Das Virus, das bei Omikron zigfach mutiert, hat im Vergleich zu alten Varianten viel an Gefährlichkeit verloren. Was die Gefahr einer Ansteckung betrifft, sehe ich, was den Impfstatus betrifft, keine Unterschiede mehr. Wir können uns alle, geimpft oder ungeimpft, mit dem Virus infizieren und ihn übertragen. Auch hinsichtlich der Stärke der Symptome spielt der Impfstatus aus meiner Sicht keine große Rolle. Die Grundimmunisierung ist allerdings nach wie vor sehr wichtig, um einen schweren Verlauf zu verhindern, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem solchen kommt, wesentlich geringer geworden ist als bei der Delta-Variante.
Vor einem Jahr war die Inzidenz einstellig, heute liegt sie im Landkreis um die 1300. Wie lässt sich das erklären?
Das Virus ist ansteckender. Zudem gibt es keine Beschränkungen mehr. Beides trägt sicherlich dazu bei.
Mit der Inzidenz steigen auch die Personalausfälle. Macht Ihnen das Sorgen?
Es ist natürlich meine Sorge, dass die Zahl der Krankheitsfälle steigt und der Betrieb heruntergefahren werden muss. Die Erfahrungen in der Pandemie haben gezeigt, dass das weitreichende Folgen bezüglich anderer Krankheiten haben kann. OPs wurden nicht durchgeführt, viele, die Beschwerden hatten, haben den Arztbesuch gemieden. Es gibt nicht wenige, bei denen deshalb eine Krankheit nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Es ist wichtig, dass die Versorgung der Patienten sowohl im ambulanten wie auch stationären Bereich nicht mehr unter der Pandemie leidet. Das hatte in den letzten beiden Jahren schwere negative Auswirkungen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt vor dem Horror-Herbst.
Ich finde es in Zeiten, in denen wir mit großen Sorgen leben - Ukraine-Krieg, Energie-Probleme, steigende Preise -, nicht richtig, die Bevölkerung weiter zu verunsichern. Ob es ein Horror-Herbst wird, kann keiner sagen. Vielleicht wird er gar nicht so schlimm. Es ist denkbar, dass die erwartete Herbstwelle aufgrund der Sommerwelle gar nicht so stark ansteigt. Trotzdem appelliere ich an alle, Vorsicht walten zu lassen und Covid-19 nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Lauterbach rät auch unter 60-Jährigen zur vierten Impfung. Ist das auch Ihr Rat?
Ich würde auf jeden Fall die Analyse der aktuellen Datenlage und die Empfehlung der Stiko-Kommission abwarten. Meiner Meinung nach besteht derzeit noch keine generelle Indikation für eine vierte Impfung aller Menschen unter 60, die keine Risikopatienten sind. Studien aus Israel zeigen, dass sich der Schutz vor einem schweren Verlauf, Hospitalisierung und Mortalität nach einer zweiten Auffrischung erhöht, allerdings lässt die positive Wirkung schon nach acht Wochen allmählich nach. Ich empfehle die vierte Impfung für alle Menschen über 70 und alle Hochrisikogruppen-Patienten, egal in welchem Alter. Ich bin im übrigen nach wie vor der Meinung, dass die Grundimmunisierung durch die Impfung der beste Weg ist, der uns aus der Pandemie herausführt.