Markus Veith als Eulenspiegels Enkel in Frankenwaldtheater Stadtsteinach

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"Eulenspiegels Enkel": Markus Veith will den Menschen einen Spiegel vorhalten, in dem sie sich selbst sehen und über sich lachen könnten. Fotos: Klaus Klaschka
"Eulenspiegels Enkel": Markus Veith will den Menschen einen Spiegel vorhalten, in dem sie sich selbst sehen und über sich lachen könnten. Fotos: Klaus Klaschka
Markus Veith alias Erasmus Odysseus im Frankenwaldtheater Stadtsteinach.
Markus Veith alias Erasmus Odysseus im Frankenwaldtheater Stadtsteinach.
 
Markus Veith alias Erasmus Odysseus im Frankenwaldtheater Stadtsteinach.
Markus Veith alias Erasmus Odysseus im Frankenwaldtheater Stadtsteinach.
 

Markus Veiths Solo-Programm "Eulenspiegels Enkel" stand in Stadtsteinach auf dem Spielplan. Das Frankenwaldtheater war ausverkauft. Und nachdem es Wolfgang Martin nicht übers Herz brachte, weitere Besucher abzuweisen, war der Saal im ehemaligen Schulhaus schließlich proppenvoll

Erasmus Odysseus alias Markus Veith ist ein Kind seiner Zeit. Trotz antiautoritärer und physisch gewaltfreier Erziehung erfuhr er psychische Gewalt, indem er - Bildung ist alles - zum Auswendiglernen von Dichtung genötigt wurde. Das hat pathologische Auswirkungen: Erasmus kann nur noch in Reimen reden und ist damit zum Außenseiter geworden. Er wird entweder nicht verstanden oder ausgelacht. Doch er macht das Beste daraus. Als "Eulenspiegels Enkel" hält er jenen seinen Spiegel vor, die über sich selbst lachen sollen und nicht über ihn, der nur den Spiegel vorhält.

Markus Veith zeigt in seinem Programm allerbestes komödiantisches Talent, das er handwerklich einwandfrei beherrschen, aber auch zügeln kann.
Hatten sich feudale Herrscher nicht schon immer einen Hofnarren gehalten, der ungestraft sagen und tun durfte, was er wollte? Ist nicht schon immer Kritik oder die reine Darstellung der Realität im Mantel des Witzes eine Möglichkeit, von inkonsequentem Handeln abzulenken, nachdem man darüber lachen konnte? "Die Realität ist eine Karikatur" sagt Erasmus.

Wie eine Patchwork-Decke breitet Markus Veith viele Episoden aus seinem imaginären Leben als zwanghaft reimender Erasmus aus, flickt eine Geschichte an die andere. Da ist die pubertäre erste Begegnung mit einem Mädchen, bei dem es Erasmus fast die Sprache verschlägt, wenn er den sich ihm aufdrängenden Reim auf "entzücken" unbedingt verhindern will. Und da ist eine andere Situation, in der er einer alten Dame am Fahrkartenautomaten helfen will, er aber wegen seiner ungewohnten Diktion keinesfalls verstanden wird und so seine Hilfe erfolglos bleibt.

Sein Missverstandenwerden macht Erasmus schließlich zum untauglichen Mitglied einer Gesellschaft, die dies und das zwar kommuniziert, aber am Ende doch nicht so umsetzt, wie es kommuniziert ist. So kommt es zum Beispiel zu einer makabren Situation, als Erasmus in einem Bestattungsinstitut angestellt ist. Groß und breit wurde diskutiert, dass es doch immer schwieriger werde, jedem Verblichenen einen Platz von zwei auf einen Meter zu gewähren, so dass Erasmus - konsequent - beschließt, den entsprechenden Platz für zwei Särge zu nutzen. Nicht waagrecht, sondern senkrecht nebeneinander.

Erasmus blick in die Zukunft und erkennt, dass Heideckers Onlogolgie (Erkenntnis-Philiosophie) aus analogen Zeiten nicht mehr gilt, denn: Wenn etwas ist, dann muss es auch bei "google" erscheinen. Und durch "Facebook und Co." sind ganz andere Kriterien der Wirklichkeit entstanden: Es geht in erster Linie und nur noch um quantitaive Zustimmung. Je mehr "likes" desto besser. So beschließt Erasmus, seine Vorstellungen, absurd oder real, wwweltweit zu verbreiten. Sie werden als amüsant empfunden, sie werden gemocht, Erasmus wird mit immer mehr "likes" überhäuft. Und grotesk wird die Geschichte, als Erasmus zum Präsidenten gewählt wird und seine erste Amtshandlung die Teilnahme in der wer-weiß-wievielten Kochshow ist. Geschockt davon verliert Erasmus seinen Reimzwang, wirft alles hin - und erkennt aber gleichzeitig, dass er damit auch einen bedeutenden Teil seiner bisherigen Identität verloren hat.

Es ist kein roter Faden auszumachen, der sich die zwei Stunden durch Markus Veiths Programm zieht. Er erzählt Episoden, flickt sie mit dem Faden "Reim" zu einem Patchwork zusammen. Er grübelt über die eine und die andere Situation, wie sie gerade kommt, nach. Wenn man Markus Veith zufällig vor dem Theater begegnete, konnte man ihn erleben, wie er einen festen Punkt vor sich auf dem Boden fixiert, nach einer Zigarette schnappt und laut darüber grübelt, weshalb manche Leute fast ihr Erbteil hergeben um für den BVB (Veith ist gebürtiger Dortmunder) brüllen zu können, aber keiner genauso inbrünstig gegen Rechts brüllt. Und man konnte Markus Veith nach der Vorstellung fast an der gleichen Stelle begegnen, wie er einen festen Punkt vor sich fixiert, grübelt - und schweigt.