Ist es der Kurvenschwung oder die Möglichkeit, auch einmal selbst dran zu schrauben? In Maineck gibt es gleich mehrere Zweiradfans, die dem italienischen Kultroller verfallen sind.
Diese Bar verströmt einen Hauch von Italien: Ein Kräuterlikör aus "Bella Italia" lädt zum Verweilen am Tresen ein, und auf einem Gemälde erstrahlt die Toskana in romantischen Farben. Auch "La Dolce Vita" auf zwei Rädern hat Platz gefunden in diesem Zimmer, das Sonja (52) und Dieter Baumann (48) ihr Eigen nennen. Denn: Auf einem Regal stehen Miniatur-Vespas, liebevoll eingerahmt von alten Werbeschildern aus Blech. Plötzlich geht die Tür auf - und hereinspaziert kommen ein paar Damen und Herren aus dem Altenkunstadter Ortsteil Maineck, die den italienischen Kultroller, der 1946 zum ersten Mal vom Band gelaufen ist, in ihr Herz geschlossen haben.
Rollermarken gibt es viele. Für viele gibt es aber nur die eine, und die heißt Vespa. Was die Faszination der italienischen Marke ausmacht? "Man bremst ab, schaltet herunter und fährt dann mit Schwung durch die Kurve. Das ist für mich einzigartig." Die Augen des 52-jährigen Oskar Bär glänzen voller Bewunderung. Silke Auer (40) spricht den Handwerker im Mann an, als sie mit Blick auf ihren Gatten Michael (42) feststellt: "An einer Vespa kann man mit ein bisschen Hintergrundwissen selbst herumschrauben."
Während Dieter Baumann das für ihn stimmige Design des Gefährts wortreich mit den Kurven einer schönen Frau vergleicht, fühlt sich seine Ehefrau an die letzte Ausfahrt in die Fränkische Schweiz erinnert: "Ich genoss die malerische Landschaft, weil es bei einem Roller nicht um Schnelligkeit geht. Bei der Einkehr in die urige Gastwirtschaft wurde unser Hobby sofort zum Gesprächskatalysator."
Auch begeisterte Radfahrer
Ob muskelbetrieben oder mit Zweitaktmotor - zwei Räder begleiten das Sextett schon seit Jahrzehnten. Die drei Ehepaare sind allesamt Mitglieder im Radfahrerverein Viktoria Maineck. Seit über zehn Jahren hat sie auch der Vespa-Virus ergriffen, der dafür sorgt, dass seit 2012 das Mainecker Radlerheim alljährlich zum Anlaufpunkt für Vespa-Fans aus Nah und Fern wird.
"Am letzten Sonntag im September lassen viele Fahrer, die meist nur über ein Saisonkennzeichen verfügen, die Zweiradsaison mit einem Aufenthalt in Maineck ausrollern", erklärt Michael Auer.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er bekanntlich viel erzählen. Die weiteste führte Michael Auer, Oskar Bär und Dieter Baumann im Juni 2005 ins Mutterland des Rollers. "1500 Kilometer fuhren wir von Maineck nach Rom. Eine Fahrt, die uns sechs erlebnisreiche Tage bescherte", erzählt Bär. Für seinen Freund Dieter Baumann war es die Jungfernfahrt, er hatte sein Gefährt erst eine Woche zuvor erworben. In Rom heil angekommen, ergriffen den Mainecker die Glücksgefühle.
"Ich kniete mich auf dem Petersplatz vor meinen Roller, rief spontan ,Oh Francesca' und küsste ihn." Auf der Heimfahrt aber blieb die Maschine mit Motorschaden liegen: Ein Ersatzteil musste aus Deutschland besorgt werden. Das Trio machte aus der Not eine Tugend. Baumann: "Wir genossen den unfreiwilligen Aufenthalt in einem Adriastädtchen südlich von Rimini." Die längste Etappe legte das Trio am letzten Tag der Reise zurück: An einem Stück fuhren die Vespa-Fans von Venedig bis nach Maineck - mit gesundheitlichen Folgen für einen der Fahrer. Bei Michael Auer löste das lange Fahren eine "Vogelkralle" aus: "Durch das ständige Vibrieren und Halten des Lenkrades verkrampften sich die Finger meines Mannes, die er nicht mehr bewegen konnte. Die Beschwerden mussten mit Krankengymnastik behandelt werden", schildert seine Frau Silke das Malheur.
Ein Erlebnis war auch die Teilnahme an den "Vespa World Days" im Juni in der kroatischen Kleinstadt Biograd mit Tausenden von Vespasaus aller Herren Ländern. Unvergesslich war für beide der Ausflug nach Zatar: "Ein vierspuriges Vespa-Meer schwappte bei strahlend blauem Himmel über die Autobahn - und wir waren mittendrin", schwärmt Michael Auer. Die sechs Vespa-Freunde aus Maineck wollen ihrem Hobby noch viele Jahre frönen. Michael Auers Gedanken schweifen zu Hans Pfadenhauer aus Bad Staffelstein, der mit seinen 89 Jahren zu den ältesten Rollerfahrern im Landkreis Lichtenfels zählt und Stammgast beim Mainecker Vespa-Treffen ist. "Ich fahre Roller und meine Frau Rollator", zitiert er den rüstigen Rentner - und erntet ein Lachen.