Die Lockdown-Verlängerung bringt Wirte mehr und mehr in Existenznot. Sie hatten auf die Außenbewirtung gehofft, die nach wie vor untersagt ist.
Das Wetter hat gepasst, bei angenehmen Temperaturen war auch unter den Kastanienbäumen auf dem Mönchshof-Areal einiges los. "Dass die Biergärten wieder offen sind, ist befreiend, aber irgendwie doch schon komisch", sagte der Kulmbacher Norbert Hahn, der Corona-konform auch am Biertisch auf den Abstand geachtet hat - Hahn hatte einen Meterstab dabei.
Was kommt nach dem 9. Mai
Das war am 19. Mai vergangenen Jahres, als nach vielen Wochen Lockdown Gäste zumindest auf den Außenflächen wieder bewirtet werden konnten. Die Kulmbacher haben das genossen. Ob sie es aber auch im Frühjahr 2021 genießen dürfen? Das ist zumindest fraglich, nachdem die Bundesnotbremse gezogen werden soll und der Freistaat den Lockdown in Bayern bis in den Mai hinein verlängert hat. Was nach dem bayerischen Stichtag 9. Mai kommt, weiß heute noch keiner.
Die Unsicherheit bringt viele Kulmbacher Wirte und Hoteliers zur Verzweiflung. Diese hatten nach der monatelangen Durststrecke - Anfang November mussten sie schließen - all ihre Hoffnungen auf das Frühjahr und die Freisaison gesetzt. Sorgenvoll blickt beispielsweise Alfons Kraus, der Wirt der Gaststätte "Zum Paul" in Buchau, auf die kommenden Wochen und Monate. Seine Befürchtung: "Vor Anfang Juli wird auch in der Außengastronomie wohl leider nichts gehen." Sein Biergarten wird, das steht fest, zumindest in den kommenden Wochen menschenleer sein. Kraus, der allein vom To-go-Geschäft lebt ("Das geht aber auch nicht mehr so gut wie zur Zeit des ersten Lockdown"), spricht von einer finanziell sehr angespannten Lage ("Ich bin froh, dass uns unser Verpächter entgegenkommt") und erklärt: "Das zehrt schon alles gewaltig an den Nerven."
Vielen droht das Aus
Auch an den Nerven des Kulmbacher Hoteliers Stephan Ertl, der glaubt, dass viele Wirte ein weiteres Vierteljahr ohne Umsatz nicht überleben werden. "Dann gehen vermutlich bei der Hälfte der Betriebe die Lichter aus", prophezeit Ertl, bei dem es selbst auch langsam düster wird. Er hat einen Überbrückungskredit aufgenommen, um die Zeit ohne Einnahmen zu überwinden. "Ohne den Kredit wäre ich längst nicht mehr zahlungsfähig", sagt der Sprecher des Kulmbacher Hotel- und Gaststättenverbandes, in dessen Hotel am Stadtpark zurzeit allenfalls mal ein paar Handwerker übernachten.
Staatliche Hilfen reichen nicht
Die staatlichen Überbrückungsgelder und Investitionszuschüsse reichten vielen Betrieben in ihrer finanziellen Notlage bei weitem nicht aus, so Ertl. "Um nicht Schiffbruch zu erleiden, müssten wir endlich wieder Geld verdienen dürfen."
Die Außenbewirtschaftung wäre für die Gastronomie aus seiner Sicht ein erster, wichtiger Schritt. Stephan Ertl wünscht sich, dass ab Mitte Mai Gäste auf den Freiflächen bedient werden können. Die Politik sollte bei ihren Entscheidungen nicht mehr nur auf Virologen, sondern auch auf die führenden Aerosolforscher hören. Diese hatten jüngst in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, dass die Gefahr, sich im Freien mit Sars-CoV-2-Viren anzustecken, sehr gering ist. Eine Außenbewirtung unter Auflagen müsste nach dieser wissenschaftlichen Einschätzung doch möglich sein, so der Sprecher der Kulmbacher Gastronomen.
