Gaskrise: "Kulmbacher werden wohl nicht frieren"

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Das Gas wird knapp, die Preise steigen.
Das Gas wird knapp,  die Preise steigen.
Leonid/Adobe Stock

Die Preise werden steigen, Privathaushalte werden aber sicherlich auch im kommenden Winter versorgt, sagt Stephan Pröschold, der Chef der Kulmbach Stadtwerke, im Interview. Wird die Lieferung eingeschränkt, wäre zunächst vor allem die Wirtschaft betroffen.

Erdgas wird mehr und mehr knapp. Welche Folgen die Gaskrise für die Kulmbacher haben könnte? Eine Frage, die Stadtwerke-Chef Stephan Pröschold im Interview beantwortet.

Die Bundesregierung hat die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Eine Folge: Die Preise am Gas-Markt explodieren. Viele sind verunsichert. Haben Sie schon Anrufe besorgter Kunden erhalten, die befürchten, ihre Rechnung bald nicht mehr bezahlen zu können?

Stephan Pröschold: Natürlich bekomme ich in meinem beruflichen und privaten Umfeld in dieser sehr schwierigen Situation besorgte Anfragen von Bürgern und Unternehmen, wie es mit den Preisen und der Versorgungssicherheit weitergehen wird. Ein Hinweis, dass die Rechnungen wegen der Preiserhöhung zum 1. Juni nicht mehr bezahlt werden können, war bisher nicht dabei. Ich denke, dass liegt zum einen an der im Vergleich moderaten Erhöhung beim Gas und der de facto Preissenkung beim Strom, wenn man die Absenkung der EEG-Umlage berücksichtigt. Unter Berücksichtigung des Energiegeldes ergibt das für Kulmbach ein gutes Ergebnis.

Was passiert, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können?

Als kommunaler Versorger versuchen wir Sperrungen zu vermeiden und suchen mit den Kunden nach Lösungen, um Rückstände zurückzuführen. Oft geht es um Notsituationen, und unsere Unterstützung hilft, um eine Krise zu überstehen. Wenn keinerlei Bemühen des Kunden zum Bezahlen seiner Rechnungen festzustellen ist und alle Kommunikationsversuche scheitern, müssen aber auch wir die Versorgung einstellen, um den Schaden zu begrenzen.

Müssen weniger betuchte Kulmbacher in einigen Monaten frieren?

Ich vermute, dass Sie bei dieser Frage auf die Folge einer möglichen Einstellung oder weiterer Reduzierung der Gaslieferungen aus Russland anspielen. Dies wird zwar befürchtet, ist aber noch nicht sicher. Ich gehe davon aus, dass selbst in einem solchen Fall die Kulmbacher Privathaushalte nicht frieren müssen. Diese gehören zu der Gruppe der vor Abschaltung oder Liefereinschränkungen geschützten Kunden. Zudem nähern sich die Gasspeicher einem Füllstand von 60 Prozent, und es gibt neben Russland auch noch andere, zum Teil neue Gaslieferanten. Für die Privathaushalte wird also voraussichtlich genügend Gas da sein. Eine absolut sichere Antwort kann man aus heutigem Kenntnisstand aber hierzu nicht geben.

Die Versorgungslage ist angespannt, aber angesichts des im Sommer niedrigen Gasverbrauches - noch - nicht akut gefährdet. Viele erwarten, dass das Befüllen der Erdgasspeicher bis zum angepeilten Stand von 90 Prozent im Herbst beim derzeitigen Niveau russischer Lieferungen nicht zu erreichen ist. Wie groß sind Ihre Befürchtungen, dass auch noch Stufe 3 des Notfallplans ausgerufen wird, bei der der Staat die Gasversorgung mit regulieren würde?

Sollten die russischen Gaslieferungen weiter gegebenenfalls bis auf Null reduziert werden, gehe ich davon aus, dass die Notfallstufe ausgerufen wird. Nicht wenige vermuten, dass die weitere Reduzierung der russischen Gasflüsse im Zusammenhang mit der turnusmäßigen Revision der Nordstream 1, die am 11. Juli beginnt und normalerweise etwa zwei Wochen dauert, erfolgt. Gesichert ist dies aber nicht, und wir hoffen natürlich, dass dies nicht erfolgt.

