Wie lautet Ihre Antwort?
Nichts von dem, was Höcke mit der Floskel gesagt haben wollte, stand im Kontext seiner Rede. Dort war weder vom Holocaust die Rede noch vom Vernichtungskrieg im Osten oder von anderen Untaten der Nazi-Herrschaft. Sondern nur von der angeblichen Schande, die den Deutschen dadurch zugefügt worden sei, dass die Alliierten sie ab 1945 ihren "Wurzeln" demokratisch entfremdet hätten. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnert aus Höckes Sicht nicht an die Schande des Völkermordes. Es ist für ihn vielmehr selbst die Schande.
Können seine Anhänger Höckes Sprachspiele überhaupt alle dechiffrieren?
Oh ja, so schwierig ist das ja nicht; man muss das Offensichtliche nur wahrnehmen wollen. Das gilt beispielsweise auch für den performativen Gestus des Führers, der sich in Redeweisen äußert wie: "Ich weise euch den Weg". Was meint Höcke damit? Immer wieder beansprucht Höcke in seinem rhetorischen Gestus, ein mit höherem Wissen ausgestatteter Einzelner zu sein. Ihm gegenüber sieht er die Masse seiner Anhänger, die von ihm Anweisungen zu empfangen hat. Das ist das Führerprinzip als Performanz, ohne dass es ausgesprochen werden müsste. In Höckes Auftreten liegt hier der Trick, nicht in einem einzelnen Wort.
Entfaltet ein Höcke-Text sein volles Potenzial demnach erst bei seiner Aufführung?
Nein. Wenn man seine Reden hört, bleiben sie hinter dem rhetorischen Gestus, den er in der Schriftform entfaltet, zurück. Höcke führt sich in seinen Texten auf wie ein neuer Führer und ist dann ein erstaunlich verklemmt wirkender Redner.
Ein anderes Höcke-Wort sind die "wohltemperierten Grausamkeiten". Welchen metaphorischen Hallraum öffnet er damit?
Dass ist ein Satz, der wie vieles bei Höcke aus dem Spracharsenal von Götz Kubitschek...
... dem neurechten Publizisten und Geschäftsführer des Antaios-Verlags ...
... kommt. Über die intellektuellen Abhängigkeiten Höckes von Kubitschek ist oft spekuliert worden. Gerade die "wohltemperierten Grausamkeiten" zeigen einen rhetorischen Gestus, den wir bei Kubitschek oft beobachten können.
Wie beschreiben Sie diesen Gestus?
Als Mischung zwischen augenzwinkerndem Zynismus und drastischer Drohung. Es wird etwas benannt, was ziemlich unmissverständlich ist, nämlich die Grausamkeiten. Der Begriff "wohltemperiert" stammt dagegen aus der deutschen Hochkultur, er erinnert an Bachs "wohltemperiertes Klavier". Er wird wie eine ironische Relativierung eingesetzt. Aber das drastisch provozierende Wort wird damit keineswegs zurückgenommen. Vielmehr ist das Ergebnis eine kalkulierten Doppelbödigkeit zwischen hochkulturellem Bildungsgestus und bedrohlich ausgestellter Aggressivität.
"Wir Patrioten werden diesen Wasserstrahl jetzt zudrehen"
Welchen Effekt hat diese Doppelbödigkeit?
Die Ironisierung verstärkt nur den Bedrohungsgestus, indem sie ihn abzumildern vorgibt. Immerhin geht es im unmittelbaren Kontext um die Abwendung eines vorgeblich drohenden "Volkstodes", da ist dann jedes Mittel recht. Für diese kalkulierten Ambivalenzen lassen sich bei Höcke wie bei Kubitschek zahllose Beispiele finden. Das ist im Übrigen ein sprachlicher Gestus, der sich in den völkischen und faschistischen Bewegungen der 1920ern ähnlich beobachten lässt. Den Redenfiguren und Metaphern der völkischen Rechten der 1920 und 1930er Jahre verdanken Kubitschek und Höcke sehr viel.
Ein Höcke-Satz, der einen schaudern lässt: Man werde "leider ein paar Volks-teile verlieren", die "zu schwach oder nicht willens sind".
Wenn es eine Rhetorik gibt, die dazu gemacht ist, unmittelbar in eine gewaltsame Tat überzugehen oder sie zu ermöglichen, dann ist es diese. Warum? Sie unterstellt erstens das Bild von einem "Volkskörper" und ist zweitens nicht mehr weit entfernt von der Unterscheidung zwischen lebenswerten und lebensunwerten Teilen dieses Körpers. Ich könnte für diese nur metaphorisch vermittelte Gewaltdrohung noch andere Beispiele nennen.
Bitte.
In einer anderen Rede hat Höcke davon gesprochen, dass die Kirchen, die er "Angstkirchen" nennt, die "Altparteien" und Gewerkschaften "unser liebes Vaterland auflösten wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl". Dann fügt er hinzu: "Wir Patrioten werden diesen Wasserstrahl jetzt zudrehen."
Die anderen sind die Verblendeten
Das Zudrehen eines Wasserstrahls klingt nicht besonders einschüchternd. Aber was genau ist mit dieser Metapher gemeint, was kann damit nur gemeint sein? Höcke spricht es nicht aus. Aber es kann sich nur um eine Reihe von Akten handeln, mit deren Hilfe den besagten gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit genommen wird, sich zum Nachteil des "lieben Vaterlands" zu äußern. Wenn das nicht die Beschreibung eines Systemwechsels ist, der die Meinungsfreiheit der Kirchen, Gewerkschaften und Parteien abschafft, dann weiß ich nicht, wie die metaphorisch sonst aussehen sollte.
