Mitreißender Melodienreigen in der Kulmbacher Stadthalle

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Jetzt haben sie es schwarz auf weiß (von links): Laura (Angela Wandraschek) und Symon (Camillo dell' Antonio) sind ein Paar. Darüber freuen sich Jan (Hristofor Yonov) und die Gräfin Nowalska (Maida Karisik). Foto: Stephan Herbert Fuchs
Jetzt haben sie es schwarz auf weiß (von links): Laura (Angela Wandraschek) und Symon (Camillo dell' Antonio) sind ein Paar. Darüber freuen sich Jan (Hristofor Yonov) und die Gräfin Nowalska (Maida Karisik). Foto: Stephan Herbert Fuchs

Gediegen klassisch bis museal: Die Besucher in der Kulmbacher Dr.-Stammberger-Halle sahen eine gelungene Aufführung der Operette "Der Bettelstudent".

Zugegeben, so ganz taufrisch ist die Operette "Der Bettelstudent" wirklich nicht mehr. Die Handlung ist kaum mehr nachzuvollziehen, die zur Schau gestellte Operettenseligkeit passt so gar nicht mehr in die Gegenwart, Liebe und Intrige funktionieren heute irgendwie anders als bei der Uraufführung 1882.

Wenn es das Werk dennoch verdient hat, aufgeführt zu werden, dann hauptsächlich wegen der wundervollen und mitreißenden Musik des Wiener Komponisten Carl Millöcker.

Natürlich bietet ein Tourneetheater wie die "Johann-Strauß-Operette-Wien" keine bahnbrechende Neudeutung des Stückes. Die Inszenierung von Regisseur Peter Widholz und die Choreographie von Nera Nicol sind gediegen klassisch bis museal, die Kostüme aus dem Wiener Bundestheaterfundus ebenfalls - und das Bühnenbild von Norbert Art-Uro ist so, dass es vor allem möglichst schnell auf- und wieder abgebaut und zum nächsten Spielort transportiert werden kann.


Kompositionen haben Zauber


Auch musikalisch gilt es zunächst einmal einige Abstriche zu machen. Das Orchester ist auf kammerorchestrale Größe dezimiert. Unter der musikalischen Leitung der italienischen Dirigentin Petra Giacalone gelingt es den verbliebenen Musikern aber doch, den Zauber der Kompositionen von Carl Millöcker und vor allem dessen hervorragender Instrumentierung ganz gut rüberzubringen.

Dirigentin und Musiker haben die Partitur konsequent im Griff, dazu kommt ein winziger Chor, der präzise synchronisiert und dynamisch ganz gut ausbalanciert.

Nahezu Volksgut sind sie über Generationen geworden, Ollendorfs Strophenlied "Ach, ich hab' sie ja nur auf die Schulter geküsst", Paradestücke der klassischen Operettenära wie "Ich knüpfte manche zarte Bande" oder "Ich hab' kein Geld, bin vogelfrei" und schließlich die großen Duette wie "Ich setz' den Fall" und "Nur das eine bitt' ich dich".


Mit Situationskomik


Das Ensemble schafft es erstaunlich gut, diese mitreißenden Melodien auf die Bühne zu bringen. Allen voran findet Angela Wandraschek als kapriziöse Laura eine glänzende Vertreterin ihres Charakters. Mühelos kommt sie stimmlich über die Rampe und versteht, sich über die Situationskomik hinaus als Liebende darzustellen.
Auch Christine Holzwarth als ihre Schwester Bronislawa wirbelt stets verliebt in Jan über die Bühne und kommt nicht nur in dem Duett "Nur das eine bitt' ich dich" sängerisch bestens zur Geltung. Silberhell timbriert und mit ausladender müheloser Höhe wetteifern die beiden Sopranistinnen im Belkanto.

Stimmlich als auch darstellerisch absolut auf der Höhe agiert Camillo dell'Antonio in der Titelrolle des Bettelstudenten Symon. Dell'Antonio ist ein kultivierter jugendlicher Tenor mit baritonalen Anklängen, aber auch mit großem Volumen und Potenzial. Mit seinem etwas dunkel gefärbten Tenor versteht es der Bulgare Hristofor Yonov, sowohl seine Stimme als auch sein Spiel in den Dienst seiner Rolle als Student Jan zu stellen.


Dunkles Timbre


Mit dunklem Timbre kennzeichnet Maida Karisik als Gräfin Palmatica ihr Standesbewusstsein. Ein Oberst Ollendorf nach Maß wird von Giorgio Valenta köstlich auf die Bühne gestellt. Ob bestrafter Schulterkuss oder sein Couplet "Schwamm drüber", Karisik beherrscht die Szene.

Josef Pechhacker schwankt schließlich herzerfrischend als Gefängnisaufseher Enterich, offenbar ein sächselnder Verwandter des Frosch aus der "Fledermaus", über die Bühne.

Bestens besetzt sind auch die kleineren Rollen, nicht zu vergessen die vier Tänzer, die im ersten Akt Carl Millöckers Steckbrief-Polka und im zweiten Akt seinen Traum-Walzer gekonnt in Bewegung umsetzen.