Würde das Gas limitiert, wären zu allererst nicht Privatleute, sondern Firmen betroffen, womit wohl schwere wirtschaftliche Folgen einhergingen. Stehen die Stadtwerke angesichts der prekären Lage mit den Firmen in Kontakt? Wer würde im Notfall entscheiden, wer wie viel Gas bekommt?

Wir stehen mit den Unternehmen seit mehreren Monaten im schriftlichen und persönlichen Kontakt. Es wurden Abfragen durchgeführt, um für den Notfall zu wissen, in welchem Umfang die Unternehmen auf Gas verzichten könnten, ohne massive wirtschaftliche Schäden zu erleiden. Wenn die Notfallstufe ausgerufen würde, erfolgt die Gasverteilung durch die Bundesnetzagentur. Hierbei wird auch berücksichtigt, inwieweit die Unternehmen wegen der Art der Produktion bei einer Reduzierung der Gaslieferungen einen besonderen Schutz genießen sollen. Hierzu gehören z.B. wichtige Unternehmen der Lebensmittelindustrie und Hersteller von Produkten für das Gesundheitswesen. Genaue Vorgaben liegen aber derzeit noch nicht vor.

Die Stadtwerke haben ihre Gaspreise zum 1. Juni schon moderat um 1,67 Cent brutto pro Kilowattstunde angehoben. Sollte Putin den Gashahn zudrehen, drohen die Kosten zu explodieren. Wohin könnte sich der Preis für die Kunden des städtischen Eigenunternehmens entwickeln?

Im Fall der Aktivierung der Preisanpassungsklausel in der derzeit ausgerufenen Alarmstufe (Stufe 2 des Notfallplans Gas) dürfen die Versorgungsunternehmen Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung vertraglich vereinbarter, aber nicht gelieferter Gasmengen an ihre Kunden weitergeben. Auch wenn die russischen Gaslieferungen nicht weiter reduziert oder gänzlich eingestellt werden, wird es wegen der enorm gestiegenen Beschaffungskosten am Markt Preisanhebungen geben müssen. Wir haben zwar in den Vorjahren bereits einen großen Teil unserer benötigten Mengen für 2023 zu günstigen Konditionen eingekauft. Der Kauf der noch offenen Restmengen wird den Durchschnittspreis aber dennoch so erhöhen, dass Preiserhöhungen unvermeidlich sind. Soweit wir aber die bereits gekauften Mengen zu den vereinbarten Preisen auch erhalten und keine Preisfestsetzung durch staatliche Stellen im Falle der Ausrufung der Notfallstufe erfolgt, wird es in Kulmbach beim Preis zu Erhöhungen, aber nicht zu explosionsartigen Erhöhungen kommen. Eine genaue Zahl kann ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Mit dem Gaspreis steigt der Strompreis. Welche Entwicklung erwarten Sie hier?

Die Gasknappheit wirkt sich auch hier preissteigernd aus. Hauptgrund ist, dass Strom auch durch gasbetriebene Kraftwerke erzeugt wird. Diese sollten eigentlich als Brückentechnologie genutzt werden, um den Ausstieg aus der Atomenergie und den Kohlekraftwerken in Bezug auf Grundlast und Menge abzusichern. Durch die Einschränkungen bei den Gaslieferungen und gleichzeitiger Durchführung der Abschaltbeschlüsse ergäbe sich auch in Bezug auf den benötigten Strom eine angespannte Situation. Wie bekannt, wird über die Lösung dieses Problems derzeit diskutiert.

Die Bürger werden aufgerufen, den Gas-Verbrauch zu reduzieren. Welche Ratschläge geben Sie Ihren Kunden?

In der jetzigen Situation geht es hier vorrangig um kurzfristig umsetzbare Maßnahmen. Wie schon angesprochen und auch von unserem Bundeswirtschaftsminister Habeck empfohlen, bringt eine Reduzierung der Raumtemperatur auf z.B. 20 Grad Celsius viel. Vielleicht müssen nicht alle Räume gleichmäßig hoch beheizt werden. Wichtig ist auch, dass die Heizungen gut gewartet und richtig eingestellt sind sowie der hydraulische Abgleich gemacht ist. Weitere Tipps erhalten Sie auf unserer Website Auch die Kulmbacher Installationsunternehmen stehen gerne für Fragen zur Verfügung.