Biergarten-Fan hofft auch Lockerung
Dass er sein Bier unter den Kastanien im Mönchshof-Bräuhaus wie im Vorjahr auch im Mai diesen Jahres genießen kann, das wünscht sich Biergarten-Fan Norbert Hahn sehnlichst. Der 57-Jährige fordert die politischen Entscheidungsträger auf, die Zügel endlich etwas lockerer zu lassen. "Wir brauchen wieder ein Stück mehr Freiheit, ein Stück Lebensqualität. Ich vermisse die Gemütlichkeit und die sozialen Kontakte, die man im Biergarten knüpfen und pflegen kann", sagt der Kulmbacher, der sich mit seinen Stammtisch-Kollegen baldmöglichst wieder auf dem Mönchshof-Areal treffen will.
Dass dies unter Einhaltung der Corona-Vorgaben möglich ist, das habe sich 2020 gezeigt. Um die Abstandsregeln einzuhalten, braucht es laut Norbert Hahn da nicht mal einen Meterstab: "Dafür reicht schon der gesunde Menschenverstand."
Die Pächter sind startklar
Die Gastgeber des 57-Jährigen sind auf jeden Fall schon mal startklar. "Wir sind gerüstet und hoffen, dass wir bald loslegen dürfen", erklärt Anika Pettrich vom Mönchshof-Bräuhaus, die auch in den Tagen, in denen es zum Bundeslockdown kommt, die Hoffnung auf die Biergarten-Saison im Jahr 2021 noch nicht aufgegeben hat.
"Wir haben viel Platz"
Hunderte Quadratmeter Fläche stehen unter den großen Kastanienbäumen in der Blaich zur Verfügung. Abstandsregeln einzuhalten, ist da kein schwieriges Unterfangen. "Wir haben viel Platz und ein ausgeklügeltes Hygienekonzept", sagt Annika Pettrich. Aus Sicht der Bräuhaus-Pächterfamilie steht dem Start der Freisaison nichts im Weg.
Jetzt müssen halt nur noch das Virus und die Politik mitspielen
Hierzu auch ein Kommentar von Alexander Hartmann
Wirte brauchen Luft zum Atmen
Aufatmen war angesagt, als am 19. Mai 2020 auch im Kulmbacher Land die Biergarten-Saison eröffnet werden durfte: bei den Gastwirten wie auch bei deren Gästen, die nach vielen Wochen Lockdown wieder Hoffnung schöpfen durften. Hoffnung, die bei den Wirten ein Jahr später mehr und mehr schwindet. Die zweite staatlich verordnete Zwangsschließung, die seit November gilt, hat sie in Existenznot gebracht. Finanzielle Hilfen sind zwar geflossen - diese waren vielfach aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Ohne Umsatz stehen nicht wenige Betriebe vor dem Aus. Sie halten sich seit Monaten allein mit dem To-go-Geschäft über Wasser, das zunehmend schleppend verläuft, denn auch die Gäste haben die Speisen-Mitnahme allmählich wohl satt. Der Abholservice generiert Einnahmen - zum Überleben sind die auf Dauer aber zu gering.
Die Aussichten im Frühjahr 2021 sind trübe. Die Kneipen bleiben dicht, ein Starttermin für die Außenbewirtung, auf die alle seit Monaten gesetzt haben, ist nach wie vor nicht in Sicht. Bundeslockdown, bayerische Lockdown-Verlängerung: Der Staat sperrt eher zu denn auf, bietet der Gastronomie keine Perspektive. Ohne das Biergarten-Geschäft sehen viele schwarz. Wie die Einzelhändler, die auch ausgebremst werden, hoffen die Wirte auf Lockerungen. Sie erwarten von der Politik, die sie an die Kandare nimmt, gar nicht mehr viel. Sie fordern vorerst nur eines: Dass sie endlich Luft zum Atmen bekommen.
a.hartmann@infranken.de