Die linke Katholikin aus Kulmbach

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Marietta Schmidt ist seit Jahrzehnten in Gewerkschaft, Kirche und Politik engagiert. Dafür wurde die Kämpferin mit dem Preis der katholischen Betriebsseelsorge Bamberg "Arbeiterin für Gerechtigkeit" ausgezeichnet. Foto: Sebastian Martin
Marietta Schmidt ist seit Jahrzehnten in Gewerkschaft, Kirche und Politik engagiert. Dafür wurde die Kämpferin mit dem Preis der katholischen Betriebsseelsorge Bamberg "Arbeiterin für Gerechtigkeit" ausgezeichnet. Foto: Sebastian Martin
Bei der Verleihung des Preises in Bamberg (von links): Betriebsseelsorger Eckhard Schneider aus Kulmbach, Betriebsseelsorger Manfred Böhm, Erzbischof Ludwig Schick, Preisträgerin Marietta Schmidt und deren Ehemann Ulrich Schmidt. Fotos: Pressestelle des Ordinariats/ Andreas Kirchhof
Bei der Verleihung des Preises in Bamberg (von links): Betriebsseelsorger Eckhard Schneider aus Kulmbach, Betriebsseelsorger Manfred Böhm, Erzbischof Ludwig Schick, Preisträgerin Marietta Schmidt und deren Ehemann Ulrich Schmidt. Fotos: Pressestelle des Ordinariats/ Andreas Kirchhof
 
Bei der Preisübergabe mit Erzbischof Schick.
Bei der Preisübergabe mit Erzbischof Schick.
 

Sie ist gläubige Christin, tut sich aber mit der Kirche schwer. Marietta Schmidt kämpft für Gerechtigkeit. Dafür wurde sie jetzt vom Erzbistum geehrt - und sieh an: Sie freut sich.

Kleine grün-blaue Puzzleteile - die Form der Ohrringe, die Marietta Schmidt trägt, sagt eigentlich schon alles. Ein Blick und es wird klar: Nicht immer fällt es leicht, eine Kämpferin zu sein. Die Ohrringe zeigen, was die 68-Jährige im Laufe ihres Lebens gelernt hat - oder lernen hat müssen: Geduldig sein, ein Stück ans andere setzen.
Am Ende erst ergibt sich das ganze Puzzle-Bild. "Man muss es den Leuten immer wieder sagen", meint Marietta Schmidt. Sagen, dass der Sonntag ein Ruhetag bleiben muss, dass Neo nazis zu bekämpfen sind, dass wir uns alle um mehr Gerechtigkeit bemühen sollten.

Marietta Schmidt tut das. Sie engagiert sich in der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), ist Mitglied in der Gewerkschaft GEW und seit Jahrzehnten in der SPD aktiv. Kein Wunder, dass sie als SPDlerin im schwarzen Kulmbach zu kämpfen hat, mögen manche denken. Doch das ist Marietta Schmidt egal.
So ist sie eben und sie kämpft in erster Linie ohnehin dafür, dass Menschen sich überhaupt mehr einmischen in den politischen Prozess.

"Es gibt nichts Schlimmeres als unpolitische Menschen", sagt die gebürtige Oberbayerin. Da ist ihr jeder noch so konservative CSUler lieber, der zwar nicht ihrer politischen Überzeugung entspricht, aber der dennoch eines tut: sich engagieren. Das sagt eine Frau, die "sich selbst links überholt hat" (Schmidt über Schmidt), als sie von München nach Kulmbach kam. Dass Marietta Schmidt am Dienstag aus den Händen von Erzbischof Ludwig Schick in Bamberg den Preis der katholischen Betriebsseelsorge "Arbeiterin für Gerechtigkeit" verliehen bekommen hat, ist auch nicht selbstverständlich. Denn sie ist zwar gläubige Katholikin, gibt aber auch zu: "Ich leide schon an der Kirche." Die Kirche sollte sich ihrer Meinung nach mehr für die sozialen Belange einsetzen. Bis jetzt mache sie das viel zu wenig.

Schon als Kind zu kämpfen gehabt

Die pensionierte Berufsschullehrerin ist eine linke Katholikin. Das klingt irgendwie so, als ob es das gar nicht gibt. Katholisch und links. Doch, das gibt es. Marietta Schmidt ist der beste Beweis. Woher ihr soziales Engagement kommt? "Vielleicht davon, weil ich schon als Kind zu kämpfen hatte." Sie wuchs bis zu ihrem elften Lebensjahr bei ihrer Oma in Wasserburg am Inn auf (was man noch hört). Dort musste sie sich ständig zur Wehr setzen, weil sie nun mal ein uneheliches Kind war. Man kann sich denken: Vor 60 Jahren war das nicht einfach.

Nach ihrer Zeit in Wasserburg kam Marietta Schmidt nach München, wo sie später eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester absolvierte. Parallel zum Beruf besuchte sie das Abendgymnasium und studierte höheres Lehramt an beruflichen Schulen an der TU München. Parallel dazu zog sie ihre beiden Kinder zusammen mit ihrem Mann Ulrich groß. Nach dem Referendariat kam sie schließlich nach Oberfranken.

Marietta Schmidt war als Lehrerin zuständig für die Friseurausbildung in Kronach, bereits dort hat sie durchgesetzt, dass die Gesellenprüfung, die bis dahin immer sonntags stattfand, auf Montag verlegt wird.Trotz aller Widerstände: Eine Verlegung sei nicht möglich, hatte man ihr zunächst gesagt, nur am Sonntag gebe es schließlich genug Kopfmodelle für die Prüfung. Doch Marietta Schmidt ließ sich nicht abbringen. Sie aktivierte alle Bekannten und Verwandten inklusive Pfarrer, sich an einem Montag zur Verfügung zu stellen. Und siehe da: Noch heute finden die Friseurprüfungen am Montag statt.

Zuletzt hat sie fünf Jahre an der Berufsschule in Kulmbach unterrichtet. Seit langem wohnt sie nun mit ihrem Mann in der Bierstadt. Die Pensionärin engagiert sich immer noch für den Erhalt des Sonntags als Ruhetag mit der "Sonntagsallianz". Sie hat unter anderem auch erfolgreich dafür gekämpft, dass am Landratsamt Kulmbach eine Gleichstellungsstelle für Frauen dauerhaft eingerichtet wird.

Wer sich für Gerechtigkeit einsetze, müsse tapfer kämpfen. Marietta Schmidt verfüge über die Tapferkeit zu kämpfen, lobte Erzbischof Ludwig Schick bei der Preisübergabe am Dienstag. Das Kämpfen lohne sich auf jeden Fall, sagt die so Gelobte. Wenn sich bei den Leuten was tue, dann sei das ein "sauguats G'fühl". Am Ende hat noch jedes Puzzleteil gepasst. Deshalb hat sich Marietta Schmidt über den Preis gefreut. Auch wenn sie nach wie vor an der Institution Kirche zu leiden hat.