Zu wem spricht Höcke: zu den bereits Überzeugten oder den noch zu Überzeugenden?
Ausdrücklich spricht Höcke in seinen programmatischen Reden zu einem Kreis von schon Dazugewonnenen. Das "Wir", das meinem Buch den Titel gegeben hat, ist in diesen Redesituationen nicht mehr das "deutsche Volk" allgemein. Sondern es ist das "Wir", das bereits zur Bewegung gehört. Die anderen sind die Verblendeten, die noch immer demokratisch verführt sind. Es ist das "Wir" einer Art Elite, die Höcke in der Vorstellung bestärkt, zu den Eingeweihten zu gehören, und die deshalb auch befähigt dazu zu sein soll, seine Weisungen überhaupt recht zu verstehen und in die Tat umzusetzen.
Gibt es einen weiteren Adressatenkreis?
Ja, und er wird deutlicher sichtbar, wenn man die Höcke-Rhetorik mit derjenigen seines Lehrmeisters Kubitschek zusammen sieht, der sich sehr viel akademischer, intellektueller und belesener gebärdet. Wer soll sich angesprochen fühlen? Gewonnen werden sollen intellektuell empfängliche und mit den bestehenden Verhältnissen Unzufriedene. Denen soll klargemacht werden: "Ihr gewinnt durch den Anschluss an unsere Gruppe und nicht zuletzt durch die Übernahme unserer rhetorischen Strategien einen Überlegenheitsgestus, mit dem ihr eure Zugehörigkeit zur Elite der Eingeweihten markieren könnt." Es geht immer um das triumphale und spöttische Durchschauen von etwas, was die anderen, die blöden Verblendeten nicht erkennen können.
"Ein von seinen eigenen Ressentiments und Größenfantasien überwältigter Redner"
Höcke wird dämonisiert. "Der Dämokrat" titelt der "Spiegel"...
...komplett daneben. Entsetzlich.
Schießt der "Spiegel" übers Ziel hinaus?
Ich halte gerade dieses Titelbild für denselben Fehler, der vor 1933 und dann wieder nach 1945 von - oft wohlmeinenden - bürgerlichen Kommentatoren mit Blick auf Adolf Hitler gemacht worden ist. Dessen Dämonisierung zu einer satanischen Gestalt macht aus dem monströsen Kleinbürger noch einmal einen Übermenschen, nur eben mit negativen Vorzeichen. Aber das Übermenschliche bleibt bestehen. Diesen Fehler sollte man bei Höcke und seinen Spießgesellen unbedingt vermeiden.
Wer oder was also ist Björn Höcke?
Ein mittelmäßig intelligenter, von seinen eigenen Ressentiments und Größenfantasien überwältigter Redner, der alles versucht, um sich selbst den Anstrich des Dämonischen und unergründlich Gefährlichen zu geben. Aber der Dämon ist so nackt wie Hans Christian Andersens Kaiser.
Das Gespräch führte Christoph Hägele.
mittelmäßig intelligent? Man man über seine Aussagen denken, was man mag, aber Herr Höcke ist mitnichten mittelmäßig intelligent:
Für Interessierte, hier mal ein Auszug aus Wikipedia zu "Oberstudienrat"
Oberstudienrat (OStR) ist eine Amtsbezeichnung im Schuldienst in Deutschland. Als Beamter gehört er dem höheren Dienst an und wird nach Besoldungsgruppe A 14 besoldet. Eine vergleichbare Amtsbezeichnung des öffentlichen Dienstes in der Verwaltung ist der Oberregierungsrat.
Der Oberstudienrat stellt im höheren Schuldienst (Gymnasien, Gesamtschulen und berufsbildende Schulen) das erste Beförderungsamt nach der Ernennung zum Studienrat dar. Während bis in die 1980er Jahre diese Beförderung meist als Regelbeförderung automatisch nach einer bestimmten Dienstzeit stattfand, ist sie heute in fast allen Bundesländern mit der Übernahme zusätzlicher Aufgaben in der Leitung oder Verwaltung der Schule verbunden. Welche Aufgaben das sind, hängt vom Dienstherrn oder vom Vorgesetzten ab, typische Beispiele sind Oberstufenberater, Fachobschaft oder Bildungsgangsleiter an einem Berufskolleg. Die Aufgaben eines Klassenlehrers definieren hingegen keine Funktionsstelle.
Im Vorfeld der Beförderung zum Oberstudienrat wird ein Bewerbungsverfahren durchgeführt, auf das sich interessierte Studienräte bewerben können. Der Vorgesetzte legt vorab Bewertungsmerkmale wie Unterrichtsbesuche, didaktische Ausarbeitungen oder eine mündliche Prüfung zum künftigen Amt fest, anhand derer die Eignung der Bewerber beurteilt werden soll. In einigen Bundesländern werden Oberstudienratsstellen als Funktionsstellen bezeichnet, andernorts wird auch vom mittleren Schulmanagement gesprochen. Funktionsstellen sind Stellen mit Leitungsfunktion, die der Oberstudienrat aber nicht in allen Bundesländern innehat.
Im Jahr 2014 waren etwa 20 Prozent der Beamten auf Lebenszeit im höheren Schuldienst Oberstudienräte.