Ein 35-Jähriger ist vor dem Landgericht Bayreuth wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Vorsitzender Richter Michael Eckstein sprach den Angeklagten am Montagabend in einem Fall der vorsätzlichen Brandstiftung schuldig und verhängte dafür eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. In einem zweiten Fall, der ebenfalls verhandelt wurde, wurde der Mann freigesprochen. Den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erstellung eines Haftbefehls lehnte die Kammer ab. Verteidiger Thomas Jauch gab unmittelbar nach der Urteilverkündung an, in Revision gehen zu wollen.
Dem Angeklagten waren zwei Fälle der vorsätzlichen Brandstiftung zur Last gelegt worden: Zum einen soll er am frühen Morgen des 12. November 2016 versucht haben, einen BRK-Rettungswagen in der Flessastraße anzuzünden, was aber misslang. Am 2. Februar 2017 soll er absichtlich das Privatauto seines Nachbarn auf einem Grundstück in der Johann-Eck-Straße angezündet haben. In beiden Fällen entstand ein Gesamtschaden in Höhe von rund 16 000 Euro. Personen kamen nicht zu Schaden.
Der Schuldspruch des Gerichts bezieht sich nur auf den Vorfall im Februar. Freigesprochen wurde er vom Vorwurf, den Wagen der Wasserwacht in Brand gesteckt zu haben. "Dafür war die Beweislage zu dünn", sagte Eckstein, "auch wenn Verdachtsmomente bestanden haben".
Er ging bei der Urteilsbegründung auch auf die Vorstrafen des Angeklagten ein. Zwei Mal war der 35-Jährige aus Sachsen-Anhalt bereits wegen Brandstiftung respektive damit verbundener Sachbeschädigung verurteilt worden, und zwar in den Jahren 2008 (drei Jahre und drei Monate) sowie 2012 (drei Jahre). Bei der ersten Verurteilung war der Beschuldigte geständig, er hatte damals das Auto des neuen Partners seiner Ex-Freundin beschädigt. Im zweiten Fall stritt er die Vorwürfe ab und legte gegen den Richterspruch Berufung ein; hier soll der Mann die Bauplane am Gerüst eines historischen Hauses in Brand gesteckt haben. Beide Haftstrafen hat der Angeklagte abgesessen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann nach einem Spieleabend mit Studienkollegen der Fachschule für Lebensmitteltechnik gegen 3.30 Uhr auf dem Nachbarparkplatz seiner Wohnung einen dort geparkten Toyota Avensis in Brand gesteckt hat. Dazu waren offenbar auf dem rechten Vorder- und Hinterreifen des Fahrzeugs Wachsreste einer Kerze sowie Papiertaschentücher als Brandsatz platziert worden. Das Auto brannte völlig aus, der Schaden beträgt rund 8000 Euro.
Der Angeklagte stand schnell im Fokus der Polizei, weil er nahe es Tatorts wohnte und bereits wegen Brandstiftungen vorbestraft war. Die Polizei fand Wachreste sowie angekohlte Taschentücher am Tatort; eine zu den Resten offenbar passende Stumpenkerze befand sich in der Wohnung des Angeklagten. "Der zeitliche Ablauf des Abends und der Nacht lässt die Schlussfolgerung zu, dass Sie genug Zeit hatten, vom Treffen mit Freunden zum Brandort zu kommen", sagte Eckstein. Zum möglichen Motiv konnte er sich nicht äußern. "Das wissen wir nicht. Darüber hat sich der Angeklagte auch nicht geäußert, was natürlich sein gutes Recht ist."
Bei der Bewertung mussten viele Mosaikstückchen zusammengetragen werden. "Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass Sie die Wachsteile angebracht und dann das Auto in Brand gesetzt haben." Zu seiner Entlastung sei berücksichtigt worden, dass keine weiteren Gegenstände oder gar Häuser in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zu seinem Nachteil angerechnet wurden die Vorstrafen.
Der Angeklagte nahm den Schuldspruch kopfschüttelnd zur Kenntnis. Außerhalb des Gerichtssaals sagte er: "Die Begründung der Richter, die mich aus der U-Haft entlassen haben, war jene, dass die Wachsreste eben nicht mit der Kerze in meiner Wohnung übereinstimmen. Und jetzt basiert das Urteil darauf - das verstehe ich nicht." Sein Anwalt Thomas Jauch will in jedem Fall das Urteil anfechten.
Staatsanwalt Bernhard Böxler hatte fünf Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Auch er legte dem Angeklagten zum einen dessen Vergangenheit zur Last. Was die beiden Kulmbacher Fälle angeht, so geschahen diese in Sichtweite des jeweiligen Wohnorts des Angeklagten. Es könne hier nicht mehr nur von einem absoluten Zufall ausgegangen werden. Zwei Zeugen, zugunsten des Angeklagten ausgesagt hatten, nannte Böxler unglaubwürdig. "Ich frage mich sowieso, wieso Sie nicht gleich bei der Polizei die Namen von möglichen Entlastungszeugen nannten, die mit Ihnen angeblich zur Tatzeit in Kulmbacher Kneipen unterwegs waren?"
