Vernunft oder Verrat am Vaterland?

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Ukrainische Rettungskräfte und Freiwillige tragen eine verletzte Schwangere aus einer Entbindungsklinik, die durch Beschuss in Mariupol beschädigt wurde.
Ukrainische Rettungskräfte und Freiwillige tragen eine verletzte Schwangere aus einer Entbindungsklinik, die durch Beschuss in Mariupol beschädigt wurde.
Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Ich ziehe den Hut vor den Menschen in der Ukraine, die ihr Land nicht widerstandslos aufgeben wollen, die ihr Leben riskieren, um sich und auch andere zu schützen. Ob ich selbst den Mut dazu aufbringen würde?

Krieg herrscht in der Ukraine und angesichts der vielen Toten, Verletzten und zerbombten Städte ein schier unermessliches Leid. Neben aller Not und Verzweiflung ist aber auch ein ungeheurer Patriotismus zu spüren, mit dem sich viele Ukrainer gegen die scheinbar übermächtige russische Armee stemmen. Tausende Zivilisten, darunter auch viele Frauen, greifen - ohne jegliche Ausbildung - zur Waffe, um ihr Vaterland mit allen Mitteln zu verteidigen.

Im warmen Wohnzimmer

Ich ziehe den Hut vor Menschen, die ihr Land nicht widerstandslos aufgeben wollen, die ihr Leben riskieren, um sich und auch andere zu schützen. Ob ich selbst den Mut dazu aufbringen würde? Eine Frage, die mich in den vergangenen Tagen immer wieder bewegt hat, wenn ich die Bilder gesehen habe, auf denen kampfbereite Männer und Frauen zu sehen waren, die nicht die Uniform der ukrainischen Armee trugen. Es ist eine Frage, die ich, fernab im warmen Wohnzimmer in Deutschland sitzend, für mich nicht beantworten kann.

Wer es nicht selbst erlebt...

Wer es nicht selbst erlebt, der kann wohl nur schwer eine Einschätzung darüber geben, wie er in einer solch absoluten Ausnahmesituation reagieren würde, denke ich mir. Wobei ich vermute, dass ich angesichts der etwa in der Stadt Mariupol schier aussichtslosen Lage der Ukrainer wohl eher zu denen gehören würde, die die Flucht ergreifen, um die Familie, aber auch sich selbst schnellstmöglich aus der Schusslinie zu bringen.

Verräter?

Manch einer würde mich wohl einen Vaterlandsverräter nennen. Wie es auch die tun, die sich am Telefon über Männer auslassen, über deren Flucht aus der Ukraine wir berichtet haben. Die sich anmaßen, fernab des Kriegsgeschehens die Entscheidung von Menschen beurteilen zu können, bei denen es um Leben und Tod geht. Ob die Kritiker wohl selbst den Heldentod gestorben wären? Vom Couchsessel aus lässt sich diese Frage sicherlich leicht mit "Ja" beantworten, im Bombenhagel, so denke ich, eher nicht.