Notärzte am Rennsteig setzen einen Notruf ab

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Wenn sich am Rennsteig nichts an der Besetzung des Notarztpostens ändert, wird künftig wohl nicht mehr bei jedem Notfall ein Mediziner vom Standort Steinbach kommen. Fotos: Marco Meißner
Wenn sich am Rennsteig nichts an der Besetzung des Notarztpostens ändert, wird künftig wohl nicht mehr bei jedem Notfall ein Mediziner vom Standort Steinbach kommen. Fotos: Marco Meißner
Ines Pechthold
Ines Pechthold
 
Michael Müller
Michael Müller
 

Nur noch zwei Mediziner aus Tettau halten den Notarzt-Dienst am Standort Steinbach am Wald aufrecht. Der Tettauer Bürgermeister Peter Ebertsch sieht dadurch die Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Eine Lösung des Problems zeichnet sich bis jetzt noch nicht ab.

Eine Sirene heult. Das Blaulicht ist im Rückspiegel zu sehen. Die Autofahrer halten an der Seite, bleiben für das weiß-rote Gefährt stehen. Als es vorbeiflitzt, ist in schwarzen Lettern "Notarzt" auf der Beifahrertür zu lesen. Wieder geht es für einen Patienten um lebenswichtige Sekunden. Doch dank vier Notarzt-Standorten im Landkreis stehen die Chancen gut, dass die Hilfe rechtzeitig vor Ort sein wird. Was ist aber, wenn der Notarzt im Ernstfall nicht mehr (so schnell) anrückt? Das könnte am Rennsteig bald passieren.

Der Tettauer Arzt Michael Müller will nicht jammern; er ist überzeugt, dass das gar nichts bringt. Aber er will die Augen der Bürger für die Situation am Standort Steinbach am Wald öffnen. "Zu Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit umfasste der ständige Notarztdienst acht Ärztinnen und Ärzte", blickt er zurück. Seit kurzem sind nur noch er und seine Tettauer Kollegin Ines Pechthold übrig. Ein Zustand, der ihrer Ansicht nach so nicht mehr tragbar ist. "Du richtest dein ganzes Leben nach diesem Notdienst aus", erklärt Müller, der diese Aufgabe wie Pechthold unter einen Hut mit seiner Praxis und seinem Privatleben bringen muss. Das bringt auch Tettaus Bürgermeister Peter Ebertsch (Bündnis für Tettau) auf die Palme. "Es kann nicht sein, dass die heimische Bevölkerung nicht mehr versorgt ist", betont er und ärgert sich dabei auch über viele zusätzliche Einsätze, zu denen die beiden Mediziner ins nahe Thüringen gerufen werden.


Das Geld steht nicht im Vordergrund

"Der monetäre Aspekt spielt da eine untergeordnete Rolle", stimmt der Bürgermeister den Notärzten zu, dass die beiden in erster Linie Luft zum Leben bräuchten. Durch den fehlenden Schichtwechsel stünden sie zum Teil wochenweise rund um die Uhr auf Abruf bereit. Das gehe an die Substanz. Ebertsch unterstreicht aber auch, dass die Praxen auf Sicht unter den permanenten Notfall-Absenzen der Ärzte leiden könnten.

Ein Ansatzpunkt, um die Lage am Rennsteig zu entschärfen, ist für Pechthold ein Einwirken auf den Dienst in Südthüringen. "Die Notarzteinsätze müssten dort schärfer gestellt werden", fordert sie, nicht mehr wegen Lappalien viele Kilometer außerhalb ihres eigentlichen Einsatzbereichs aushelfen zu müssen. "Wir brauchen mehr Notärzte!", lautet für Müller die Lösung des Problems. Diese aufzutreiben, sei aber nicht die Aufgabe der Ärzte, sondern eine der Politik. "Die negiert seit Jahren den drohenden Ärztemangel", stellt der Mediziner fest. Gerade deshalb hat Bürgermeister Ebertsch das Thema nun auch in die Öffentlichkeit getragen.

Die bisherigen Bestrebungen der Politik und der Kassenärztlichen Vereinigung, Notärzte aufs Land zu locken, seien nicht zielführend, sind sich die drei Gesprächspartner einig. Eine Veränderung bei der Vergütung habe laut Müller unter dem Strich keine Auswirkung auf die tatsächliche Entlohnung gezeigt. "Im Gegenteil: Mehr Einsätze, weniger Gesamtvergütung!"


Kein Anreiz für junge Ärzte

So bleibe es bei der Problematik, dass die älteren Mediziner den stressigen Dienst nicht mehr ausführen wollten, während jüngere gar keine Ambitionen entwickelten, sich den ausbildungs-, zeit- und stressintensiven Notarztdienst anzutun. "Wer, der fest im Beruf steht, setzt sich denn am Wochenende hin und starrt die Raufasertapete an, bis es bimmelt?", zeigt Müller sogar ein gewisses Verständnis für die mangelnde Motivation.

Den Bürgern sei meistens nicht klar, dass man keinen Mediziner zum Notarztdienst verdonnern könne. "Der Bevölkerung ist auch nicht bekannt, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst und der Notarztdienst zwei völlig unterschiedliche Kategorien sind." Während der Bereitschaftsdienst für niedergelassene Ärzte verpflichtend sei, übernehme ein Mediziner den Notarztdienst freiwillig.

"Wir sind gezwungen, mit dem System zu leben", zieht Pechthold nüchtern Bilanz und hofft auf eine Verbesserung der Situation. Auf Dauer werden die beiden Mediziner den Notarztdienst sonst nicht mehr 365 Tage im Jahr gewährleisten. Sie wollen zwar vorerst weiter nach Möglichkeit die Schichten abdecken, sich aber auch vereinzelt Auszeiten nehmen. Darin bestärkt sie Bürgermeister Peter Ebertsch: "So lange man so weitermacht wie bisher, wird ja nichts geändert." Deshalb müsse man irgendwann die Bremse treten und ein Zeichen an die Entscheidungsträger geben.


Das sagt die KVB

Ernst Schlereth von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) kennt die Notarztproblematik im nördlichen Landkreis Kronach - und die Schwierigkeiten, diese zu lösen. "Die Notarzttätigkeit ist keine vorgeschriebene Leistung. Niemand kann dazu gezwungen werden", bestätigt er Michael Müllers Aussage. "Sie erfordert auch Zusatzausbildungen - und auch dazu kann niemand gezwungen werden." Dennoch müsse man die vier Standorte im Kreis Kronach mit Notärzten besetzten. Ärzte, Klinikärzte und auswärtige Mediziner würden dafür mit herangezogen. Da werde es jedoch schwierig, weil dieser Job nicht lukrativ genug sei.


Gespräch in Kronach

"Ich will mir nicht ausmalen, was kommen könnte", stellt Schlereth fest, weiter an einer Lösung für die Engpässe im Frankenwald zu arbeiten. Bei einem Gespräch im Landratsamt am 11. März soll auch mit den betroffenen Ärzten über die Thematik diskutiert werden, wie Stefan Schneider seitens der Behörde mitteilt.

Doch was würde passieren, wenn alle Stricke reißen und keine Lösung gefunden wird? Die letzte Option in einem solchen Fall sei im Gesetz verankert, so Schlereth. "Wenn ein Standort nicht besetzt werden kann, darf sich die KVB an die nächste Klinik wenden." Wenn sich diese dazu in der Lage sehe, dürfe sie eigens Notärzte einstellen, deren Arbeitsleistung über die KVB abgerechnet werden müsste. "Diese Notärzte wären dann nicht mehr auf Honorarbasis tätig", so Schlereth.