Blaulicht und Martinshorn: Von der BRK-Rettungswache am Krankenhausberg starten die Sanitäter zu ihren Einsatzfahrten. Foto: Stephan Tiroch
Abfahrt von der BRK-Rettungswache am Krankenhausberg. Foto: Stephan Tiroch
Im Rettungswagen: Rudolf Seidel an seinem Arbeitsplatz. Foto: Stephan Tiroch
Rudolf Seidel (links) und Christoph Sokol ...
... richten beim Einsatz in der Max-Hundt-Schule die Trage her, ...
... und kümmern sich um die Schülerin. Fotos: Stephan Tiroch
Rudolf Seidel (links) und Detlef Knopf ...
... auf dem Weg zum Einsatz im Altenheim in der Brenkstraße. Fotos: Stephan Tiroch
Christoph Sokol ist als Notarztfahrer im Einsatz. Foto: Stephan Tiroch
Ankunft in der Notaufnahme am Kulmbacher Klinikum, wo gerade Hochbetrieb herrscht. Foto: Stephan Tiroch
BRK-Rettungsdienstleiter Michael Martin (links) und der Beauftragte für Medizinprodukte, Jochen Fischer, kümmern sich darum, dass die Ausrüstung im Rettungswagen passt. Foto: Stephan Tiroch
Reinhard Eber von der Kulmbacher Polizei betont: Aufofahrer müssen jederzeit in der Lage sein, Verkehrsgeräusche wahrzunehmen. Foto: Archiv
Wenn die Retter Gas geben: Seitdem ein Notarzt einen saftigen Strafbefehl bekommen hat, wird über die Sonderrechte von Einsatzfahrzeugen diskutiert. Wie kommen Einsatzfahrzeuge auf Kulmbachs Straßen zurecht?
Einsatz für Rudolf Seidel und Detlef Knopf: In der Max-Hundt-Schule ist ein Mädchen zusammengebrochen. Diagnose Atemnot. Hört sich kritisch an. Genaueres wissen die zwei erfahrenen Rettungsassistenten nicht. Jeder Einsatz ist eine Fahrt ins Ungewisse, aber es muss schnell gehen
Abfahrt von der BRK-Rettungswache am Krankenhausberg: Seidel steuert an jenem Vormittag den Sanka mit 70 bis 80 Sachen durch Kulmbachs Straßen. Dabei beobachtet er den Verkehr ganz genau. "Man muss auch für die anderen mitdenken", sagt er.
Golf huscht über die Kreuzung
Das fünf Tonnen schwere Gefährt legt sich mächtig in die Kurve, als Seidel vom Schwedensteg in die Kronacher Straße abbiegt. Martinshorn und Blaulicht bedeuten, dass ein Fahrzeug mit Sonderrechten unterwegs ist. Dennoch rast der Mann, der seit 21 Jahren im Rettungsdienst fährt, nicht einfach über die rote Ampel. Rechtzeitig bemerkt er, dass ein Golf von links - aus der Sutte - noch schnell bei Grün über die Kreuzung huscht. "Damit muss man immer rechnen", so der 52-Jährige. Für ihn keine große Sache.
Doch oft gibt's richtig Probleme bei Einsatzfahrten. "Nicht selten, dass man sich ärgern muss, weil keine Rettungsgasse gebildet wird", betont BRK-Rettungsdienstleiter Michael Martin. "Ich hab' schon einiges mitgemacht."
Am schlimmsten in der Stadt
Er spricht davon, dass Autofahrer plötzlich vor dem Rettungswagen rausziehen, um zu überholen, oder voll in die Eisen gehen und abrupt stoppen. "Wir haben keinen Pkw, sondern einen Fünftonner, den man nicht in Sekundenschnelle abbremsen kann. Da wird's oft brenzlig", sagt Martin und erklärt: "Das ist Stress für die Fahrer. Am schlimmsten ist es in der Stadt. Doch es passiert glücklicherweise so gut wie nichts."
Solchen Ärger wie ein Notarzt in Neuburg an der Donau haben sie in Kulmbach aber noch nicht gehabt. Der Mann, auf dem Weg zu einem Kind, das zu ersticken drohte, ist wegen seiner angeblich riskanten Fahrweise von einem Autofahrer angezeigt worden. Aufgrund dessen wird ein Strafbefehl über 4500 Euro und sechs Monate Führerscheinentzug verhängt - vom Staatsanwalt nach massenhaften Protesten allerdings wieder aufgehoben.
Nicht aus Jux und Tollerei
Der Fall hat eine Grundsatzdiskussion über die Sonderrechte von Rettungskräften im Straßenverkehr ausgelöst - auch im Kulmbacher BRK. "Schlimm, wie weit wir in Deutschland gekommen sind. Wenn der Strafbefehl geblieben wäre, hätte es für uns immense Auswirkungen gehabt", meint Martin. Er und Seidel sind sich einig: "Wir fahren ja nicht aus Spaß an der Freude mit Blaulicht und Martinshorn. Das sind Notfälle, zwei oder drei Minuten können extrem wichtig sein." Deshalb ist es entscheidend, dass sich die Autofahrer richtig verhalten.
Auf dem Weg zur Max-Hundt-Schule bleibt Seidel am Tempo dran und murmelt bei der Stadtbücherei: "Bleib bloß drin." Er hat einen Lkw im Blick, der rückwärts auf die Straße stoßen will. Der Laster bleibt drin, doch Seidel nimmt sicherheitshalber die rechte Spur.
Der Rettungswagen kommt gut durch. Auf der Schauer-Kreuzung weicht der alte Hase auf die linke Seite aus. Rechts stehen zu viele Autos an der roten Ampel. Das Manöver geht gut, die anderen Autofahrer spielen mit.
Lebensgefahr besteht nicht
Gerade mal fünf Minuten braucht das Fahrzeug bis zum Schulhof. Im Minutenabstand kommt auch der Notarzt. Das Team kümmert sich um die Schülerin. Jeder Handgriff sitzt. Lebensgefahr besteht nicht. Sie wird dennoch ins Krankenhaus gebracht - natürlich, ohne Sonderrechte zu nutzen.
Auch eine zweite Blaulichtfahrt zum Altenheim in der Brenkstraße verläuft problemlos. Ein, zwei Kleinigkeiten, aber nicht der Rede wert. Seidel: "Die Kulmbacher Autofahrer sind sehr diszipliniert gewesen."
Eine Einschätzung, die der Rettungsassistent ein paar Stunden und Einsätze später korrigiert. Er fragt sich, was manche Leute in der Fahrschule lernen.
"Sie werden geschult, dass sie freie Bahn schaffen und je nach Situation reagieren müssen", versichert Fahrlehrer Jürgen Schautzgy. "Das kann man zwar nicht üben, aber über die Sonderrechte wird ausführlich gesprochen."
Laute Musik unzulässig
Auch die Ausrede, man habe das Martinshorn nicht gehört, zählt nicht. Reinhard Eber von der Kulmbacher Polizei weist auf die Straßenverkehrsordnung hin: "Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass Sicht und Gehör nicht beeinträchtigt sind." Laute Musik oder gar Kopfhörer seien unzulässig. "Man muss in der Lage sein, Verkehrsgeräusche wahrzunehmen."
Alles klar, aber was hat Seidel zum Abschluss seines Arbeitstags so geärgert? "Wir hatten den klassischen Fall. Auf der B 289 bei Seidenhof haben drei Autofahrer gehalten. Doch der vierte hat gemeint, dass er überholen muss. Da musste ich g'scheit bremsen."