Spaziergänger wünschen sich am Görauer Anger mehr Aussicht - aber die Naturschützer haben ganz andere Probleme

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So mögen es Spaziergänger: Vom Görauer Anger reicht der Blick weit hinaus - selbst an diesigen Tagen. Foto: Katrin Geyer
So mögen es Spaziergänger: Vom Görauer Anger reicht der Blick weit hinaus - selbst an diesigen Tagen.  Foto: Katrin Geyer
Die Arbeit an den steilen Hängern - hier an einem Grundstück, das der Bergwacht-Bereitschaft Kulmbach-Obermain gehört - erfordert gründliche Sicherungsmaßnahmen. Foto: Bergwacht Kulmbach-Obermain
Die Arbeit an den steilen Hängern - hier an einem Grundstück, das der Bergwacht-Bereitschaft Kulmbach-Obermain gehört - erfordert gründliche Sicherungsmaßnahmen.  Foto: Bergwacht Kulmbach-Obermain
 
So hat der Maler Max Wild im Jahr 1977 den Görauer Anger gesehen. Im Hintergrund ist die Ortschaft Zultenberg zu sehen. Die Felsköpfe sind frei von Bewuchs. Repro: privat/Archiv BR
So hat der Maler Max Wild im Jahr 1977 den Görauer Anger gesehen. Im Hintergrund ist die Ortschaft Zultenberg zu sehen. Die Felsköpfe sind frei von Bewuchs. Repro: privat/Archiv BR
 
So sieht es heute an manchen Stellen am beliebten Spazierweg zwischen den Orten Zultenberg und Görau aus: Die Natur hat sich die Felskante zurückerobert. Foto: Katrin Geyer
So sieht es heute an manchen Stellen am beliebten Spazierweg zwischen den Orten Zultenberg und Görau aus: Die Natur hat sich die Felskante zurückerobert. Foto: Katrin Geyer
 

Spaziergängern missfällt die Verbuschung der Felskante am Görauer Anger. Die Landschaftspfleger haben derzeit aber ganz andere Aufgaben zu stemmen.

"Franken ist ein gesegnetes Land, von den Bergen und Schlössern eine Aussicht viele Stunden weit." - Dass der Dichter Johann Wolfgang von Goethe jemals durchs Kulmbacher Land gereist ist, ist nicht belegt. Aber wenn: Dieser Satz könnte dem Dichterfürsten auf dem Görauer Anger in den Sinn gekommen sein.

Vor der Bank nur Gestrüpp

Ein einzigartiges Felsplateau ist das, mit den für den Fränkischen Jura so typischen Magerrasen und markanten Felsköpfen. Der Spazierweg zwischen den Ortschaften Zultenberg und Görau gehört zu den beliebtesten in der Region. An sonnigen Sonntagen herrscht dort ein Betrieb, mit dem eine kleinstädtische Fußgängerzone auch am Samstagmorgen nur schwer mithalten kann.

Seit geraumer Zeit gibt es bei manchen Spaziergängern lange Gesichter. Mit der berühmten Aussicht vom Anger ist es stellenweise nämlich nicht mehr weit her. Büsche sind von unten weit über die Felskante hinausgewachsen, verstellen den Blick. Von der einen oder anderen Ruhebank aus sieht man nur noch dürres Gestrüpp.

Was macht Lichtenfels anders?

"Das Gestrüpp muss weg", sagt ein Spaziergänger, der dort oben regelmäßig mit seinem Hund unterwegs ist. Ähnlich äußert sich ein Zultenberger, dem das wuchernde Grün schon lange ein Dorn im Auge ist.

Seinen Namen möchte der Mann lieber nicht in der Zeitung lesen, aber er deutet an, dass er den Landkreis Kulmbach in der Verantwortung sieht. Schließlich biete sich nach etwa der Hälfte des Weges von Zultenberg nach Görau ein völlig anderes Bild. Dort beginnt das Gebiet des Landkreises Lichtenfels - und eine Felskante mit freiem Blick.

