Per Gesetz wurden die baulichen Standards für Alten- und Pflegeheime neu definiert. Das führt dazu, dass alle zehn Einrichtungen im Landkreis Kulmbach Sanierungsbedarf haben. In einigen Häusern bringt das große Probleme mit sich.
Dekan Jürgen Zinck, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Kulmbach, ist frustriert. "Im Jahr 2003 haben wir unser Alten- und Pflegeheim im Mainpark eingeweiht, und jetzt ist es schon ein Altbau." Wie kann das sein? Ein 2008 verabschiedetes Gesetz und die 2011 erlassene Ausführungsverordnung dazu sind die Ursache: Das bayerische Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, kurz PfleWoqG, legt neue Standards für die Pflegeheime fest, die von den Trägern der Heime umgesetzt werden müssen.
Neue Mindestgrößen für die Zimmer und viele bauliche Vorschriften machen den Verantwortlichen zu schaffen: "Wir wissen nicht, wie wir unsere Einrichtungen unter diesen Bedingungen wirtschaftlich betreiben können", sagt Zinck.
"Wir befürworten alles, was die Lebensqualität in unseren Heimen verbessert. Aber nachträglich in bestehenden Gebäuden Barrierefreiheit zu schaffen, ist sehr schwierig und aufwendig", sagt Diakonie-Geschäftsführer Karl-Heinz Kuch.
Die Position von Türdrückern und Lichtschaltern, schwellenlose Übergänge, Handläufe mit definierter Höhe, die 30 Zentimeter über die letzte Stufe hinausreichen, Fenster, die im Sitzen ungehinderten Ausblick nach draußen bieten und sich auch vom Rollstuhlfahrer öffnen lassen, Bewegungsflächen zum Drehen und Wenden - die Liste der Vorgaben ist lang. Es gibt zwar eine Übergangsfrist, aber die läuft zum 31. August 2016 aus. Viel Zeit bleibt nicht mehr.
Kein Heim erfüllt die Normen
Zehn Altenheime gibt es derzeit im Landkreis Kulmbach mit insgesamt 833 Wohn- und Pflegeplätzen. Und keines entspricht den neuen Vorschriften. "Je moderner das Haus, desto geringer die Mängel, "aber überall sind Veränderungen nötig", so Awo-Kreisgeschäftsführer Peter Konrad. Erschwerend kommt hinzu: Wo den Trägern die Häuser nicht gehören, müssen sie sich mit den Eigentümern hinsichtlich der notwendigen Änderungen einigen. Beim Bürgerhospital ist das die Bürgerhospitalstiftung, beim Mainpark sind das Evangelische Siedlungswerk und Privatleute Eigentümer.
Förderungen gibt es für die Erfüllung der neuen Standards übrigens nicht. BRK-Kreisgeschäftsführer Jürgen Dippold macht die finanziellen Auswirkungen am Beispiel des Heims in Marktleugast deutlich, das derzeit saniert wird: Wir investieren 3,5 Millionen Euro für 88 Bewohnerplätze, 39 000 Euro pro Heimplatz." Bezahlen müssen das die Bewohner über Erhöhungen der Heimkosten.
Und noch ein Problem bringen die neuen Heimstandards mit sich: Die Zahl der Pflegeplätze sinkt, denn etliche bisher als Doppelzimmer genutzte Räume sind nach neuer Norm zu klein, teilweise nur um einen halben Quadratmeter. Das bedeutet, sie können künftig nur noch als - teurere - Einzelzimmer angeboten werden. Zwar baut das BRK in Neudrossenfeld 60 neue Plätze, die Diakonie plant in Mainleus 60 weitere. Aber insgesamt werden die Plätze dadurch nicht mehr.
Dafür, dass die Vorgaben des PfleWoqG eingehalten werden, ist Uwe Oetter von der Heimaufsicht am Landratsamt zuständig. Gravierende Mängel müssen behoben werden, kleinere Abweichungen, die den Bewohnern keine Nachteile bringen, können toleriert werden, sagt er. Beispiel: Die Türstockhöhe beträgt nicht die neu geforderten 2,05 Meter.In allen Heimen haben bereits Begehungen stattgefunden, um festzustellen, was gemacht werden müsste und was tatsächlich machbar ist.
Fristverlängerung ist möglich
Befreiungen sind aufgrund von Denkmalschutzbestimmungen, wirtschaftlichen oder technischen Gründen möglich. Darüber hinaus sind auch Fristverlängerungen denkbar, wenn spätere Sanierungen geplant sind.
Wenig Verständnis für das Vorgehen des Gesetzgebers hat Albin Laukner. Der 87-Jährige ist Mitglied des Heimbeirats im Wohnstift und kommt als Rollstuhlfahrer bislang im Haus gut zurecht. "Ich sehe in den meisten Vorgaben keinen Sinn."
Rechtliche Grundlagen im Netz
Pflege- und Wohnqualitätsgesetz im
Wortlaut
Ausführungsverordnung zum
PfleWoqG
Din
18040-2 für barrierefreies Wohnen