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Insolvenz: Das war's für die Kulmbacher Metzgerei Weiß

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Auf 236 Jahre Tradition hat sich die Kulmbacher Metzgerei Weiß berufen können - seit dieser Woche ist endgültig Schluss: Thomas Weiß muss seine letzte Filiale in der Langgasse schließen. Foto: Stephan Tiroch
Auf 236 Jahre Tradition hat sich die Kulmbacher Metzgerei Weiß berufen können - seit dieser Woche ist endgültig Schluss: Thomas Weiß muss seine letzte Filiale in der Langgasse schließen. Foto: Stephan Tiroch
Thomas Weiß verabschiedet sich mit einem Zettel im Schaufenster der Filiale in der Langgasse von seiner Kundschaft. Foto: Miriam Hegner
Thomas Weiß verabschiedet sich mit einem Zettel im Schaufenster der Filiale in der Langgasse von seiner Kundschaft.  Foto: Miriam Hegner
 
Das Hochwasser vom Mai 2006 verwandelt das Betriebsgelände der Metzgerei Weiß in der E.-C.-Baumann-Straße in eine Seenlandschaft.
Das Hochwasser vom Mai 2006 verwandelt das Betriebsgelände der Metzgerei Weiß in der E.-C.-Baumann-Straße in eine Seenlandschaft.
 
Auch dem damaligen FDP-Generalsekretär und späteren bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil (links) - hier zusammen mit dem Kulmbacher FDP-Vorsitzenden Thomas Nagel - schildert Metzgermeister Thomas Weiß (rechts) 2008 seine Probleme. Alles vergeblich. Foto: Gabi Hänseler
Auch dem damaligen FDP-Generalsekretär und späteren bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil (links) - hier zusammen mit dem Kulmbacher FDP-Vorsitzenden Thomas Nagel - schildert Metzgermeister Thomas Weiß (rechts) 2008 seine Probleme. Alles vergeblich. Foto: Gabi Hänseler
 

Die letzte Filiale in der Langgasse ist jetzt auch geschlossen. Damit endet die Tradition des Fleischereifachbetriebs seit 1778. Wie ist es soweit gekommen?

Den 1. August 2001 hat Thomas Weiß nicht nur einmal verflucht: Seinerzeit übernimmt er die zahlungsunfähige Metzgerei Weiß KG von seinem Vater Dieter und führt den angesehenen Fleischereifachbetrieb mit zeitweise über 100 Beschäftigten fort. Für den Sohn beginnt ein Schlamassel ohne Ende.

"Die Firma ist mir seit der Übernahme 2001 so was von schöngeredet worden", erkennt er heute. Ein Problem jagt das andere. Trotzdem kämpft er wie Don Quijote gegen Windmühlen - und verliert. Letzter Akt in dieser Woche: Der 50-Jährige meldet für die Thomas Weiß UG (Unternehmergesellschaft) Insolvenz an - er muss auch seinen letzten Laden im Stammhaus in der Langgasse schließen. Ein handgeschriebenes Plakat im Schaufenster weist darauf hin, dass eine 236-jährige Tradition zu Ende gegangen ist.


"Beste Weißwurst Europas"

Dass Thomas Weiß und seine Mitarbeiter ihr Handwerk nicht verstanden hätten, kann ihnen keiner nachsagen. Die Weiß-Wurst ist ein Renner, und 2007 gewinnt der Kulmbacher Metzgermeister bei einem Feinschmeckerwettbewerb in Frankreich den Preis für "die beste Weißwurst Europas".

Doch schon damals kann er sich nicht ausschließlich mit den Rezepturen für seine Weißwurst, Leberwurst oder Göttinger beschäftigen. Er muss sich mit Banken, Rechtsanwälten, Gerichten herumschlagen. Begriffe wie Insolvenz, Versteigerung, Zivilkammer, Hausdurchsuchung oder Mietstreit gehören genauso zu seinem Vokabular wie Ochsenschwanz, Schweineschnitzel und Bratwurstteig. Die Situation ist derart verworren, dass er selbst sagt: "Da müsste ich ein Buch drüber schreiben. Das ist eine Geschichte, die glaubt in Kulmbach keiner."

Doch der Reihe nach. Der Start der Weiß GmbH im Jahr 2001 ist alles andere als einfach. Die Firma muss Altlasten der insolventen Weiß KG in Millionenhöhe übernehmen. Und Thomas Weiß fühlt sich getäuscht von Bank, Architekt und Insolvenzverwalter: "In verschiedenen Gutachten und Konzepten sind nachweislich massive Rechenfehler drin", sagt er.


Problem Hochwasser

2006 kommen weitere Schwierigkeiten dazu: Das Hochwasser am 27. /28. Mai setzt die Metzgerei in der E.-C.-Baumann-Straße 24 unter Wasser. Dort hat Dieter Weiß 1991 ein neues Produktionsgebäude errichtet - im Überschwemmungsgebiet. Eine Auflage von der Stadt, hochwasserfrei zu bauen, gibt es nicht. Den Prozess gegen die Stadt verliert Thomas Weiß 2009 in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Bamberg: Er bleibt auf dem beträchtlichen Schaden von 64.000 Euro sitzen.

