Nicht jeder Arzt jubelt über Astra-Freigabe

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Auch wenn Astrazeneca jetzt freigegeben wurde - die Diskussionen über den Impfstoff hören nicht auf.
Auch wenn Astrazeneca jetzt freigegeben wurde - die Diskussionen über den Impfstoff hören nicht auf.
Foto: Matthias Bein/dpa
Hausarzt Ralf Kneitz begrüßt die Astrazeneca-Entscheidung.
Hausarzt Ralf Kneitz begrüßt die Astrazeneca-Entscheidung.
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Die Neudrossenfelder Hausärztin Christine Thurn kritisiert den "bayerischen Weg".
Die Neudrossenfelder Hausärztin Christine Thurn kritisiert den "bayerischen Weg".
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In Bayern dürfen jetzt in Arztpraxen auch unter 60-Jährige mit Astrazeneca geimpft werden. Nicht alle Hausärzte begrüßen das.

Bayern hat den Impfstoff Astrazeneca in Arztpraxen für Erwachsene aller Altersgruppen freigegeben. "Die Priorisierung bei Astrazeneca ist ab sofort aufgehoben, der Impfstoff kann in den Arztpraxen auch Personen unter 60 Jahren angeboten werden", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Mittwochabend.

Die Empfehlung der Impfkommission

Es ist eine Entscheidung, die viele, aber beileibe nicht alle Hausärzte begrüßen. Während der Kulmbacher Allgemeinmediziner Ralf Kneitz dies beispielsweise mit Blick auf die Bekämpfung der Pandemie als sehr erfreulich bezeichnet, steht seine Neudrossenfelder Kollegin Christine Thurn dem bayerischen Weg kritisch gegenüber"Ich werde auch weiterhin kein Astra verimpfen", stellt Thurn fest und verweist darauf, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) empfohlen hat, dass Astrazeneca an Menschen über 60 verimpft werden soll und unter 60-Jährige, die eine erste Corona-Impfung mit Astra erhalten haben, bei der zweiten Impfung auf ein anderes Mittel umsteigen sollen. Die Weichenstellung hatte die Stiko vorgenommen, nachdem Geimpfte in seltenen Fällen nach einer Impfung eine gefährliche Hirnvenen-Thrombose erlitten hatten. "Und diese Empfehlung gilt nach wie vor, auch wenn der bayerische Gesundheitsminister jetzt eine neue Botschaft verkündet hat."

Die Haftungsfrage

Während die Haftungsfrage bei möglichen Impfschäden in den großen Impfzentren geklärt sei ("Dort haftet der Staat"), sei dies in den Praxen bis dato nicht der Fall. Und das Haftungsrisiko wolle sie nicht tragen, sagt Christine Thurn. Doch auch wenn die Rechtsfrage geklärt sein sollte - sie werden weiterhin auf Biontech setzen, weil sie von Astra nicht überzeugt und die Nachfrage nicht vorhanden sei.

"Patienten wollen nicht"

Dabei ist es politisch gewollt, dass der Vektorimpfstoff nicht mehr in den Impfzentren, sondern in den Praxen verimpft wird, weil die niedergelassenen Ärzte ihre Patienten gut kennen. Das besondere Vertrauensverhältnis solle genutzt werden, um jede Dosis Impfstoff möglichst rasch zu verimpfen, heißt es. "Doch auch die über 60-Jährigen, die in meine Praxis kommen, wollen meist kein Astra, sondern Biontech. Ich bräuchte da schon sehr viel Überredungskunst und Zeit, die ich aber nicht habe."

"Um auf der sicheren Seite zu sein"

Andere Erfahrungen hat der Kulmbacher Hausarzt Ralf Kneitz gemacht, der - anders als Christine Thurn - die Freigabe von Astrazeneca begrüßt. "Es ist das Ziel, möglichst viele Menschen schnell zu impfen. Und wir nehmen den Impfstoff, den wir haben", sagt Kneitz, für den sich die Haftungsfrage bei Astrazeneca nicht stellt: "Nach einem Aufklärungsgespräch lasse ich vom Patienten eine Einverständniserklärung unterschreiben, um auf der sicheren Seite zu sein." Kneitz berichtet, dass viele seiner Patienten gerne den Impfstoff von Astrazeneca nehmen würden.

Lange Warteliste

In seiner Praxis gibt es eine lange Warteliste. "Wer sich impfen lassen will, der kann bei uns anrufen. Wenn Impfstoff da ist, laden wir die Patienten zu einem Termin ein", sagt der Allgemeinmediziner, der davon überzeugt ist, dass in den nächsten Wochen mehr und mehr auch jüngere Patienten zum Zug kommen. Zwar werde bei der Terminvergabe weiterhin auch nach dem Alter und möglichen Vorerkrankungen geschaut, die priorisierten Gruppen, die sich meist zweigleisig in der Praxis und im Impfzentrum angemeldet hätten, bekämen aber oft zeitnah einen Impftermin im Spinnereigebäude. "Dadurch werden bei uns in der Praxis natürlich wieder Termine frei."

Was Kneitz freut: Die Zahl der Impfdosen, die den Praxen zur Verfügung gestellt werden, steigt. Für die kommenden Woche kann er mit 72 Dosen Biontech und 20 von Astra rechnen. In dieser Woche waren es gerade mal 18 Biontech-Dosen.

Kostspielige Impfzentren

Ob die Impfzentren bald ausgedient haben, wenn immer mehr Vakzine in den Hausarzt- und Facharztpraxen landen? Dass die kostspieligen staatlichen Einrichtungen (Ärzte erhalten dort beispielsweise für ihren Dienst wochentags 130 Euro pro Stunde sowie an Sonn-und Feiertagen einen Sonderzuschlag; Anmerkung der Redaktion) dann ihre Daseinsberechtigung verloren hätten, meint Christine Thurn. "Es wäre ohnehin sinnvoller und für den Steuerzahler günstiger, wenn die Impfungen komplett über die Arztpraxen abgewickelt würden. Und wenn wir genügend Impfstoff bekämen, wäre das auch möglich", sagt die Hausärztin, die anders als Ralf Kneitz aber auch dann auf eines verzichten würde: auf den Impfstoff von Astrazeneca.