Anwohnerinnen in Kulmbachs Oberer Stadt haben die Nase voll von Ekel-Attacken Feiernden

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Nachts geht es im Mittleren Stadtgässchen zu wie im Mittelalter, als es gang und gäbe war, die flüssigen und festen Ausscheidungen einfach auf die Straße zu kippen. Die Spuren sind an den Häusern deutlich zu sehen. Karin Wolfrum lässt die Rollos geschlossen, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Foto: Sonny Adam
Nachts geht es im Mittleren Stadtgässchen zu wie im Mittelalter, als es gang und gäbe war, die flüssigen und festen Ausscheidungen  einfach auf die Straße zu kippen. Die Spuren sind an den Häusern deutlich zu sehen. Karin Wolfrum lässt die Rollos geschlossen, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Foto: Sonny Adam
Durch den Urin entsteht ein unangenehmer Geruch. Bakterien absorbieren die Ausscheidungen und produzieren das schlecht riechende Ammoniak. Foto: Sonny Adam
Durch den Urin entsteht ein unangenehmer Geruch. Bakterien absorbieren die Ausscheidungen und produzieren das schlecht riechende Ammoniak. Foto: Sonny Adam
 
Überall sind im Mittleren Stadtgässchen die Spuren der Nacht zu sehen. Die Aufnahmen wurden erst nach der Beseitigung der schlimmsten Überreste gemacht. Foto: Sonny Adam
Überall sind im Mittleren Stadtgässchen die Spuren der Nacht zu sehen. Die Aufnahmen wurden erst nach der Beseitigung der schlimmsten Überreste gemacht. Foto: Sonny Adam
 
Spuren fester Hinterlassenschaften zieren die Hauswände: Die Taschentücher sind ein klares Indiz dafür, dass es sich hier nicht um Tier-Exkremente handelt. Foto: Sonny Adam
Spuren fester Hinterlassenschaften zieren die Hauswände: Die Taschentücher sind ein klares Indiz dafür, dass es sich hier nicht um Tier-Exkremente handelt. Foto: Sonny Adam
 
Fenster im Erdgeschoss öffnen - das trauen sich die Anwohner an den Wochenenden nicht. Foto: Sonny Adam
Fenster im Erdgeschoss öffnen - das trauen sich die Anwohner an den Wochenenden nicht. Foto: Sonny Adam
 
Eine typische Situation: mitten in der Nacht sondert sich ein Einzelner von der Feiergruppe ab - und nutzt die Gässchen als Toilette. Foto: Sonny Adam
Eine typische Situation: mitten in der Nacht sondert sich ein Einzelner von der Feiergruppe ab - und nutzt die Gässchen als Toilette. Foto: Sonny Adam
 
Es ist nicht nur eine Handvoll Jugendlicher, die Probleme macht: In den Gässchen sind überall Überreste von Erbrochenem. Aus Rücksicht auf die Leser wurden die unliebsamen Hinterlassenschaften erst fotografiert, als die städtische Reinigung schon das Schlimmste beseitigt hatte. Foto: Sonny Adam
Es ist nicht nur eine Handvoll Jugendlicher, die Probleme macht: In den Gässchen sind überall Überreste von Erbrochenem. Aus Rücksicht auf die Leser wurden die unliebsamen Hinterlassenschaften erst fotografiert, als die städtische Reinigung schon das Schlimmste beseitigt hatte. Foto: Sonny Adam
 
Fenster lässt Karin Wolfrum nicht mehr ersetzen: Abwaschbares Holz - das ist ihre pragmatische Lösung auf die ständigen Ekel-Attacken der Feier-Lustigen. Foto: Sonny Adam
Fenster lässt Karin Wolfrum nicht mehr ersetzen: Abwaschbares Holz - das ist ihre pragmatische Lösung auf die ständigen Ekel-Attacken der Feier-Lustigen. Foto: Sonny Adam
 
Gelbe Flüssigkeiten sorgen auch an den Gebäuden für Schäden. Foto: Sonny Adam
Gelbe Flüssigkeiten sorgen auch an den Gebäuden für Schäden. Foto: Sonny Adam
 
Karin Wolfrum möchte gar nicht nachdenken, um welche Art von Sprenkelung es sich an ihrer Garage handelt. Foto: Sonny Adam
Karin Wolfrum möchte gar nicht nachdenken, um welche Art von Sprenkelung es sich an ihrer Garage handelt. Foto: Sonny Adam
 
Wenn es warm ist und wenn in der Oberen Stadt viel los ist, erleichtern sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Hauf: 37 Wildpinkler in einer Nacht zählte Karin Wolfrum. Wenn sie die Wildpinkler anspricht, erntet sie nur freche Antworten und Unverständnis. Foto: Sonny Adam
Wenn es warm ist und wenn in der Oberen Stadt viel los ist, erleichtern sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Hauf: 37 Wildpinkler in einer Nacht zählte Karin Wolfrum. Wenn sie die Wildpinkler anspricht, erntet sie nur freche Antworten und Unverständnis. Foto: Sonny Adam
 
Karin Wolfrum und Hannelore Christ wollen der Jugend das Feiern nicht verbieten, doch die ständigen ekelhaften Überraschungen sind nicht mehr tolerierbar: Nächtliche Pinkelattacken, stinkende Spuren von Verdauungsproblemen an den Wänden und Erbrochenes überall sind die Spuren der Nacht. Foto: Sonny Adam
Karin Wolfrum und Hannelore Christ wollen der Jugend das Feiern nicht verbieten, doch die ständigen ekelhaften Überraschungen sind nicht mehr tolerierbar: Nächtliche Pinkelattacken, stinkende Spuren von Verdauungsproblemen an den Wänden und Erbrochenes überall sind die Spuren der Nacht. Foto: Sonny Adam
 
Die Blumen sind nur ein hoffnungsloser Versuch, die unappetitlichen Überreste zu kaschieren: An den Häusern sind gelbe Schlieren zu sehen - es riecht nach Urin. Foto: Sonny Adam
Die Blumen sind nur ein hoffnungsloser Versuch, die unappetitlichen Überreste zu kaschieren: An den Häusern sind gelbe Schlieren zu sehen - es riecht nach Urin. Foto: Sonny Adam
 

Es hat nichts genutzt - das ist die Bilanz, die Hannelore Christ und Karin Wolfrum ziehen. Nach der lauen Nacht am vergangenen Freitagabend haben sich, obwohl die Stadt am Marktplatz ein Dixie-Klo aufgestellt hatte, wieder Feierlustige in den Gässchen, an den Häusern, an den Garagentoren erleichtert.

Hannelore Christ, Bewohnerin des Mittleren Stadtgässchens, hat sich auf die Lauer gelegt und einen der Wildpinkler zur Rede gestellt. "Die anderen machen es doch auch. Das machen alle", lautete die freche Antwort. Der junge Mann ließ sich nicht stören und ging dann weiter.

"Die Toilette nutzt unten am Marktplatz nichts. Die laufen die Gässchen runter und lassen die Hosen runter. Sie übergeben sich, sie pinkeln überall hin - vor allem an die Haustüren, an die Garagen, an die Hauswände", schildern Hannelore Christ und Karin Wolfrum, beide Anwohner des Mittleren Stadtgässchens, die Situation. Bei den beiden Damen handelt es sich nicht um überempfindliche Frauen, die der Jugend den Spaß verderben möchte. Lange haben beide geschwiegen - eben weil sie Verständnis für das Nachholen der Partys haben und weil sie der Jugend auch ein bisschen etwas durchgehen lassen möchten. Doch wenn in schönen Sommernächten bis zu 37 Leute pro Nacht ans Haus urinieren, wie Karin Wolfrum gezählt hat, ist das unerträglich.

15 LIter Urin pro Nacht

Bei einer durchschnittlich ausgeschiedenen Menge von 400 Milliliter Urin pro Toilettengang macht dies fast 15 Liter Urin in einer Nacht, die am Haus der Wolfrums und am Garagentor Schaden anrichtet, die sich in den Sandstein saugt und die den Putz blättern lässt. "Und in dieser einen Nacht, als ich mich auf die Lauer gelegt habe, habe ich diejenigen, die an die anderen Häuser gepinkelt haben, gar nicht mitgezählt", sagt die genervte Anwohnerin.

Anderen Exkremente und unliebsamen Hinterlassenschaften kommen noch hinzu. Denn an der Garage finden sich auch braune Spritzer. "Ich möchte nicht wissen, was das ist", so Wolfrum.

Hinzu kommt der Lärm bis in die frühen Morgenstunden. "Auch die Security konnte nichts machen. Die sind einmal am ganzen Abend durchgelaufen - das war es schon", sagte Hannelore Christ und ist wirklich ärgerlich. Denn das Haus, das sie liebevoll mit Blumen bepflanzt hat, weist längst hässliche gelbe Flecken an den Ecken auf. In den Blumenbeeten finden sich kleine und große Hinterlassenschaften. Und hinzu kommen überall übelriechende Flecken: Erbrochenes. Die Flecken bleiben, auch wenn die Stadtreinigung versucht, das Schlimmste zu beseitigen. Jedes Mal, wenn Christ aus dem Haus geht, schüttet sie Wasser in den Gulli, um den sauren Geruch abzumildern.

Ekelige Hinterlassenschaft

"Einmal war meine Haustür bis zu einer Höhe von 1,50 Meter vollgekotzt. Ich musste das wegmachen, weil man nicht mal mehr die Türklinke in die Hand nehmen konnte", schildert Karin Wolfrum die ekelerregende und unzumutbare Situation.

