Kerstin Schmidt und ihr Mann haben neben ihren leiblichen Kindern noch vier weitere Kinder - zur Pflege. Eines davon ist Jakob, dessen leibliche Mutter nach sieben Jahren immer noch das Sorgerecht hat.
Den Gedanken, dass seine Pflegeeltern nicht seine leiblichen Eltern sind, lässt Jakob nicht zu. "Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass er eine ,Bauch-Mama‘ hat", sagt Kerstin Schmidt. Der Grundschüler habe erwidert, dass er in ihrem Bauch war und sie seine Mama sei. Die Schmidts haben Angst davor, wie der Junge reagiert, wenn er sich der Tatsache bewusst wird, dass er nicht ihr leibliches Kind ist.
Jakobs leibliche Mutter hat seit sechs Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn gesucht, dennoch liegt das Sorgerecht bei ihr. "Sie entscheidet über alles, solange sie nichts tut, was dem Kind schadet", schildert Schmidt die Situation. Selbst bei einer Impfung müsse sie zustimmen.
Langer Weg zur Vormundschaft
Jakob ist eines von vier Pflegekindern, das bei den Schmidts lebt. Für den zehnjährigen Tim hat das Ehepaar seit vier Jahren die Vormundschaft: "Alles läuft wie mit unseren eigenen Kindern. Das Sorgerecht zu bekommen, ist allerdings nicht leicht." Bis man die Urkunde schließlich in den Händen halte, würden einige Wochen voller Termine und Gutachten vergehen. Dabei bedeutet die Übertragung des Sorgerechts an die Pflegeeltern Sicherheit für die Kinder: "Sie fühlen sich als fester Bestandteil der Familie."
Die Schmidts sind sich sicher, dass Tim und Jakob langfristig bei ihnen bleiben können. Beide kamen bereits als Säuglinge in die Familie. "In den ersten zwei Jahren, in denen die Kinder in einer Pflegefamilie leben, wird versucht, Ordnung in den Herkunftsfamilien zu schaffen, sodass die Kinder wieder zurückkönnen", berichtet Kerstin Schmidt (siehe Interview unten). Sie und ihr Mann wurden bisher noch nicht mit der Situation konfrontiert. "Die Räuber wachsen einem schnell ans Herz, man baut eine Bindung auf." Im Fall, dass Probleme auftreten, können Pflegeverhältnisse aber wieder aufgelöst werden.
Bei den Schmidts leben seit 14 Jahren Pflegekinder. Einen Unterschied zu ihren leiblichen Kindern, die mittlerweile erwachsen sind, machen sie nicht. Für alle Kinder gelten immer dieselben Regeln.
"Die Aufnahme von Pflegekindern stellt die ganze Familie auf die Probe. Für die eigenen Kindern entsteht eine gewisse Konkurrenz", sagt Schmidt. Sie und ihr Mann haben ihrer Tochter und ihrem Sohn damals erklärt, warum weitere Kinder einziehen. "Das Mitleid hat für unsere Tochter und unseren Sohn eine größere Rolle gespielt als die Eifersucht. Ihnen wurde bewusst, dass nicht alle Kinder so behütet aufwachsen."
Der Einfluss der leiblichen Eltern
"Wegen der Vorerfahrungen, die Pflegekinder mitbringen, lassen sie sich trotzdem nie so formen, wie die eigenen Kinder", erklärt Kerstin Schmidt. Die Kinder werden bereits im Mutterleib und als Säugling geprägt. "Tim hält sich immer die Augen zu und weint, sobald sich im Fernsehen Erwachsene streiten." Schmidt vermutet, dass es Auseinandersetzungen zwischen den leiblichen Eltern gab, als er noch im Mutterleib oder nur wenige Tage alt war. Bereits mit drei Monaten kam er zu den Schmidts. Ein gewisser Einfluss durch die leiblichen Eltern bleibt immer. "Irgendwann fragt jedes Kind nach seinen Wurzeln."