Heute ist Tag der Verkehrssicherheit. Höchste Zeit, sich mit einem zu unterhalten, der in über 50 Jahren nie einen Unfall gebaut hat: Was junge Fahrer vom Wirsberger Gerhard Schröppel lernen können.
Ausgerechnet jetzt. Gerhard Schröppel ärgert sich schon etwas - über die Tatsache, dass es passiert ist nach 53 Jahren. Das Objekt seiner Erregung ist hinten rechts an seinem Renault nicht zu übersehen. Ein Kratzer über mehrere Zentimeter verunstaltet die hintere Beifahrerseite. Dabei kann er gar nichts dafür - den Kratzer im Lack hat ihm einer mutwillig mit einem Schlüssel verpasst. Denn Gerhard Schröppel selbst würde niemals nur eine Delle auf seinen vierrädrigen Freund kommen lassen.
Sein Vater war 68 Jahre unfallfrei Es muss in den Genen liegen, dass der Wirsberger (Kreis Kulmbach) seit über 50 Jahren unfallfrei geblieben ist. Dabei fährt der 71-Jährige nicht mal langsam oder wenig. Doch, betont er noch mal, er habe nicht einen "Streifschuss" ins Auto gefahren.
Für über 50 Jahre unfallfreies Fahren wurde er auch schon mit dem goldenen Lorbeerblatt von der Verkehrswacht ausgezeichnet - er ist damit nicht der erste in seiner Familie. Bereits sein Vater Hans wurde geehrt. Er fuhr noch bis er 88 Jahre alt war - 68 Jahre ohne Unfall. Es müssen die Gene sein.
Das würde Gerhard Schröppel abstreiten. Er fährt einfach gern Auto. Als er 1960 seinen Führerschein gemacht hat, hat ihn sein Fahrlehrer nach Mainleus fahren lassen. Am Berg sollte er anfahren. Kein Stück setzte der Wagen zurück. Er sollte es noch einmal versuchen. Wieder kein Zentimeter. Ein Naturtalent? Wahrscheinlich.
Als er zur Bundeswehr kam, setzte er sich in den Panzer und fuhr durch die Schikanen, als ob es eine Fahrt mit dem Fahrrad über eine vierspurige Autobahn gewesen wäre. "Du fährst wie ein Siech", hat ihm sein Schirrmeister damals gesagt.
Dann ging es mit der Familie nach Italien, nach Holland oder Dänemark - immer ist er gefahren - immer ohne einen Kratzer. Dabei betont er, dass für ihn ein Auto keine heilige Kuh sei. Da gehört Werkzeug rein, ein Rasenmäher - es ist ein Transportmittel. Das Werkzeug hat Schröppel früher öfter im Einsatz gehabt. Im Urlaub in Österreich ist das Radlager kaputtgegangen. Was macht Gerhard Schröppel? Er baut kurzerhand ein neues Teil ein. Irgendwo in der österreichischen Prärie.
Wenn man verstehen will, warum Schröppel bisher keinen Unfall gebaut hat, kommt man auf zwei Spuren. Die erste ist: Er ist ein Technikbegeisterter. "Ich bin ein Perfektionist", sagt er selbst über sich. Alles muss stimmen. Als er dann nach seiner Lehre zum Installateur noch Feinwerktechniker wurde, war sein Traumberuf gefunden.
Er versteht dadurch die Funktionsweise seines Autos auch viel besser, denn das habe er auch seinen Enkelsöhnen immer gesagt: "Du beherrschst am Anfang das Fahrzeug nicht, das Auto beherrscht dich."
Er denkt für alle mit Die zweite Spur, auf der man dem Phänomen Gerhard Schröppel ein Stück näher kommen kann, ist die: Der Mann denkt im Straßenverkehr für alle anderen mit. "Wenn mir eine Kolonne entgegengefahren kommt, dann denke ich schon von Weitem, wie ich reagieren kann, wenn da einer überholt." Das hat sich das ein oder andere mal schon ausgezahlt. Das muss aber auch anstrengend sein. Ist es aber nicht, sagt Schröppel. Nur, wenn die Geschwindigkeit zu hoch wird, dann könne es mitunter schlauchen.
Der unfallfreie Schröppel plädiert aber keinesfalls für Tempo 120 auf Autobahnen - 150 dürften es schon sein.
Erst ab da würde es aus seiner Erfahrung heraus gefährlich, wenn dann einer meint, 170 fahren zu müssen, sollten es "empfindliche Strafen" geben.
Den Menschen Schröppel, der auch mit über 70 noch sportlich aktiv ist, erfolgreicher Handballer und Schütze war, der mit 50 das Sportabzeichen gemacht hat, zeichnet sich dadurch aus, dass er alles perfekt machen muss. So auch das Fahren. "Ich habe den Ehrgeiz, weiter zu fahren, bis ich auch 68 Jahre geschafft habe" - wie sein Vater. Wobei er meint: "Wenn es nicht mehr geht, dann traue ich mir zu, meinen Führerschein abzugeben."
Doch ist er sich nicht sicher, ob das klappt: Schließlich ist es eines seiner größten Hobbys, jeden Donnerstag mit dem Auto nach Schwabthal bei Bad Staffelstein zu fahren, um auch dort seinen Ehrgeiz auf der Tanzfläche zu beweisen.