Aus der Labor-Hölle Italiens ins Paradies nach Burghaig: Für Beagle-Dame Alessia wurde - nach der Befreiung aus dem berüchtigten "Hunde-KZ"- dank Rita Lauterbach ein Wunder wahr.
Alessia konnte nichts: Sie war nicht stubenrein, hörte weder auf "Sitz" noch "Platz". Sie drehte sich plötzlich wie ein Derwisch im Kreis, oft minutenlang. Den Umgang mit Ihresgleichen hatte sie nie gelernt; Artgenossen sah sie stets nur durch Plexiglas. Einmal am Tag gab es Streufutter, danach kamen die Männer ohne Namen mit dem Wasserschlauch und spritzten die ein mal ein Meter "große" Box aus. Sonnenlicht? Hat sie nie gesehen. Gras unter den Pfoten? Hat sie nie gespürt. Zwei Mal wurde sie Mutter. Viel zu oft, viel zu früh für eine junge Hündin, die nicht einmal zwei Jahre alt war. Es war ihre Bestimmung, Nachwuchs zu gebären. Nachschub für die Forschung. So lebte die Beagle-Hündin die ersten zwei Jahre ihres Lebens. Dann plötzlich öffneten sich die Pforten der Hölle.
"Schockverliebt"
Die Hölle hieß "Green Hill", grüner Hügel. Welche Farce. Jetzt lebt Alessia wieder an einem grünen Hügel: am Bergsteig in Burghaig, ein Areal, das den Namen verdient. Großer Garten, ein Teich mit Koi-Karpfen - und dazu die treu sorgende Hand von Frauchen Rita Lauterbach, Beagle-Halterin seit 30 Jahren. Über das Internet wird die Kulmbacherin vor zehn Jahren auf Alessia aufmerksam, einer von mehr als 2400 geretteten Laborhunden aus der Einrichtung nahe Brescia (siehe Infobox unten).
"Damals war mein Rüde Snoopy gerade gestorben und ich wollte für meine Holly wieder eine Gefährtin haben." Auf der Homepage der Laborbeagle-Hilfe aus Melle in Niedersachsen stößt Rita Lauterbach auf das Fellknäuel - und ist "schockverliebt". Was es bedeutet, einen Hund aus einer Forschungsstation zu holen? "Ich wollte einer armen Seele ein Zuhause bieten. Ich dachte naiv, so schwierig kann es ja nicht sein." War es dann aber doch...
Das weiß auch Gisela Wertich, die vor rund 15 Jahren den Verein "Laborbeaglehilfe" gründete. "So ein Hund braucht vor allem Zeit. Es sind Tiere aus einer abgeschotteten Welt, die so viel lernen müssen. Für die Hunde ist es eine Riesenumstellung vom Labor in ein normales Zuhause."
Als das Überraschungs-Ei auf vier Pfoten aus Italien in Begleitung einer Helferin des Vereins eintrifft, beginnt das große Abtasten. Wie nimmt der Hund die für ihn völlig fremde Umgebung an? Welche Traumata hat er im Gepäck? Bis heute ist nicht ganz geklärt, was Alessia an Experimenten über sich ergehen lassen musste (körperlich spürbar war ein nicht behandelter Kreuzbandriss am Hinterlauf). Das Labor war berüchtigt als "Hunde-KZ" der Lombardei, dort wurden die Vierbeiner als Versuchskaninchen für die Pharma- und chemische Industrie gehalten. "Im Endeffekt wollte ich es gar nicht alles so genau wissen, was ihr widerfahren ist, das geht mir zu nah", sagt Rita Lauterbach.
Alessia ist ein so genannter Pocket-Beagle, einst in den USA gezielt gezüchtet und aufgrund seiner kompakten Form und Größe geeignet für die ultraenge Käfighaltung. Das und sein freundlich-ausgeglichenes Wesen sowie seine Verträglichkeit mit Artgenossen und die Zutraulichkeit zum Menschen werden ihm zum Verhängnis.
Es dauert vier Monate, bis Alessia in Burghaig buchstäblich angekommen ist. "Anfangs war sie extrem scheu und ängstlich. Zwischendurch war ich mehrfach knapp davor, sie wieder zurückzugeben", gibt Rita Lauterbach offen zu. Der Zugang zum neuen Spielgefährten ist schwer, die Kontaktaufnahme zu Alpha-Hündin Holly "mehr schlecht als recht möglich". Aber dann war es, als hätte man einen Schalter bei Alessia umgelegt, erinnert sich die Kulmbacherin. "Da hat es Klick gemacht. Seither ist sie ein Traum."