Im Landkreis Kulmbach hingegen scheint es, schenkt man seiner Aussagen Glauben, wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu geben. Von einem alten Zwist um auf der Hochfläche gelagertes Holz ist da die Rede, das den Unwillen der Landkreisverwaltung erregt habe. Ein Zwist, der dazu geführt habe, dass mancher Eigentümer wenig geneigt sei, von sich aus tätig zu werden.

Was sagt der Landkreis zu diesen Vorwürfen?

Zum Thema Holzlagerung: gar nichts. Aber Karin Meißner, im Landratsamt Kulmbach unter anderem zuständig für Naturschutz und Landschaftspflege, kann zum Thema Natur auf dem Görauer Anger eine Menge beitragen. Das Felsplateau ist schließlich nicht nur in touristischer Hinsicht interessant.

Schutzwürdiges Gebiet

Die markanten Felsen und die dahinter liegenden Wiesen sind auch Landschaftsschutzgebiet und Teil eines FFH-Gebietes (Spezielle Gebiete, die zum Schutz von Flora, Fauna und Habitaten, also von Pflanzen, Tieren und Lebensraumtypen ausgewiesen wurden). An diesen sogenannten Albtrauf-Hängen leben seltene und geschützte Tiere und Pflanzen. Die Hochfläche ist geprägt von artenreichen Wiesen und Kalkmagerrasen: Ein Paradies nicht nur für Schmetterlinge.

Aber so ein Paradies braucht Pflege, sagt Karin Meißner. Der Rückschnitt auf Görauer Seite liege noch nicht so lange zurück wie der auf der Kulmbacher Seite: "Das wächst halt schnell wieder hoch." Und: "Es gibt noch genug Stellen mit guter Aussicht."

Dass an der Hangkante Pflegemaßnahmen nötig sind, steht für die Expertin außer Zweifel. Aber die Prioritäten, so sagt sie, lägen derzeit anderswo: auf der Pflege der Magerrasen, der Hecken und Gehölzstreifen. Für den Görauer Anger gibt es, so erläutert sie, einen Management-Plan.

Wanderschäfer unterwegs

Der Landkreis habe in den letzten Jahren viele Flächen gekauft oder gepachtet und lasse sie regelmäßig von einem Wanderschäfer beweiden. So werden die für den Jura so typischen Magerrasen offen gehalten, auf denen unter anderem Küchenschellen oder Karthäusernelken blühen.

Wichtig wird in Zukunft Karin Meißner zufolge auch die Besucherlenkung sein. Zeitweise ist viel Verkehr auf dem Görauer Anger, und nicht alle Spaziergänger bleiben auf den Wegen. Wenn jetzt, zum Frühlingsbeginn, auf dem Weg in der Senke noch der Schnee liegt - dann weicht man halt auf die Wiese aus. Wenn man mal runtergucken möchte ins Tal oder die beste Position fürs Erinnerungsfoto sucht - dann wagt man sich gerne mal bis an die Felskante vor. Dass sie damit womöglich ein sensibles Ökotop schädigen, ist vielen Menschen vielleicht gar nicht bewusst.

Was schließlich die Freilegung der Felsköpfe angeht, für die der Görauer Anger berühmt ist: Die sei durchaus immer wieder ein Thema, sagt der Kasendorfer Bürgermeister Bernd Steinhäuser, dessen Gemeinde das touristische Potenzial des Görauer Angers längst erkannt hat. Steinhäuser macht aber auch deutlich, dass es dazu der Zusammenarbeit aller Beteiligten bedarf: Eigentümer, Forst, Landratsamt und Gemeinde.

Und auch Karin Meißner bestätigt, dass dies von den Grundeigentümern alleine nicht zu leisten sei. Die Felsfreilegung sei extrem schwierig und gefährlich. Deshalb müssten solche Arbeiten immer von Experten erledigt werden.

Vielleicht ist es da doch leichter, einfach ein paar Schritte zu gehen bis zum nächsten "Fenster" im Gebüsch - mit einer Aussicht, wie sie Goethe beschrieb, "viele Stunden weit".

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar.