"Bauen nicht auf die lange Bank schieben"

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Bauen oder auf günstigere Bedingugnen warten?
Bauen oder auf günstigere Bedingugnen warten?
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Der Traum vom eigenen Haus wird wohl nicht mehr billiger werden, schätzt der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Kulmbach-Kronach, Harry Weiß. Dabei spielen nicht nur die Zinsen eine Rolle.

Inflation, steigende Bauzinsen, Verwahrentgelt: Für Sparer und Bauherren sind die Zeiten alles andere als rosig. Wie geht die Entwicklung weiter? Wir haben den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Kulmbach-Kronach, Harry Weiß, um seine Einschätzung gebeten.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, will die Negativzinsen bis zum Spätsommer abschaffen. Ist das aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidung?

Harry Weiß: Die EZB soll dafür sorgen, dass das Geld stabil ist. Wir haben aber jetzt eine Inflation bekommen, die in Richtung acht Prozent geht. Das ist hoch. Damit hat im letzten Jahr niemand gerechnet. In den USA haben wir die gleiche Situation. Die FED in den USA hat bereits reagiert. Bei der EZB hat sich dagegen nichts getan. Frau Lagarde kam deswegen immer stärker in die Kritik. Ich rechne zum 1. Oktober mit der Entscheidung, dass die Negativzinsen von 0,5 auf 0,25 Prozent sinken. Es kann aber auch sein, dass sie ganz fallen.

Wer bauen will, muss jetzt schon höhere Zinsen zahlen als vor einem halben Jahr. Seit Herbst 2021 sind die Zinssätze für Baudarlehen bei vielen Banken von 1,x auf knapp vier Prozent gestiegen. Wie sieht das bei der Sparkasse Kulmbach-Kronach aus?

Die Zinsen sind gestiegen. Wenn die EZB den Leitzinssatz jetzt erhöht, wird das dazu führen, dass sie noch weiter steigen. Ich glaube aber nicht dass wir zu große Zinssprünge sehen. Letztes Jahr war es für eine normale Baufinanzierung mit Eigenkapital so, dass die Zinsen knapp unter einem Prozent lagen. Dieser Zinssatz ist jetzt hochgegangen auf circa 2,7 Prozent. Er hat sich fast verdreifacht. Momentan herrscht aber etwas Stillstand.

Wo sehen Sie die Obergrenze?

Das ist eine schwierige Frage. Ich könnte mir vorstellen, dass es noch einmal vielleicht um 0,5 bis zu einem Prozentpunkt nach oben geht. Ich glaube aber nicht, dass wir dauerhaft wesentlich höhere Zinssätze sehen werden. Das kann ich mir nicht vorstellen, dazu ist die Volkswirtschaft zu stabil. Das weiß ich auch als Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer. Es geht hier primär um die Geldmengen-Steuerung.

Ihr Tipp: Besser jetzt bauen bzw eine Immobilie kaufen oder abwarten?

Auch eine schwierige Frage, denn es geht nicht nur um die Zinsen, sondern auch um die Baukosten. Die Bauträger tun sich momentan schwer, eine Kalkulationsgrundlage zu finden. Historisch gesehen glaube ich nicht, dass es wieder billiger wird. Das war noch nie der Fall. Ich denke, dass die Nachfrage nach Immobilien aufgrund der gestiegenen Zinsen und der gestiegenen Baupreise geringer wird, weil es sich nicht mehr so rechnet für Kapitalanleger. Wer in größere Wohnungsanlagen investiert, erwartet eine Rendite. Wenn jetzt die Zinsen steigen, dann fällt diese geringer aus.

Der normale Häuslebauer oder jemand, der sich eine Wohnung für die eigene Nutzung kaufen will, kann vielleicht damit rechnen, dass die Baustoffpreise wieder ein Stück weit zurückgehen. Aber langfristig gesehen sind die Preise immer gestiegen. Insofern würde ich jemandem raten, der bauen will, das nicht auf die lange Bank zu schieben.

Wenn in zehn Jahren für eine Baufinanzierung die Zinsbindung abläuft und dann höhere Zinsen gelten, werden sich dann viele die weitere Tilgung nicht mehr leisten können und die Häuser auf den Markt kommen?

Ich denke nicht. Ich bin jetzt seit 40 Jahren in der Sparkasse und habe das noch nie erlebt. Einfach auch deswegen, weil in dieser Zeit das Einkommen steigt. Häufig sind dann die Kinder aus dem Haus, man hat weniger Kosten. Das Einzige könnte sein, wenn es familiäre Probleme gibt oder Schicksalsschläge. Was wir in diesem Zusammenhang derzeit jedoch merken, ist eine Renaissance des Bausparens. Weil du damit praktisch einen Festzins für die gesamte Laufzeit der Finanzierung festmachen kannst.

Wie hoch ist durchschnittlich die Kreditsumme, die Bauherren in Anspruch nehmen?

Das sind etwa 400.000 Euro. Wenn du in Kulmbach ein Haus bauen willst, musst du mit Baukosten um die 400.000 bis 500.000 Euro rechnen. Ohne Grundstück. Und da handelt es sich um ein normales Haus.

Gibt es schon Bauherren, die aufgrund der Zins-Entwicklung ihr Bauprojekt auf Eis gelegt haben?

Nein. Denn bei den meisten Kunden ist eine gute Eigenkapitalbasis vorhanden. Wer vorhat zu bauen, der zieht es dann durch. Es gibt höchstens das Problem, dass der Bauträger keine Festpreiszusage machen kann.

Es gibt Immobilienkäufer, die vor den Zinserhöhungen ein Haus erworben und dafür einen günstigen Kredit aufgenommen haben. Wenn diese Käufer jetzt beispielsweise wegen einer Badsanierung einen weiteren Kredit - zu den höheren Konditionen - bräuchten - was raten Sie?

Den Kredit aufnehmen und das Bad sanieren. Denn erstens wird es - wie gesagt - wohl nicht billiger, und zweitens hast du den Aufwand dann später. Vielleicht macht man es auch gar nicht mehr.

Nicht nur wer Geld braucht, muss Zinsen zahlen. Auch wer Geld hat, wird zur Kasse gebeten - mit Negativzinsen. Wie ist das bei der Sparkasse geregelt? Gibt es Freibeträge?

Wir haben hier lange bei Privatleuten gewartet und das Verwahrentgelt erst im letzten Jahr eingeführt mit großen Freibeträgen - 100.000 Euro pro Person. Wir wollten die normalen Kunden nicht treffen. Aber das hatte die Folge, dass wir im letzten Jahr einen Geldzuwachs von einer Viertelmilliarde Euro hatten. Dem mussten wir einen Riegel vorschieben, weshalb seit 1. März nur noch eine Freigrenze von 50.000 Euro gilt. Wenn die EZB die Negativzinsen aber abschafft, werden wir diese auch streichen.

Was empfehlen Sie Anlegern jetzt?

Über Alternativen nachzudenken: Ich rate, im Wertpapiergeschäft anzulegen - in Fonds, breit gestreut. In den letzten Monaten gab es eine verstärkte Nachfrage nach Gold. Auch Investitionen in Immobilien oder Immobilienfonds sind eine Möglichkeit. Das alles ist relativ inflationssicher - aber eine langfristige Anlage über mindestens fünf Jahre.