Der CSU-Ortsverband Kronach und die CSU-Stadtratsfraktion luden zum Fachgespräch "Einzelhandel in Kronach" ein. Viele selbständige Einzelhändler, Geschäftsführer und Stadträte erörterten die Situation und überlegten Maßnahmen.
Die Einwohnerzahlen sinken und damit die Anzahl potenzieller Kunden, der online-Handel boomt - das sind nur zwei von vielen Herausforderungen, die sich der stationäre Einzelhandel auch in Kronach entgegen sieht. Bei seiner Ausrichtung muss er den Veränderungen im Konsumentenverhalten Rechnung tragen.
Doch auch die Stadt Kronach ist gefordert, will man eine Steigerung der Kundenfrequenz in der Innenstadt erreichen - Dies machte das lebhafte und gut besuchte Fachgespräch am Montag deutlich.
Laut einer Erhebung im Rahmen des Projekts "Soziale Stadt" gab es, so die Kronacher CSU-Ortsvorsitzende Angela Hofmann, 2005 in der Kronacher Innenstadt 128 Einzelhandelsbetriebe. Derzeit schätzt man diese auf 100, was eine Abnahme von 20 Prozent bedeute. Einzelhandelsbetriebe im Randbereich habe es 112 im Jahr 2005 gegeben, jetzt schätze man rund 120.
"Der Leerstand in der Innenstadt ist deutlich wahrnehmbar", bedauerte Hofmann.
Dies sei ein eindeutiges Signal, um tätig zu werden. Derzeit gebe es bezüglich des Leerstands eine neue Erhebung, wobei die Stadt alle Immobilieninhaber mit Leerstand bitte, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
"Wir alle hier verfolgen das gleiche Ziel, nämlich den Einzelhandel in der Innenstadt mit dem bisherigen Angebot und Service auch in den nächsten Jahrzehnte aufrecht zu erhalten", appellierte sie; gehe doch die Attraktivität der Stadt eng mit dem Einzelhandel zusammen. Sie bat die Anwesenden um Vorschläge, welchen Beitrag die Stadt hierzu leisten könne.
Über den Tellerrand schauen Es gebe durchaus Möglichkeiten, um Filialisten nach Kronach zu bekommen, so Aktionsgemeinschafts-Vorsitzender Dietrich Denzner.
Beispielsweise habe man einem Unternehmen in Neumarkt in der Oberpfalz für fünf Jahre Mietfreiheit gewährt - in der Hoffnung, dass von dem Einkaufszentrum andere Einzelhändler profitieren könnten.
"Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen und andere Mittel finden", forderte er. Leider sei diesbezüglich in den 20 Jahren nichts passiert. Obwohl es sein Unternehmen schon über 80 Jahre gebe, habe er noch nie so viele Zukunftsängste wie jetzt gehabt.
Paul Schnell, Vorsitzender des Vereins kronach.er.leben, sprach von einer fehlenden Zentralität in Kronach mit sehr weiten Wegen. "Wir sind kein richtiges Einkaufszentrum", bedauerte. Er erachtete eine bessere Busanbindung als notwendig, um die über das Stadtgebiet verteilten Geschäfte zu erreichen. Von einem subventionierten Einzelhandel halte er nichts.
"Wir Einzelhändler müssten zusammenrücken, aber wir rücken auseinander" "Wir Einzelhändler müssten zusammenrücken, aber wir rücken auseinander. Wir könnten ein Einkaufszentrum sein, wenn wir alle an einen Strang ziehen würden", zeigte er sich sicher. Leider machten aber viele ihr eigenes Ding. "Das funktioniert nicht. Da kann uns die Politik auch nicht helfen", meinte er.
Frank Schweizer-Nürnberg schloss sich dem an: "Sie müssen sich als Einheit verstehen. Ihr Konkurrent ist nicht der Kollege um die Ecke, sondern sind die Internetfirmen." Karl-Ernst Stöckert prangerte an, dass in Kronach beim Einkauf das "Erlebnis" fehle wie auch ein passendes Gastronomie-Angebot. Laut Schnell seien auch die verschiedenen Öffnungszeiten am Samstag ein Problem.
Schweizer-Nürnberg sowie Thorsten Becker plädierten für längere Öffnungszeit am Samstag. Allerdings brauche man hierfür einen langen Atem. Denzner befürchtete weitere Leerstände, da einige Geschäfte Ende des Jahres ihre Standorte in der Stadt verließen beziehungsweise sich woanders ansiedelten und zudem noch andere Geschäfte mit hinaus zögen.
"Das Problem in Kronach ist die Gestaltung", ärgerte sich Norbert Ruff, "Die Gehwege sind schlecht und für Mütter mit Kinderwägen nicht geeignet. Teilweise haben wir saumiserable Zustände. Die Leute wollen ein gepflegtes Umfeld. Es sind viele Kleinigkeiten, die etwas ausmachen - Bänke, Abfalleimer, Zäune. Bei der Schule werden seit zwei Jahren keine Bäume nachgepflanzt. Das ist ein Dreckloch." Hier sei die Stadt gefragt.
