Joachim Schirmer aus Pressig würde gerne Rad fahren. Doch da er fast erblindet ist, braucht er jemanden, der vorne auf dem Zwei-Mann-Fahrrad sitzt. Seine bisherige Suche nach einem "Pilotfahrer" blieb erfolglos.
Joachim Schirmer aus Pressig fährt sehr gern Rad, auch wenn er sich am Ausblick auf die Landschaft rundum nicht erfreuen kann. Denn Joachim Schirmer ist fast blind, sieht nur noch schemenhaft. Aber er genießt es, wenn ihm der Wind um die Nase weht, er die unterschiedlichsten Gerüche und Geräusche einordnen kann. Er "sieht" mit der Nase und den Ohren.
Aber Joachim Schirmer kann nicht alleine aufs Rad. Das wäre zu gefährlich. Deshalb hat er seit vielen Jahren ein Tandem. Da würde er hinten sitzen und kräftig in die Pedale treten. "Würde" deshalb, weil er seit Längerem einen "Pilotfahrer" sucht, einen, der den Lenker fest in der Hand hat und die Richtung angibt.
Aus Anlass des Sehbehindertentags am Freitag appelliert Joachim Schirmer nochmals an alle Sehenden, mit ihm aufs Tandem zu steigen.
Bei der BR-Radltour dabei Seine "Piloten" waren früher die Kinder, die den Vater durch die Lande chauffierten. Vor allem Sohn Stefan. Der fuhr mit ihm sogar die BR-Radltour von Schweinfurt nach Kronach mit. Und die anspruchsvolle Strecke durch das Tettautal bis hinauf nach Judenbach schafft Joachim Schirmer mit einem einigermaßen fitten "Pilotfahrer" auch. Denn fit hält er sich auf dem Hometrainer im Dachgeschoss.
Doch immer nur auf der Stelle treten, das ist auf die Dauer langweilig. "Das Tandem-Fahren ist nicht schwieriger als normales Radfahren", sagt Schirmer: "Man steigt gemeinsam auf und fährt auf Kommando los."
Das Leben als Blinder hat Joachim Schirmer immer bestens gemeistert.
Jahrzehnte war er im Landratsamt Kronach tätig, hat sich in Pressiger Vereinen engagiert.
Blinde haben Probleme Mit seinem weißen Langstock ist er in Pressig von der Bergstraße bis zum Bahnhof gelaufen, in Kronach vom Bahnhof bis zum Landratsamt. Dabei diente ihm auch der Kontrast zwischen dem hellen, grauen Bordstein und dem dunklen Asphalt als Anhaltspunkt.
Doch wo die Bordsteine in Kronach abgesenkt sind, wo es keinen Helligkeitsunterschied zwischen Gehsteig und Fahrbahn gibt - wie in der Kronacher Schwedenstraße und am Marienplatz - da haben Joachim Schirmer und andere stark Sehbehinderte ein Problem.
"Beim Marienplatz laufe ich regelmäßig in die Straße rein", bedauert Joachim Schirmer. Auch die Neuerungen am Kronacher Bahnhof gefallen ihm nicht.
"Wenn ein Blinder auf dem Bahnsteig steht und der Zug hat Verspätung, dann wartet der Mensch bis Weihnachten, denn es gibt keine Ansage mehr und die Leuchtschrift kann er ja nicht sehen."
Sprachsteuerung Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) will für den heutigen Sehbehindertentag vor allem die Nützlichkeit von Smartphones für Sehbehinderte thematisieren. Die Geräte seien zwar nicht für Behinderte entwickelt worden, kämen deren Bedürfnissen aber entgegen.
Joachim Schirmer sieht die Vorteile, die solche Geräte für seine Leidensgenossen bieten, hat aber selbst keines, "denn ich komme mit einem ganz normalen Handy zurecht". Auf den Smartphones gebe es keine Tasten. Ein Blinder könne sich da nicht tastend orientieren.
Die sprachgesteuerte Ein- und Ausgabe der modernen Geräte sei deshalb auch für Sehbehinderte nutzbringend.
Wenn man eine E-Mail erhalte, könne man sich die vorlesen lassen.
Auch Jörg Grünbeck aus Förtschendorf, stellvertretender Bezirksgruppenleiter des Blinden- und Sehbehindertenbundes und für das Führhundwesen in Oberfranken zuständig, hat - ebenso wie Joachim Schirmer - kein Smartphone. Das lohnt sich für ihn nicht, denn ihm reicht eine Prepaid-Karte. Grünbeck hat ein speziell für Blinde entwickeltes Handy, das aus der Schweiz stammt.
"Ich bin kein Technikfreak. Dieses Handy ist genau das, was ich brauche", betont er. "Das sagt mir, wer anruft. Das reicht!" Grünbeck hat viele Bekannte, die Smartphones nutzen. Beispielsweise der Bundessprecher für das Führhundewesen: "Der hört seine E-Mails ab, nutzt die Bluetooth-Tastatur und arbeitet damit während der Zugfahrt."