Christian Vitzthum ist dem "Druck" der Nacht gewachsen

2 Min
Behutsam fühlt Christian Vitzthum die Qualität des mit 55 Kilometern pro Stunde vorbeirauschenden Papiers. Foto: Daniel Ruppert
Behutsam fühlt Christian Vitzthum die Qualität des mit 55 Kilometern pro Stunde vorbeirauschenden Papiers. Foto: Daniel Ruppert
Ohne Licht könnte es in der Nachtschicht gruselig werden. Foto: Daniel Ruppert
Ohne Licht könnte es in der Nachtschicht gruselig werden. Foto: Daniel Ruppert
 
An Computern verfolgt Vitzthum den aktuellen Auftrag. Foto: Daniel Ruppert
An Computern verfolgt Vitzthum den aktuellen Auftrag. Foto: Daniel Ruppert
 
Auch die Druckfarbe muss regelmäßig kontrolliert werden. Foto: Daniel Ruppert
Auch die Druckfarbe muss regelmäßig kontrolliert werden. Foto: Daniel Ruppert
 
Wann ein Rollenwechsel fällig ist, verrät Vitzthum das System. Foto: Daniel Ruppert
Wann ein Rollenwechsel fällig ist, verrät Vitzthum das System. Foto: Daniel Ruppert
 
Da einzelne Seiten eines Auftrags voneinander abweichen, liegt der aktuell zu druckende Prospekt jeweils aus. Foto: Daniel Ruppert
Da einzelne Seiten eines Auftrags voneinander abweichen, liegt der aktuell zu druckende Prospekt jeweils aus. Foto: Daniel Ruppert
 
Nicht alle Druckerzuegnisse werden sofort abgeholt. Daher lagern in der Halle etliche Produkte aus vorherigen Aufträgen, Foto: Daniel Ruppert
Nicht alle Druckerzuegnisse werden sofort abgeholt. Daher lagern in der Halle etliche Produkte aus vorherigen Aufträgen, Foto: Daniel Ruppert
 
Auf dem Fließband durchlaufen die Prospekte sämtliche Stationen. Foto: Daniel Ruppert
Auf dem Fließband durchlaufen die Prospekte sämtliche Stationen. Foto: Daniel Ruppert
 
Die verschweißten Pakete warten auf die Abholung durch LKW. Foto: Daniel Ruppert
Die verschweißten Pakete warten auf die Abholung durch LKW. Foto: Daniel Ruppert
 
Tunnelblick: Diese Prospekte sind fast am Ende ihrer Reise. Foto: Daniel Ruppert
Tunnelblick: Diese Prospekte sind fast am Ende ihrer Reise. Foto: Daniel Ruppert
 
Ein Greifroboter stapelt die fertigen Prospekte. Foto: Daniel Ruppert
Ein Greifroboter stapelt die fertigen Prospekte. Foto: Daniel Ruppert
 
Um die Produktion nicht zu unterbrechen, führt eine Leiter über das Fließband. Foto: Daniel Ruppert
Um die Produktion nicht zu unterbrechen, führt eine Leiter über das Fließband. Foto: Daniel Ruppert
 

Wenn das Wochenende vor der Tür steht, heißt es für Christian Vitzthum Nachtschicht statt Fastnacht in Franken. Mit Ohropax und Sport bewältigt der Rollendrucker seine Alltagsprobleme.

Ein lautes Piepsen schreckt Christian Vitzthum auf. Es ist nicht der Wecker auf dem Nachttisch, sondern ein Alarm, der eine Störung im Arbeitsablauf meldet. Denn, obwohl es mitten in der Nacht ist, ist Vitzthum längst wach. Der 37-Jährige hat Nachtschicht bei Baumann-Druck in Kulmbach. Im 24-Stunden-Betrieb werden hier unter anderem die Prospekte für Lebensmittel-Discounter gedruckt. Die Art des Piepsens verrät Vitzthum und seinen drei Schichtkollegen, wo der Fehler aufgetreten ist: Ein Greifroboter kam mit dem Verladen der Prospekt-Pakete auf Euro-Paletten nicht hinterher.



