Vor fünf Jahren - am 4. Juli 2010 - fiel in Bayern die Entscheidung für das strengste Rauchverbot, das es in Deutschland gibt. Im Stadtsteinacher Land wird durchaus ein Zusammenhang mit dem Wirtshaussterben gesehen.
Diese Kneipe war Kult: Da wurde bei Bier und kleinen Brotzeiten gekartet, diskutiert und politisiert. Bei Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaften wurde der Gastraum zum illuster dekorierten Mini-Stadion. Und immer mit im Spiel: Aschenbecher und Zigaretten. Fünf Jahre gibt es das "Simons Gerdla" schon nicht mehr. Zwei Wochen nach dem Nichtraucher-Volksentscheid vom 4. Juli 2010 zogen Gerd Simon und seine Tochter Petra die Reißleine. "
Wir lassen uns nicht mehr rumschubsen", hatte die heute 46-Jährige damals resigniert geschimpft und geschlossen.
Mit dem Volksentscheid 2010 (61 Prozent stimmten damals dafür, die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal 37,7 Prozent) bekam der Freistaat Bayern das bundesweit strengste Rauchverbot für alle öffentlichen Gebäude und für die Gastronomie. Das Gesetz trat am 1. August in Kraft.
Langes Hin und Her Vorausgegangen waren zahlreiche Änderungen der gesetzlichen Vorschriften. Vor der Volksabstimmung gab es so genannte Raucherräume in Gaststätten, Raucherclubs und Nebenräume für Raucher. Eine Zeitlang durften Gaststätten mit einer Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern als Raucher-Gaststätte geführt werden, wenn dort in erster Linie Getränke angeboten wurden. Noch 2009 war eine Ausnahmeregelung für Bier-, Wein- und Festzelte geschaffen worden. Mit dem von der ÖDP initiierten Volksabstimmung vom 4. Juli 2010 war das alles Schall und Rauch...
"Anfangs gab es da schon Probleme", erinnert sich Erwin Burger, Leiter der Abteilung für öffentliche Sicherheit und Ordnung am Landratsamt. Es seien Kontrollen durchzuführen gewesen. Und manchmal habe es eben Beanstandungen gegeben. "Da mussten wir mit Geldbußen arbeiten." Was ihm damals angenehm aufgefallen ist: "In den Speisegaststätten hat das Rauchverbot von Anfang an sehr gut funktioniert."
Vom Windschutz bis zur Kabine Fünf Jahre später hat sich die Lage nach seinen Worten normalisiert. "Das hat sich eingependelt", sagt Burger und berichtet davon, dass sich mancher Gastwirt nicht mehr darauf beschränkt, für die rauchenden Gäste einen Standascher vor die Eingangstür zu stellen. Neben Raucherplätzen unter einem Pavillon oder mit Wind- und Regenschutz hat er sogar schon regelrechte Raucherkabinen vor Spielotheken gesehen, die im Winter beheizt sind. "Damit keiner beim Rauchen erfriert..."
Dass Glimmstängel selbst in Bierzelten nicht mehr erlaubt sind, hat viele Verfechter der bayerischen Wirtshauskultur besonders gestört. Mittlerweile ist aber auch das Normalität. Probleme gibt es allenfalls, wenn der Alkoholkonsum zu vorgerückter Stunde "maß-geblich" gestiegen ist. "Aber dann weist man halt ganz ruhig darauf hin, und der Fall ist erledigt", sagt Jürgen Spindler (27), Vorsitzender der Landjugend Zaubach. Er und seine Mitstreiter greifen für Großveranstaltungen - wie unlängst zum 50. Gründungsfest - gerne auf Bierzelte zurück. "Im Zelt gilt striktes Rauchverbot. Da gibt es keine Diskussionen mehr. Aber draußen stellen wir dann ein Pavillon mit Aschenbechern auf", erklärt Spindler, der früher selbst regelmäßig zum Glimmstängel griff. "Es ist einfach angenehmer, wenn nicht mehr geraucht wird."
Die zwei Seiten der Medaille Für Alexander Schütz vom Restaurant "Ursprung" im "Berghof" in Wartenfels hat das Rauchverbot zwei Seiten. "Die Wirtshäuser haben darunter ganz sicher gelitten", sagt der Gastronom und bringt das Phänomen des Wirtshaussterbens ins Spiel. "Ein Bier trinken, politisieren und rauchen - das war eine Männerdomäne, ein ganz großes Thema", sagt er und erinnert sich an seine Jugend, als er in der Gaststube seiner Eltern unter den Rauchschwaden durchtauchen musste.
Für die Speisegastronomie hingegen sieht Alexander Schütz nur Vorteile. Die Düfte und Aromen der Speisen werden nun nicht mehr vom Zigarettenqualm überlagert. "Sogar Raucher bestätigen mir, dass man das Essen ganz anders wahrnimmt."
Für den Wartenfelser Gastronomen ist bei aller Diskussion aber wichtig, dass Raucher nicht diskriminiert werden. "Natürlich wollen wir auch dem Raucher einen schönen Abend bereiten", sagt Schütz und verweist darauf, dass auch aus diesem Grund der Eingangsbereich des Lokals mit dem Raucherplatz überdacht und ansprechend dekoriert ist. "Da geht auch schon mal ein Nichtraucher mit einem Raucher vor die Tür, um in angenehmer Atmosphäre Luft zu schnappen."
Und was sagen Raucher zum 4. Juli 2010 und ihrer Verbannung aus Kneipen und Lokalen? "Da hat man sich doch daran gewöhnt", betont beispielsweise Doris Popp. Die Untersteinacherin hat im Freundes- und Bekanntenkreis viele Nichtraucher. Und wenn man dann zusammen in der Gastwirtschaft sitze, dann falle der Verzicht sogar leichter. Andererseits hat sie die Erfahrung gemacht, dass bei manchen Veranstaltungen wie Familienfesten irgendwann mehr Leute vor der Gastwirtschaft stehen als drinnen feiern. Was ihr allerdings aufgefallen ist: "In den zurückliegenden Jahren stehen immer weniger Raucher vor den Lokalen", sagt Doris Popp.
Gesprächige Raucher Dass man bei einer Zigarette draußen vor der Tür leichter mit anderen Rauchern ins Gespräch kommt, daran hat sich nach ihrer Ansicht nichts geändert - es sei denn der Gegenüber ist gerade wortlos in sein Smartphone vertieft. Und noch einen Nebeneffekt des Rauchverbots hat die Untersteinacherin bei sich selbst entdeckt: "Manchmal ertappe ich mich auch an anderen Orten bei der Frage, ob ich mit dem Rauchen wohl jemand stören könnte..."