Es sind übrigens nicht nur Männer, die zu viel Alkohol konsumieren, und sich danebenbenehmen. Ungeniert lassen auch Frauen die Hosen herunter oder heben den Rock hoch. Der Alkohol enthemmt und sorgt offenbar dafür, dass jegliche Schamgrenze und jeglicher Anstand fällt. Früher gab es solche Probleme nur bei großen Festivitäten, inzwischen immer dann, wenn das Wetter schön ist.

"Die Polizei macht in den letzten Wochen wirklich gute Arbeit. Es hat sich schon gebessert, es sind weniger Schlägereien und es gehen weniger Flaschen zu Bruch. Aber die Polizei kann nicht überall sein", sagt Wolfrum.

Sechs Anzeigen

Polizeichef Peter Hübner bestätigt das Lagebild. "Wir haben sechs Anzeigen in den letzten Wochen geschrieben, weil wir Wildpinkler erwischt haben. Aber eigentlich ist die Polizei beschäftigt, Straftaten zu unterbinden, und wenn wir Wildpinkler erwischen, ist das nur ein Nebeneffekt", sagt Hübner. "Um das Wildpinkeln wirklich zu unterbinden, müssten wir die Überwachung so hochfahren, dass dies nicht mehr darstellbar wäre. Ich kann den Anwohnern nur raten, die dunklen Bereiche heller zu machen", sagt der Kulmbacher Polizeichef.

Konfrontiert mit den Sorgen der Bürger hat Bürgermeister Frank Wilzok (CSU) sofort auf die Klagen der Anwohner reagiert. Am Wochenende wird das Dixie-Klo hinter das Prinzessinnenhaus gestellt, so dass sich die Wege verkürzen. Außerdem hat Frank Wilzok die Sicherheitswachen verdoppelt.

"Die Security war am vergangenen Wochenende nur zwischen Pina und Sohle zugange und war damit beschäftigt, Schlimmeres zu verhindern. Das hat mir die Security bestätigt. Wir wollen aber wirklich sicherstellen, dass die ganze Zeit eine Fußstreife durch die Gässchen läuft, um die Wildpinkler zu erwischen", sagt Wilzok. "Wir wollen der Jugend das Feiern nicht verbieten. Aber ich verstehe auch die Anwohner. Die Hinterlassenschaften sind nicht zu tolerieren", sagt der Kulmbacher Bürgermeister.

Dunkle Stellen ausleuchten

Und noch ein Signal hat Wilzok für die Anwohner: Wenn sie sich entscheiden, die dunklen Stellen mit Lampen und Bewegungsmeldern auszustatten, könnte die Stadt Unterstützung leisten. "Ich werde am Wochenende nachts auch unterwegs sein, auch später in der Nacht. Ich werde mir selbst ein Bild machen", verspricht Wilzok und ermuntert die Anwohner, beim Runden Tisch mit Gastronomen, Jugendlichen und Vertretern der Stadt den Mund aufzumachen und offen über die Sorgen zu sprechen.

In Bahnhöfen und in Großstädten werden die Fassaden oft mit flüssigkeitsabweisendem Anstrich geschützt. Und in manchen Städten können die Bußgelder bis zu 5000 Euro betragen: in Hannover, in Erfurt, in Kaiserslautern, in Stuttgart oder in Halle an der Saale beispielsweise. Besonders teuer wird es übrigens, wenn ein historisches Haus, ein Denkmal oder eine Kirche besudelt wird. Dann wird auch bei Ersttätern das Verwarngeld höher angesetzt.

In Kulmbach wurden bislang in diesem Jahr aber erst zwei Fälle geahndet. In einem Fall wurde ein Verwarnungsgeld in Höhe von 40 Euro ausgesprochen. Im zweiten Fall hat die Stadt ebenfalls ein Verwarnungsgeld verhängt. Dies wurde jedoch nicht bezahlt, so dass sich die Geldbuße auf 50 Euro erhöht hat - mit Gebühren sogar auf 78,50 Euro. "Bei mehrfachen Verstößen würde sich die Geldbuße weiter erhöhen" erklärt Pressesprecher Jonas Gleich und weist auf mögliche Bußgelder von bis zu 500 Euro hin.

Richtig zur Kasse gebeten wurde ein "Saubär", der in der Tiefgarage, rauchend, sein großes Geschäft verrichtet hat. Diese Verunreinigung wurde mit 178,50 Euro geahndet, weil es sich um zwei Verstöße gehandelt habe: In der Tiefgarage ist Rauchen verboten, außerdem spricht das Erledigen des großen Geschäftes der Reinigungs- und Sicherungsverordnung. Erwischt wurde der Sünder übrigens durch die Videoüberwachung, die alles aufgezeichnet hat.