Drei Millionen Prospekte für Österreich
Jetzt kommen Menschen wie Christian Vitzthum zum Einsatz, der deshalb seit 17 Jahren unregelmäßig isst, zur Arbeit geht und einschläft. Heute steht ein Auftrag aus Österreich auf dem Plan.
Etwa drei Millionen Informationsblättchen für eine Einzelhandelskette sollen später die große Halle in der E.-C.-Baumann-Straße 5 verlassen. Als Maschinenführer ist der Mainleuser von der knapp zwei Tonnen schweren Papierrolle bis zum Verschweißen der Pakete für die Ware verantwortlich.

Dass es Nacht ist, merkt Vitzthum nur bei einer Zigarettenpause. Innen herrscht absolutes Rauchverbot. Sein Arbeitsplatz ist hell beleuchtet. Gegen den Lärm der bis zu zehn Meter hohen und 25 Meter langen Druckmaschine trägt er Ohrenstöpsel. "Die kann ich nach einer Nachtschicht gleich drin lassen", erklärt Vitzthum, "denn wenn ich heimkomme, stehen meine Frau und Kinder gerade auf, die Nachbarn starten den Motor des Autos, um zur Arbeit zu fahren".

Manchmal hilft ein Spaziergang mit dem Hund, um abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Dennoch schläft der gebürtige Kulmbacher unterschiedlich gut ein - und wacht nach sehr verschieden langer Zeit wieder auf, teilweise schlecht gelaunt. "Manchmal sind es nur vier Stunden. Aber irgendwann zerbröselt es mich und ich schlafe elf Stunden am Stück", sagt er.


Vitzthum meistert den Rollenwechsel
Auch die Druckmaschine arbeitet ununterbrochen. Alle 20 Minuten ist fliegender Rollenwechsel. Mit Hilfe von Vorrichtungen im Boden wälzt Vitzthum die Ungetüme Richtung Maschine. Der Schutzkarton muss runter, ohne das Papier zu beschädigen. "Ein Loch merken die Sensoren sofort. Dann tut es einen lauten Schlag und die Rolle muss ersetzt werden", erzählt der zweifache Familienvater. Einen sogenannten Bahnriss entlarven die Kameras im Schnitt einmal pro Tag beziehungsweise Nacht.


Farbkleckse in der schwarzen Nacht
Jetzt kommt Farbe ins nächtliche Grau. Erst Schwarz, dann Blau, Rot und schließlich Gelb werden auf die zirka 55 Kilometer pro Stunde schnellen Bahnen aufgetragen. Druckplatten geben die Dosierung vor, um die gewünschten Motive, Bilder und Buchstaben zu erhalten. Nach wenigen Sekunden sehen die Prospekte schon ziemlich fertig aus. Bei 160 Grad werden sie anschließend getrocknet, in einer weiteren Apparatur gefalzt und über die Förderbänder zum Stapeln und Verpacken geschickt.

Wenn die Maschinen richtig funktionieren, können sich der 37-Jährige und seine Kollegen also eine Weile zurücklehnen. Abgesehen von Lautstärke, Helligkeit und unbequemem Holzstuhl also fast wie im Bett - da, wo die meisten anderen Menschen gerade sind und bis zu Vitzthums "Feiermorgen" bleiben. Seine Schicht endet um 6. Zehn Stunden Druckertätigkeit - im Normalfall acht - liegen dann hinter ihm, ein verschlafener Tag vor ihm.


"Leben ist auf die Arbeit abgestimmt"
"Die Sonne geht auf, ich gehe ins Bett. Wenn meine Freunde feiern gehen, gehe ich zur Arbeit. Jedes zweite Wochenende ist ruiniert", beschreibt Vitzthum seinen Alltag. "Das ganze Leben ist auf die Arbeit abgestimmt." Ob das die Zuschläge für seinen Schicht- und Nachtdienst wert sind, kann der Kegler des KV Lohengrin Kulmbach nicht sagen. Sein Job mache ihm aber Spaß. Und manchmal hat er sogar einen Vorteil. Die Frühschicht endet um 14 Uhr. Dann lässt sich noch einiges mit dem Tag anfangen. Doch beim nächsten Piepsen heißt es wieder: aufstehen für die Nachtschicht.