Liefern Kulmbacher Stadtwerke echten Ökostrom?

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Auf Wasserkraft aus dem europäischen Ausland setzen die Kulmbacher Stadtwerke.Symbolbild: Archiv/cr
Auf Wasserkraft aus dem europäischen Ausland  setzen die Kulmbacher Stadtwerke.Symbolbild: Archiv/cr
Stadtwerke-Leiter Stephan Pröschold
Stadtwerke-Leiter Stephan Pröschold
 
Stadtwerke-Kritiker Jürgen Öhrlein
Stadtwerke-Kritiker Jürgen Öhrlein
 

Liefern die Kulmbacher Stadtwerke, die auf Wasserkraft aus dem europäischen Ausland setzen, nachhaltige Energie? Ja, sagt deren Leiter Stephan Pröschold. Nein, sagt der Grüne Jürgen Öhrlein, der von einem Etikettenschwindel spricht.

Liefern alle Ökostrom-Anbieter Ökostrom? Nein, sagt Jürgen Öhrlein aus Rothwind, der von einem Etikettenschwindel vieler Energielieferanten spricht und diesen auch den Kulmbacher Stadtwerken vorwirft.

Die haben, so teilen die Stadtwerke mit, ihre Haushaltskunden 2019 mit Strom aus norwegischer Wasserkraft versorgt, liefern 2020 Ökostrom aus europäischen Wasserkraftanlagen, unter anderem aus Frankreich. "Wir garantieren: Unser Strom ist zu 100 Prozent zertifizierter Ökostrom, erzeugt aus regenerativen Quellen", heißt es auf deren Homepage.

"Normaler Strommix"

Jürgen Öhrlein ist sich jedoch sicher, dass es sich um "den normalen Strommix" wie etwa den der Bayernwerke handelt. "Der Begriff ,Ökostrom' ist nicht geschützt. Das nutzen viele Anbieter aus", stellt der frühere Grünen-Kreisrat fest. Diese würden günstigen Kohle- und Atomstrom kaufen, einen Herkunftsnachweis für Ökostrom daran heften und diesen dann auch als Ökostrom verkaufen. Was ihn in seinem gegenüber den Kulmbacher Stadtwerken geäußerten Verdacht bestärkt: Zwischen Norwegen und Deutschland gebe es noch keine einzige Stromleitung, erklärt er.

Bilanzielle Bewertungen

Was die Kulmbacher Stadtwerke zu den Vorwürfen sagen? Unstrittig ist, so deren Leiter Stephan Pröschold, dass Strom, der in einer Erneuerbaren-Energien-Anlage produziert wird, selten die Steckdose des Kunden erreicht. Unterschiedliche Kraftwerke würden elektrische Energie einspeisen. "Im Netz lässt sich eine Zuordnung zu einzelnen Erzeugungsanlagen dann nicht mehr treffen. Hier sind bilanzielle Bewertungen erforderlich, die über das Herkunftsnachweisregister sichergestellt sind."

Etikettenschwindel?

Von einem Etikettenschwindel bei den Stadtwerken könne keine Rede sein. Ziel des Emissionsrechtehandels sei die Reduktion von Treibhausgasen, allen voran der Kohlenstoffdioxid-Emissionen, so Pröschold. Da nicht überall Wasserkraftwerke, PV- oder Windanlagen errichtet werden könnten, bestehe die Möglichkeit, Herkunftsnachweise zu verwenden, die im Herkunftsnachweisregister des Umweltbundesamts gelistet seien und dort auch entwertet werden könnten. Die Zertifikate fördern seinen Worten zufolge die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen, die nicht über das EEG gefördert werden.

In Deutschland werde der Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzlich über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert - und von den Stromkunden bezahlt. Daher gebe es deutsche Herkunftsnachweise nur im verhältnismäßig geringen Umfang. Pröschold: "Aus diesem Grunde stammen viele der Zertifikate für den deutschen Ökostrom aus dem europäischen Ausland" - wie es auch bei den Stadtwerken der Fall sei. "Fakt ist, dass wir 100 Prozent Ökostrom an Haushaltskunden verkaufen."

Öhrlein: "Verschiebebahnhof"

Dass der Strom aus Norwegen, wie von Jürgen Öhrlein erklärt, nicht nach Deutschland geliefert werden könne, ist laut Pröschold falsch. "Es gibt natürlich eine Vernetzung, da Norwegen mit Schweden, Schweden mit Dänemark und Dänemark mit Deutschland netzmäßig verbunden ist." 2020 werde zudem eine direkte Verbindung zwischen Norwegen und Deutschland mit 600 Kilometern Leitung in Betrieb genommen, so der Leiter der Stadtwerke.

Mit der neuen Leitung komme man dem Ökostromgedanken einen Schritt näher, sagt dazu Jürgen Öhrlein. Doch auch wenn es eine direkte Stromleitung zwischen Norwegen und Deutschland gäbe, bliebe es ein Verschiebebahnhof. Liefere Norwegen Strom aus Wasserkraft, müsse Norwegen, um den eigenen Bedarf zu decken, im Gegenzug den in Kohlekraft- oder Atomkraftwerken produzierten Strom aus anderen Ländern einkaufen.

Das Gütesiegel

Für den Verein Energie-Vision, der das anerkannte Ökostrom-Gütesiegel "ok-power" vergibt, sind nur die Anbieter echte Ökostrom-Lieferanten, die Förderimpulse für Erneuerbare Energien geben und so die Energiewende aktiv unterstützen - etwa durch den Bau von Neuanlagen, Investitionen in saubere Kraftwerke, Energieeffizienz, Speichertechnologie.

"Das ist der einzig richtige Weg", sagt Jürgen Öhrlein, der sich freut, dass Stephan Pröschold erklärt hat, dass sich die Stadtwerke künftig verstärkt in der lokalen regenerativen Stromerzeugung engagieren wollen. Pröschold verweist auf das von der Stadt Kulmbach in Kooperation mit Planern und der Energieagentur in Erstellung befindliche Flächennutzungskonzept für PV-Großflächenanlagen und Dachflächenanlagen, "das in eine Fortführung unseres Energienutzungsplanes münden wird". Man werde Investitionen prüfen.

"Aus der Region für die Region"

"Wir arbeiten auch an einem Konzept, das es uns ermöglicht, den Strom aus regenerativen Erzeugungsanlagen der Region, bei denen die EEG-Förderung ausläuft, in unser Strombezugsportfolio aufzunehmen und an unsere Kunden aus der Stadt und dem Landkreis Kulmbach zu verkaufen. Alles nach dem Motto: Aus der Region für die Region."

Schon jetzt werde in eigene Anlagen investiert, so in die Stromerzeugungsanlagen (Faulgas) auf der Kläranlage und das Wasserkraftwerk Eichenmühle. Pröschold: "Ferner unterwerfen wir uns permanent Zertifizierungsverfahren, die bestätigen, dass wir mit umweltschonenden und energieeffizienten Arbeitsabläufen und Produktionsprozessen arbeiten. "