Verteidiger Thomas Jauch wiederum nannte die Vorwürfe der Anklagevertretung konstruiert. Es hätten an den beiden Tatorten weder DNA- noch sonstige Spuren seines Mandanten nachgewiesen werden können. Auch an der Kleidung seien weder Rauch- noch Schmauchspuren zu finden gewesen. Die Alibi-Zeugen des Angeklagten seien glaubhaft, auch wenn sie Erinnerungslücken aufwiesen oder sich in manchen Details widersprochen hätten.
Zudem kritisierte Rauch die in seiner Ansicht nach unvollständige Ermittlungsarbeit der Polizei. Es habe noch andere Verdächtige gegeben, deren Spuren aber nicht weiter verfolgt worden seien. Als möglicher Täter in Frage komme unter anderem ein ehemaliger Mitarbeiter des BRK-Kreisverbands Kulmbach, der aufgrund eines dienstlichen Streits den Einsatzort habe wechseln müssen. "Mein Mandant war halt als Brandstifter vorbestraft, also geriet er ganz automatisch ins Raster der Fahnder."
Darauf zielte der Angeklagte auch in seiner abschließenden Einlassung ab. "Da brennt es, und in der Nähe wohnt der verurteilte Brandstifter - das passt, nicht wahr? Man kann sich alles so zurechtlegen, dass es passt. Ich weiß, dass ich es nicht war. Die Beschuldigung ist auf Spekulationen aufgebaut. Wenn ich heute verurteilt werde, dann können Sie mich gleich drin lassen. Denn egal, wo ich später mal lebe: Sobald es irgendwo brennt, werde ich wieder im Fokus stehen als der Schuldige."
Zu den umstrittenen Zeugenaussagen seiner Mitschüler sagte er: "Ich habe niemanden aufgefordert auszusagen. Ich wollte niemanden vor Gericht ziehen." Es sei ihm auch darum gegangen, dass er da, wo er nach seiner Haft neu habe anfangen wollen, die neuen Bekannten nicht gleich mit der Nase auf sein Vorleben habe stoßen wollen.
Zuvor hatte eine Zeugin, wie der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten Auszubildende der Fachschule für Lebensmitteltechnik, einen interessanten Whats-App-Verkehr mit einem Schulkollegen, ein Freund des Angeklagten, offengelegt. Demnach sollte die junge Frau offenbar bei ihrer Befragung Erinnerungslücken an den betreffenden Abend des 11. November äußern - so jedenfalls suggerierte es die Unterhaltung. In den Nachrichten hatte der Bekannte unter anderem geschrieben: "Es passt, wenn Du sagst, dass du dich an nichts erinnerst". Jener Mann hatte am vergangenen Freitag als Zeuge ausgesagt und dem Angeklagten ein Alibi für die mögliche Tatzeit gegeben.
Doch die Zeugin tat nicht, wie ihr offenbar geheißen, sondern blieb bei ihrer Einlassung, die sie auch schon gegenüber der Polizei gemacht hatte: Sie sei demnach nicht mit einer Gruppe Fachschülern, zu der auch der 35-Jähige zählte, in mehreren Lokalitäten in Kulmbach unterwegs gewesen, sondern gab an, an jenem Freitagabend nach Hause (Unterfranken) gefahren zu sein; sie habe dort Training mit ihrer Faschingsgesellschaft gehabt und Besuch einer Freundin.
Vorsitzender Richter Eckstein ordnete an, die Nachrichten auf dem Mobiltelefon zur Beweissicherung zu dokumentieren. Zugleich forderte er den Angeklagten auf, seinen Schriftverkehr auf dem Handy mit besagtem Schulkollegen offenzulegen - ein Unterfangen, das zunächst an technischen Details scheiterte. Schließlich wurde der gesamte Dialog zwischen Angeklagtem und Zeugen während der Verhandlung vorgetragen. Der Staatsanwalt hatte angeregt, das Handy des Zeugen von der Polizei beschlagnahmen zu lassen, was damit jedoch hinfällig wurde. Nicht hinfällig werden hingegen wohl Ermittlungen gegen den Zeugen wegen eigener vorsätzlicher Falschaussage sowie des Versuchs, eine andere Zeugin zu einer Falschaussage anzustiften.
Gutachter Klaus Leipziger, Facharzt für forensische Psychiatrie, bescheinigte dem Angeklagten, frei von psychischen Beeinträchtigungen zu sein. Leipziger stützte sich auf ein Gutachten, das bereits 2008 über den damals Verurteilten angefertigt worden war. Der Mann hatte verneint, Lust am Umgang mit Feuer zu empfinden. "Die Diagnose Pyromanie ist in der Medizin ohnehin umstritten", sagte der Facharzt.
Der Angeklagte hatte sich bei der ersten Tat, weswegen er auch in Haft saß, offenbar unter einer besonderen psychischen Belastungssituation befunden: Er hatte seinen Arbeitsplatz verloren, zudem sei die Beziehung zu seiner Freundin in die Brüche gegangen. Der Mann habe sich aus Wut und Zorn an Gegenständen abreagiert und diese in Brand gesteckt. Er habe dabei aber keine Befriedigung verspürt, so Leipziger, sondern im Gegenteil eher Schuldgefühle.