Orhan Asal schildert Gefühlslage vor NSU-Prozess

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Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Kulmbach, Orhan Asal, verfolgt den anstehenden NSU-Prozess in München kritisch. Foto: Sebastian Martin
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Kulmbach, Orhan Asal, verfolgt den anstehenden NSU-Prozess in München kritisch. Foto: Sebastian Martin

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Kulmbach, Orhan Asal, schildert die Gefühlslage seiner Landsleute im Vorfeld des NSU-Prozesses. Dieser soll am Montag in München beginnen.

Orhan Asal ist seit sechs Jahren Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Kulmbach. Am 12. Mai stellt er sich wieder zur Wahl. Asal will erneut gewählt werden. Das wird er wohl auch - er hat bis jetzt keinen Gegenkandidaten. Im BR-Interview erzählt Asal, dass er sein Vertrauen in Deutschland trotz der Ermittlungspannen um die Rechtsterroristen des NSU nicht verloren hat. Dass zunächst die türkischen Medien vom Oberlandesgericht München nicht zugelassen wurden, ist allerdings auch bei ihm auf Unverständnis gestoßen.

Am Montag beginnt der von vielen erwartete NSU-Prozess. Ist das bei Ihnen in der Gemeinde ein Thema?
Orhan Asal: Auf jeden Fall ist das ein Riesenthema, weil es ja direkt uns betrifft, weil auch sehr viele Landsleute betroffen sind und waren. Das Oberlandesgericht hat die ganze Geschichte verkehrt angefangen.
Es geht nicht nur um uns Türken, denn die ganze Welt schaut zu. Jeder will sehen, was raus kommt. Und dass dann das OLG die türkischen Medien rausgehalten hat, war kein guter Start.

Ist es umso wichtiger, dass die türkischen Medienvertreter jetzt inzwischen zugelassen sind?
Auf jeden Fall war die Entscheidung gut.

Wie wird das in der Türkei wahrgenommen?
Auf jeden Fall positiv, denn am Anfang hat man gedacht, die wollen was vertuschen.

Wie war das bei Ihnen, waren Sie sauer auf das Gericht?
Sauer würde ich nicht sagen. Aber man muss das Ganze heute offener gestalten. Stellen Sie sich vor, das wäre in der Türkei passiert und die deutschen Medien wären nicht zugelassen. Man braucht die Öffentlichkeit. Transparenz ist jetzt noch wichtiger geworden.

Wie verfolgen Sie den Prozess - lesen Sie türkische Zeitungen?
Ich lese durchaus türkische Zeitungen. Aber auch deutsche Zeitungen und Nachrichtensender verfolge ich.

Es waren acht türkischstämmige Kleinunternehmer unter den Mordopfern des NSU. Sie sind auch Unternehmer, sind auch aus der Türkei und leben in Deutschland. Geht Ihnen der ganze Prozess dadurch näher?
Man macht sich schon seine Gedanken und es geht einem nah, ja. Aber dass ich Angst haben muss: nein. Wer Angst gehabt hat, waren vor allem die Dönerlädenbesitzer. Ich habe mit dem ein oder anderen gesprochen, die verfolgen die Sache schon und wollen genau wissen, was da alles geplant war.

Ist da auch Vertrauen zerrüttet?
Das auf jeden Fall.

Seit wann leben Sie jetzt in Deutschland?
Seit 1977.

Wie alt waren Sie, als Sie nach Deutschland gekommen sind?
Acht.

Fühlen Sie sich mehr als Deutscher oder als Türke?
Gute Frage... Also, ich lebe schon so lange in Kulmbach. Ich fühl' mich mehr als Kulmbacher.

Auf was ich hinaus will. Wenn man so was hört wie mit den ganzen Querelen um den NSU-Prozess, kommt man sich da nicht manchmal fremd vor in diesem Land?
Ja, man kommt immer mit den Gedanken in Berührung. Aber es ändert nichts: Ich persönlich fühle mich in Kulmbach sehr wohl. Meine ganze Familie ist da. Ich lebe lange genug hier, dass ich nicht mehr in die Türkei zurück möchte.

Zur EM 2008 haben Sie mal so schön gesagt. "Die Türken haben immer zwei Fähnchen am Auto: ein türkisches und ein deutsches." Fällt das schwer nach den ganzen Vorfällen, das deutsche Fähnchen wieder ans Auto zu machen. Oder macht das überhaupt nichts aus?
Überhaupt nichts würde ich nicht sagen, aber so was wird es immer mal wieder geben. Ich habe damals bei der EM (als Deutschland gegen die Türkei gespielt hat, Anm. d. Red.) zum OB gesagt, dass wir ja gar nicht verlieren, egal wer weiter kommt, ob Türkei oder Deutschland.

Wie viele Mitglieder haben Sie in der Türkischen Gemeinde?
Wir haben 160 Mitglieder, insgesamt sind 650 bis 700 Leute da.

Haben Sie da auch mal die Thematik angesprochen?
Ja, jeder sagt da seine Meinung. Es ist schon etwas Anspannung vorhanden. Ich persönlich versuche das etwas gelassener zu sehen. Man muss erst mal abwarten, was das Gericht entscheidet.

Drei der türkischen Mordopfer waren aus Nürnberg, gibt es persönliche Berührungspunkte mit Leuten dort?
Emotional nicht, aber unser Konsulat ist in Nürnberg. Wenn wir Besprechungen haben, dann haben wir das ein oder andere Mal mit den Vorsitzenden der anderen Türkischen Gemeinden darüber geredet.

Waren Sie mal wieder in Nürnberg?
Nein, bis jetzt noch nicht.

Sind Sie gespannt auf Montag?
Ich warte es ab. Die ganze Zeit werde ich nicht drauf schauen. Der Alltag geht weiter. Da habe ich auch andere Sachen zu tun.

Was erhoffen Sie sich?
Ich hoffe, dass die Gerechtigkeit rauskommt.

Und das deutsche Fähnchen bleibt am Auto?
Auf jeden Fall.