem schweren Herzfehler auf die Welt gekommen ist.
Jennifer Baumüller will das Netzwerk "Herzensangelegenheiten" gründen. Unser Bild zeigt sie mit Tochter Lusi,die mit einem schweren Herzfehler auf die Welt gekommen ist.
Alexander Hartmann
Kinderkardiologe Gerald Hofner
Kinderkardiologe Gerald Hofner
Alexander Hartmann

Jennifer Baumüller aus Welschenkahl, deren Tochter Lusi unter einer schweren Herzerkrankung leidet, will das Netzwerk "Herzensangelegenheiten" gründen. Die 36-Jährige möchte betroffenen Eltern Hilfe bieten.

Es war ein Schock: In der 20. Schwangerschaftswoche hat Jennifer Baumüller, die am 3. März 2021 die Zwillinge Lusi und Luis zur Welt gebracht hat, erfahren, dass ihr Sohn zwar gesund zur Welt kommen wird, ihre Tochter aber einen schweren Herzfehler hat. Pulmonalatresie mit MAPCAS heißt der medizinische Fachbegriff für eine ganz seltene Fehlbildung, die Lusi ein Leben lang begleiten wird. Was man darunter versteht? Blutgefäße, die vom Herz zur Lunge führen, sind nicht ausgebildet. Sie müssen durch eine Gefäßprothese ersetzt werden, die die lebenswichtige Versorgung der Lunge mit Blut sicherstellt.

Gleich auf die Intensivstation

Lusi wurde gleich nach der Geburt im Herzzentrum der Erlanger Kinderklinik auf die Intensivstation verlegt und dort medizinisch betreut. "Nach einer Woche konnte ich mit meinem Lebensgefährten und unseren beiden Kindern die Klinik aber schon verlassen", sagt Jennifer Baumüller, für die Besuche beim Kinderarzt und Kinderkardiologen seitdem ebenso wie Termine in der Frühförderung und Physiotherapie zum Alltag gehören.

Viele Hürden

Die 36-Jährige aus dem Kasendorfer Ortsteil Welschenkahl weiß, dass Lusi Herzoperationen nicht erspart bleiben. Im September wurde die erste Gefäßprothese eingesetzt, am kommenden Donnerstag wird sie zum zweiten Mal operiert. Weitere Eingriffe werden folgen, denn während die Gefäße der Tochter wachsen, macht dies die Prothese natürlich nicht. "Sie muss deshalb immer wieder angepasst und ausgetauscht werden", sagt die Mutter. Jennifer Baumüller hat einschneidende Erfahrungen gemacht und wird mit ihrer Tochter Lusi noch vor einige Herausforderungen gestellt werden. Herausforderungen, die nicht nur medizinischer Natur sind - auch bürokratische Hürden müssen gemeistert werden. "Man ist nach der Geburt ohnehin in einer schwierigen Situation, man muss dann aber auch noch viele Aufgaben bewältigen und schon hartnäckig sein, um sich durchzukämpfen", sagt die 36-Jährige, der sich viele Fragen gestellt haben: "Wie beantrage ich einen Schwerbehinderten-Ausweis, wie die Einstufung in einen Pflegegrad? Und später stellt sich die Frage, wie man einen Platz in einer integrativen Kindertagesstätte bekommt."

"Man wächst mit den Aufgaben"

Man wachse mit den Aufgaben, sagt Jennifer Baumüller, die auch gelernt hat, dass man für Klinikaufenthalte besonders gerüstet sein muss. "Ich habe beispielsweise nicht gewusst, dass man bei einer OP Wickelwindeln braucht, damit Schläuche und Kabel angebracht werden können."

Weil Jennifer Baumüller erfahren hat, dass wie sie auch viele andere Eltern Unterstützung brauchen, möchte sie Mütter und Väter zusammenführen, deren Kinder ebenfalls mit einem Herzfehler zur Welt gekommen sind. "Ich will das Familiennetzwerk ,Herzensangelegenheiten' ins Leben rufen", sagt die 36-Jährige. Sie will Stammtischtreffen organisieren, bei denen man sich austauschen kann, aber auch Ausflüge oder Geschwisteraktionen. Zudem sollen Vorträge veranstaltet werden, die der Bayreuther Kinderkardiologe Gerald Hofner halten wird, der Tochter Lusi medizinisch betreut.

Ein Prozent hat einen Herzfehler

"So ein Netzwerk ist wichtig, denn dort können auch viele soziale und psychosoziale Themen besprochen werden, die beim Termin in der Arztpraxis nicht erörtert werden können", sagt der Kinderarzt, der das Projekt mit seiner Kollegin Silvia Fernández Rodríguez begleitet. Wie Hofner mitteilt, kommt ein Prozent aller Kinder mit einem Herzfehler zur Welt, nur 0,1 Prozent der Betroffenen hätten allerdings einen so schweren Herzfehler wie Lusi. Es sei wichtig, dass man den Eltern eine Hilfestellung bietet.

"Familien durch Krisen begleitet"

Hilfe, die auch Lusi benötigt. Während ihr Bruder Luis kurz vor dem ersten Geburtstag schon durch die Wohnung krabbelt, schafft sie das noch nicht. Ihre Entwicklung ist durch die Krankheit verzögert, doch Jennifer Baumüller ist zuversichtlich, dass ihre Tochter später doch ein einigermaßen normales Leben führen kann, auch wenn sie schon jetzt weiß, dass sie große körperliche Anstrengung in Freizeit und Beruf meiden muss. "Ich bin aber ein positiv denkender Mensch und überzeugt: Wir schaffen das", sagt die 36-Jährige, die bis zu der Geburt als Sozialpädagogin an der Hans-Edelmann-Schule in Ziegelhütten tätig war und da hilfreiche Erfahrungen gesammelt hat. "Dort habe ich viele Schüler und Familien durch Krisen begleitet."

Die Nachfrage ist groß

Jennifer Baumüller ist davon überzeugt, dass das Netzwerk viele "auffangen" kann. Zwölf Familien hätten schon ihr Interesse bekundet, aus ganz Oberfranken, aber auch aus dem Vogtland habe sie Anrufe erhalten. Wann das erste Treffen geplant ist? "Im Frühjahr, weil es unter freiem Himmel stattfinden soll, denn alle Kinder habe ja gesundheitliche Probleme", sagt die 36-Jährige, die Gefahren, die durch eine Corona-Infektion drohen, aus dem Weg gehen will.

Kontakt

Wer sich dem Netzwerk "Herzensangelegenheiten" anschließen will, kann sich an Jennifer Baumüller (0176/40441660; jenniferbaumueller@gmx.de) wenden.