Mutter unser im Himmel?

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Hat Gott ein Geschlecht? "Nein", sagt Pastoralreferentin Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser aus Kulmbach.
Hat Gott ein Geschlecht? "Nein", sagt Pastoralreferentin Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser aus Kulmbach.
Illustration: Micho Haller
Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser ist Pastoralreferentin in Kulmbach.
Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser ist Pastoralreferentin in Kulmbach.
Martin Kreklau

Vor allem unter jungen Katholiken ist eine Gender-Debatte entbrannt. Im Interview erklärt Pastoralreferentin Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser aus Kulmbach ihren Standpunkt dazu und welche Impulse sie sich von der Diskussion erhofft.

Die Katholische junge Gemeinde hat unlängst einen Vorstoß gestartet: Die jungen Gläubigen möchten einseitig männliche und patriarchale Gottesvorstellungen bekämpfen, die den Menschen den Zugang zum Glauben erschweren und sprechen daher jetzt von "Gott+". Die Pastoralreferentin Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser aus Kulmbach spricht im Interview mit der Bayerischen Rundschau darüber, welche Belege es für Gottesvorstellungen in der Bibel gibt, warum Gott kein Geschlecht braucht und ob es in Ordnung ist, ein "Mutter unser" zu beten.

Welches Geschlecht hat Gott?

Eva-Maria Steltenkamp-Hüsser: Männlich oder weiblich? Ich würde sagen nichts von beidem. In meinem Glauben ist Gott kein Mensch. Gott ist Mensch geworden in Jesus - in einem Mann, das ist klar. Aber Gott selbst ist übergeschlechtlich. Auch in der Bibel steht nichts davon, dass Gott ein Mann ist. Die Katholische junge Gemeinde sagt, sie möchte mit dem Bild aufräumen, dass Gott ein alter weißer Mann ist. In der Bibel findet sich allerdings kein Hinweis auf diesen alten weißen Mann.

Woher kommt diese Vorstellung?

Die Kunst hat diese Vorstellung natürlich mit beeinflusst. Doch in gewisser Hinsicht sind die Ursprünge auch in der Bibel zu finden, wenn es heißt, Gott sei wie ein guter Vater. Es gibt allerdings auch Stellen, in denen Gott beschrieben wird wie eine gute Mutter. Etwa in Jesaja 49, dort steht: "Wie könnte eine Mutter ihr Kind vergessen? Genau so wenig vergisst uns Gott." An anderen Stellen im Psalm steht "Gott ist wie eine Burg". Es gibt zahlreiche Wie-Vergleiche, aber nirgends steht "Gott ist ein Mann".

Dann spräche im Grunde nichts dagegen, ein "Mutter unser" zu beten?

Das ist eine gute Frage. Das Vaterunser hat Jesus selbst so formuliert, dementsprechend ist das für mich nicht veränderbar. Das Gebet ist entstanden in einer Zeit, in der das Patriarchat vorherrschte. Die Männer waren alles, die Frauen waren nichts. Wenn man sich an jemanden wendet, der groß ist und stark ist, von dem man sich Schutz erhofft, lässt sich auch aus der gesellschaftlichen Struktur von damals ableiten, dass das ein Mann sein muss. Wenn ich freie Gebete formuliere, dann bin ich da flexibler. Da spreche ich: Guter Gott, du bist wie ein Vater, wie eine Mutter für mich. Du bist wie ein Freund oder eine Freundin für mich. So würde ich das heute aus meiner Sprache formulieren.

Sind Sie da schon einen Schritt weiter als die katholische Kirche?

Ich würde das jetzt nicht als weiter bezeichnen. Es kommt ja vor allem auf die individuelle Gottesvorstellung an. So wie ich das spreche, ist das meine ganz persönliche Vorstellung davon. Das muss jeder selbst formulieren. Es wird niemand von Gott als einem gutem Vater sprechen, wenn ich einen Vater erlebt habe, der trinkt und prügelt. Da wird man kaum ein positives Bild damit verbinden.

Es ist also unwichtig, welches Geschlecht Gott hat?

Für mich? Ja. Ich finde es aber gut, dass diese Diskussion angestoßen wurde. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass viele Menschen der Meinung sind, dass Gott ein alter Mann mit Bart ist. Für mich ist das eine kindliche Gottesvorstellung. Wenn meine Grundschüler Gott malen sollen, dann könnte ich mir vorstellen, dass noch solche Bilder kommen. Aber ältere Kinder sollten das schon überwunden haben, weil sie ja auch andere Bibelstellen kennengelernt haben. Es gibt beispielsweise Kinder, die malen Gott als eine Kerze, weil Gott etwas ist, das hell macht. Das sollte das Ziel sein: dass Gott als Macht, als Gefühl, als Beistand wahrgenommen wird, nicht als Person. Da sind natürlich auch viele Bilder in den Kirchen irreführend, aber die stammen ja auch oft aus ganz anderen Zeiten.

Was halten Sie von dem Vorschlag, von "Gott+" zu sprechen?

Davon halte ich nicht so viel. Es gibt Bibeln, in denen alle vier Buchstaben von Gott groß geschrieben sind, um zu zeigen: das ist etwas ganz Besonderes, etwas ganz Anderes als alles, was wir fassen können. Für mich ist das Plus nicht notwendig.

Ziel der Umbenennung soll sein, den Menschen den Zugang zu Gott zu erleichtern.

Ich weiß nicht, ob man das durch ein Plus oder ein Sternchen schafft. Das schafft man vielleicht durch ein Gespräch oder eine Diskussion - aber nicht, indem man Texte umschreibt und ein Sternchen einfügt. Es ist gut, dass darüber diskutiert wird. Ich befürworte generell die Gender-Diskussion und die Sternchen und die Sprechpause, weil ich mir denke: Mir tut es nicht weh, aber jemand anderes fühlt sich dadurch vielleicht gehört. Aber im Hinblick auf Gott sollte man darüber wirklich diskutieren. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt.

In der katholischen Kirche herrschen nach wie vor patriarchale Strukturen vor. Inwiefern könnte die Diskussion helfen, diese aufzubrechen?

Da muss noch viel passieren und es ist auch noch ein weiter Weg zu gehen. Wenn die Diskussion über Gott+ weiteres Nachdenken und Umdenken beschleunigt, würde mich das freuen. Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde, dass Frauen geweiht werden. Unser Bischof hat jüngst in einem Interview gesagt, dass er sich das vorstellen kann, dass Frauen den Priestern gleichgestellt werden. Aber ich bin da skeptisch, weil unsere Mühlen doch recht langsam mahlen. Es hat Vor- und Nachteile, dass man so eine große, weltumspannende Gemeinschaft ist: An anderen Enden der Welt ist es vielleicht gar nicht so ein großes Thema wie bei uns.

Aber bei uns stellt sich doch schon die Frage, warum die vielen Katholikinnen noch nicht dieselben Rechte und Pflichte in der Kirche haben wie die Männer.

Weil wir eine lange Tradition haben, und weil die Bibel auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln lesbar ist. Es gibt zum Beispiel Stellen, die nicht darauf hindeuten, dass Jesus nur Männer berufen hat. Im Moment sind wir noch nicht so weit, wie wir vielleicht sein könnten. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Kirche da weiterentwickelt, dass sich die Kirche da der Gesellschaft öffnet. Das war ja das, was die Kirche von Beginn an ausgezeichnet hat: Wir haben offene Augen, offene Arme und offene Ohren für die, die nicht gehört werden. Und eigentlich müssten wir das jetzt auch machen. Denn wir verschenken Kompetenzen und vergeuden Potenziale - wir könnten so viel mehr.