Nebenbei führt er einen Prozess gegen den Vermieter des Gebäudes in der Langgasse 17. Der Käufer des Weiß-Stammhauses, ein Investor vom Ammersee, solle 156.000 Euro zu viel gezahlter Miete zurückerstatten. Das Landgericht Bayreuth weist die Klage ab. Der Verkauf des Gebäudes im Jahr 1997 - ein vergeblicher Versuch, um die Weiß KG zu retten - erweist sich als Bumerang für die Weiß GmbH, die in immer stärkere finanzielle Turbulenzen gerät. Im März 2012 stellt die Kulmbacher Bank Insolvenzantrag. Thomas Weiß gründet auf Rat seines damaligen Anwalts eine Unternehmergesellschaft. Über die UG läuft in mehreren Filialen der Verkauf, produziert wird in einer anderen Metzgerei.

Zwischenzeitlich ist der Weiß-Anwalt und -Berater, der auch als UG-Geschäftsführer fungiert, verhaftet worden und sitzt wegen Anlagebetrügereien und Veruntreuung von Anlegergeldern in Untersuchungshaft.


"Schwere Beratungsfehler"

Rechtsanwalt Werner Brandl hat vor einigen Monaten den Fall übernommen und seinem Mandanten geraten, Insolvenz anzumelden: "Er kommt aus dem Schlamassel sonst nicht mehr heraus. Er hat versucht, die Weiß KG am Leben zu erhalten und sich darin immer weiter verstrickt." Dabei erhebt Brandl Vorwürfe gegen seinen Kollegen: "Es liegen schwere Beratungsfehler des früheren Anwalts vor. Er hat Thomas Weiß noch tiefer in den Sumpf reingezogen." Der Ex-Anwalt hat nach Brandls Ansicht außerdem zu Unrecht erhebliche Gelder aus der UG herausgezogen - Thomas Weiß geht von zirka 50.000 Euro aus - und an sich selbst überwiesen. Nicht umsonst habe Insolvenzverwalter Robert Wartenberg den inhaftierten Juristen verklagt.

Die "dubiosen Machenschaften" (Brandl) des Ex-Anwalts haben dem 50-jährigen Metzgermeister zudem eine Anklage wegen Insolvenzverschleppung bei der Weiß GmbH eingebracht. "Das Strafverfahren ist nicht abgeschlossen. Wir suchen das Gespräch mit Staatsanwalt und Gericht", betont Brandl.


Chronologie der Ereignisse

1997 Der traditionsreiche Kulmbacher Fleischereifachbetrieb Weiß, gegründet 1778, gerät infolge der BSE-Krise in finanzielle Turbulenzen. Firmenchef Dieter Weiß versucht, durch den Verkauf des Stammhauses in der Langgasse die Weiß KG zu retten.

2001 Der Rettungsversuch misslingt: Dieter Weiß, langjähriger Stadtrat (WGK) und Aufsichtsratsvorsitzender der Kulmbacher Bank, stellt Insolvenzantrag. Danach übernimmt sein Sohn Thomas Weiß das Unternehmen.

2006 Das große Hochwasser im Mai setzt das Produktionsgebäude in der E.-C.-Baumann-Straße 24 unter Wasser. Der Schaden ist beträchtlich.

2008 Thomas Weiß klagt gegen die Stadt, die für den Firmenneubau in der E.-C.-Baumann-Straße die Genehmigung erteilt habe, obwohl das Grundstück im Überschwemmungsgebiet liegt. Er gewinnt vor dem Landgericht Bayreuth, aber das Oberlandesgericht Bamberg gibt der Stadt Recht, die nicht verpflichtet sei, das Weiß-Grundstück vor Überschwemmung zu sichern.

2012 Die Metzgerei Weiß gerät erneut in finanzielle Schieflage. Im März stellt die Kulmbacher Bank Insolvenzantrag. Im Frühjahr durchsucht die Staatsanwaltschaft die Firmenräume und die Kanzlei des Thurnauer Weiß-Anwalts. Inzwischen hat der Insolvenzverwalter die Produktion in der E.-C.-Baumann-Straße eingestellt, die meisten Weiß-Filialen sind geschlossen und über 30 Leute entlassen worden. Thomas Weiß betreibt mit einer neuen Firma, einer Unternehmergesellschaft (UG) die Filialen in der Langgasse und in Thurnau weiter.

2012 Thomas Weiß klagt im Juli gegen die Kulmbacher Bank. Er will Schadenersatz in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Das Geldinstitut habe ihn durch sittenwidrige Kreditgeschäfte geschädigt.

2014 Mit dem Insolvenzantrag für die Thomas Weiß UG in dieser Woche sind auch in der Langgasse die Lichter ausgegangen. Die Kulmbacher Traditionsmetzgerei ist Geschichte. Im Nachgang zu den Ereignissen im Jahr 2012 ist gegen Thomas Weiß noch ein Verfahren in Hof wegen Insolvenzverschleppung anhängig.