Sterbehilfe: Letzter Ausweg im großen Leid?

3 Min
Viele verschiedene Vorschläge, ein Ziel: Das Thema Sterbehilfe soll in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Foto: Oliver Berg, dpa
Viele verschiedene Vorschläge, ein Ziel: Das Thema Sterbehilfe soll in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Foto: Oliver Berg, dpa

Soll man Menschen helfen dürfen, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Das Thema wird auch in Kulmbach kontrovers diskutiert. Vier verschiedene Gesetzentwürfe liegen auf dem Tisch. Am Freitag will der Bundestag entscheiden, was legal ist und was strafbar.

Das Thema ist schwierig, nicht allein wegen der ethischen Dimension der Frage, ob und in welchen Fällen Sterbehilfe erlaubt sein soll. Verwirrend ist die Vielzahl der Begriffe, der Argumentationen, der Regelungen in der Rechtsprechung, der geplanten Änderungen. Worum geht es in der Diskussion eigentlich genau?

Der Seniorenbeirat der Stadt Kulmbach hat sich des Themas angenommen und am Montagabend zu einer Podiumsdiskussion "In Würde leben - in Würde sterben" ins Rathaus eingeladen. Dass Informations- und Gesprächsbedarf vorhanden ist, zeigt der Andrang. Es müssen noch zusätzliche Stühle geholt werden, um alle Interessierten unterzubringen. Auf dem Podium sitzen eine Juristin, zwei Palliativ-Mediziner, Vertreter des Hospizvereins. Menschen, die sich lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, Sterbende und Angehörige seit vielen Jahren begleiten.

Sie sei dankbar dafür, dass das Sterben kein Tabuthema mehr sei, sagt die Initiatorin der Veranstaltung, Christina Flauder, Vorsitzende des Seniorenbeirats. "Wir möchten die Gelegenheit geben, mit Fachleuten zu sprechen, und gleichzeitig zeigen, wie stark das Netzwerk derer ist, die Sterbende begleiten. Der Tod kann etwas von seinem Schrecken verlieren, wenn man sieht, dass man nicht allein gelassen wird."

Zum Auftakt bringt Rechtsanwältin Gabriele Hohenner, langjähriges Vorstandsmitglied und juristische Beraterin des Kulmbacher Hospizvereins, Klarheit in die Begrifflichkeiten und stellt die vier aktuellen Gesetzentwürfe dar.


Was ist Sterbehilfe?

Das Thema fordert Juristen, Theologen und Mediziner gleichermaßen, sagt Hohenner. Was ist Sterbehilfe? Ein Akt der Menschlichkeit oder Unrecht? Die Ansichten gehen da weit auseinander. Passive Sterbehilfe durch einen Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen ist nach derzeit geltendem Recht legal. Voraussetzung: Der Patient wünscht das unmissverständlich und hat es beispielsweise in einer Patientenverfügung niedergelegt. Daran soll sich auch mit dem neuen Gesetz nichts ändern. Aktive Sterbehilfe, bei der der Arzt einem Kranken ein Mittel verabreicht, um sein Leben zu beenden, ist dagegen Tötung auf Verlangen. Eine Straftat. Eine Legalisierung steht nicht zur Debatte.

Die derzeitige Diskussion dreht sich um einen anderen Aspekt: den ärztlich assistierten Suizid. Nach derzeitiger Rechtslage ist es Medizinern erlaubt, dem Patienten ein tödliches Medikament bereitzustellen, dass dieser selbst einnimmt. Voraussetzung ist, dass der Sterbewillige geistig klar und psychisch gesund ist und ihm seine Alternativen bekannt sind.

Reicht dieser gesetzliche Rahmen? Zwei Entwicklungen haben die Debatte angefacht und den Druck auf die Politik erhöht. Zum einen drängen Organisationen auf den Markt, die in der Suizidbeihilfe ein Geschäftsmodell sehen. Zum anderen gibt es große Unsicherheiten unter Ärzten. Sie sind auch ihrem Standesrecht verpflichtet, haben sich jedoch nicht auf bundesweit einheitliche Regelungen einigen können, so dass in den Bundesländern unterschiedliche Vorgaben gelten.


Ohne Angst und ohne Schmerzen

Die Diskussion im Rathaus beherrscht allerdings weniger die Frage, ob der ärztliche assistierte Suizid erlaubt sein soll, sondern vielmehr der Gedanke, ob eine solche Verzweiflungs-Entscheidung überhaupt sein muss. Ursula Weiskopf, Oberärztin der Palliativstation am Klinikum Kulmbach, und Wolfgang Schulze, zuständig für die Spezielle ambulante Palliativversorgung für Bayreuth und Kulmbach und Leitender Arzt der Palliativstation am Klinikum Bayreuth, erfahren täglich, dass das Sterben in Würde vom Umfeld abhängt. Die Palliativmedizin zielt darauf ab, Schmerzen und andere Beschwerden zu lindern, das Leben mit der Krankheit erträglich zu machen. "Damit kann den Menschen die größte Angst genommen werden, nämlich die vor einem langen, quälenden Sterbeprozess, so Schulze."


Unter Druck statt frei

Nicht wenige Kranke hätten auch Angst davor, zur Belastung für ihre Angehörigen zu werden. Gesetzlich erlaubte assistierte Selbsttötung könnte den Druck auf unheilbar Kranke verstärken, diesen Schritt zu gehen.

Diese Auffassung teilt auch Dieter Hägele, ehemaliger Vorsitzender und Mitbegründer des Kulmbacher Hospizvereins. "Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben ist unsere Aufgabe. Geschäftsmäßige Sterbehilfe lehnen wir ab. Es besteht die Gefahr eines Dammbruchs." Einsamkeit, Armut, Pflegebedürfigkeit dürften nicht dazu führen, dass Menschen sich genötigt fühlen, ihr Leben zu beenden. "Wir brauchen eine flächendeckende Versorgung mit Palliativstationen und Hospizen. Das ist der beste Weg."

Markus Ipta, Vorsitzender des Kulmbacher Hospizvereins, macht deutlich: "In 90 Prozent aller Fälle verläuft das Sterben ohne große Probleme." Wichtig ist für ihn als Hausarzt allerdings, mit Patienten über das Thema zu sprechen: "Der Wille des Patienten ist entscheidend. Er kann alles selbst erlauben oder verbieten, muss keine Behandlungen durchführen lassen, die er nicht will. Das ist sehr individuell, und so soll es sein."



Vorsorge, Beratung, Kontaktadressen


Info-Sammlung
Bei der Diskussion wurde der Wunsch nach einem Infoheft geäußert, in dem Interessierte alle wichtigen Kontaktadressen und aktuelle Informationen finden. Der Seniorenbeirat will sich um diesen Wunsch kümmern.

Patientenverfügung
Der beste und sicherste Weg, dafür zu sorgen, dass bei schwerer Krankheit der eigene Wille geachtet wird, ist das Verfassen einer Patientenverfügung, im Idealfall abgestimmt mit dem Hausarzt. Infos zu vorsorgenden Vollmachten geben die Kulmbacher Betreuungsvereine Awo, BRK, Caritas und Diakonie. Musterformulare helfen bei der Ausarbeitung.

Hospizverein
Als erste Adresse für alle, die Hilfe suchen, sieht sich der Kulmbacher Hospizverein: Waaggasse 5, 95326 Kulmbach,Telefon 09221/924739.