Wer am Samstag etwas essen wolle, finde in Kronach kein geöffnetes Café. Nicht mal beim Stadtfest hätten die Cafés geöffnet. Auch die Mietsituation mit völlig überteuerten Mieten sei eine Katastrophe.
CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzender Jonas Geissler sprach abschließend von einer spannenden Veranstaltung. Er nehme für sich mit, dass die Stadt in vielen Dingen handeln müsse - so beim Schaffen des Umfelds, von Sauberkeit und - soweit möglich --Barrierefreiheit. "Das ist alles nur langfristig zu erreichen", zeigte er sich sicher.
Runden Tisch angeregt Um die Gastronomie ins Boot zu holen, regte er einen runden Tisch mit Vertretern der Stadt wie auch Gastronomie an. Er könne sich ein Abstempelsystem in Geschäften für ein verbilligtes Parken vorstellen wie auch einen Verzicht von Parkgebühren am Samstag.
"Wir wollen, dass sich der Kunde in Kronach wohlfühlt", pflichtete ihm Hofmann bei. Dafür wolle auch die Stadt ihren Beitrag leisten. Wenn man dies gemeinsam angehe, sei man auf dem richtigen Weg.
Eingangs hatten Frank Schweizer-Nürnberg aus Düsseldorf, Chefredakteur des "marktsch angeregt intern"-Informationsbriefes Mittelstand, und Thorsten Becker, Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern aus Bayreuth, zum Thema hingeführt. Ihre Referate verdeutlichten starke Strukturverschiebungen im Einzelhandel. Insbesondere der nicht filialisierte Einzelhandel habe Marktanteile verloren.
Erhebungen zufolge kauften , so Schweizer-Nürnberg, rund 60 Prozent der Kunden im innerstädtischen Einzelhandel sowie jeweils um die 20 Prozent im Shopping-Center und Onlinehandel. "Drei Viertel der deutschen Verbraucher kaufen gerne bei inhabergeführten lokalen Händlern ein", informierte er.
Allerdings dächten auch viele, dass diese altmodisch und zu teuer seien.
Die durch den zunehmenden Online-Handel sinkende Kundenfrequenz bewirke einen Besucherverlust in den Städten. 51 Prozent der Kunden kämen mit dem Pkw - selbst, wenn es gute öffentliche Verkehrsverbindungen gäbe. "Wenn ein stationärer Händler keine fußläufig zu erreichenden Parkplätze hat, ist das ein elementarer Wettbewerbsnachteil", war er sicher.
Kunden wollen alles unter einem Dach Starke Einflussfaktoren auf die Kundezufriedenheit seien das Gastronomieangebot sowie die Qualität und die Auswahl der Geschäfte. Die Kunden wünschten sich alles unter einem Dach. Es gehe aber auch um Faktoren wie Luftqualität, Atmosphäre, Aufenthaltsqualität und Sauberkeit in den Städten.
Laut Thorsten Becker bewege sich der Jahresumsatz des deutschen Einzelhandels momentan um die 440 Milliarden. Inflationsbereinigt habe man ein Prozent verloren - eine Entwicklung, die kontinuierlich weitergehe. 60 Prozent davon machten Elektronik, Möbel und alltägliche Gegenstände aus, hier habe man 20 bis 30 Prozent ans Internet verloren.
Der Einzelhandel habe in den letzten 15 Jahren nur noch in 1a-Städten beziehungsweise Großstädten gewinnen können. Verlierer seien die kleinen, mittelständischen und Läden in 1b-Lage. "Der Einzelhandel kann seine Kunden nicht erziehen, sondern er muss sich ihnen anpassen. Er muss da sein, wo der Kunde ist", appellierte er.
Konzept für Neben- und Problemläden entwickeln Geschäfte in b-Lage müssten in a-Lagen. Die Stadt müsse ein Konzept für Neben- und Problemläden entwickeln.
Die Kundenfrequenz in den Innenstädten werde auch weiter abnehmen. Weniger Anbieter konzentrierten immer mehr Umsatz auf sich. "Die Luft wird dünner", warnte er. Zahlreiche Läden würden schließen. Wichtig sei es, das Stationäre mit einen online-Angebot zu verknüpfen, also das Warenlager digital zu erweitern.
An die Stadt appellierte er: "Umsatz ist nicht gleich Gewinn." Viele Kommunen finanzierten sich über die Gewebeertragssteuer. Von mehr Handel vor Ort versprächen sie sich mehr Geld in der Stadtkasse. Das sei falsch: Meistens werde es weniger, weil der Handel durch den Preiswettbewerb immer weniger verdiene. Sicher zeigte er sich, dass jede Stadt ihr eigenes Konzept entwickeln müsse.