"Das war ein enormer psychischer Druck, dem er leider nicht standgehalten hat", glaubt Barbara Heinlein von der Flüchtlingshilfe Kronach. "Als er wieder hier war, war schnell klar, dass ihm das viel zu viel ist in einer Unterkunft mit sechs Mitbewohnern aus verschiedenen Ländern, ohne jegliche Privatsphäre." Die Abschiebeaufforderung habe wie ein Trigger gewirkt, der Erlebnisse aus seiner Heimat wieder aufleben ließ. "Doch die Tat ist damit natürlich nicht zu rechtfertigen."
Von einer Unterkunft zur nächsten
Trotzdem fällt es der Flüchtlingshelferin schwer, Hamidi als Mörder zu sehen, der einen Mann skrupellos umgebracht hat. "Für mich sind beide Opfer eines Systems, das dringend verändert werden muss." Kennengelernt habt sie Hamidi bereits während der Flüchtlingswelle 2015, damals in der Mitwitzer Unterkunft. "Dort hat er sich auch wirklich gut integriert", erinnert sie sich. "Ich habe ihn als wahnsinnig lieben Menschen kennengelernt."
Nicht zuletzt die Marktgemeinde habe sich sehr engagiert. Doch nach etwa zwei Jahren wurde das einstige Jugendübernachtungshaus saniert - und die Flüchtlinge auf andere Gemeinden umverteilt.
Hamidi sei nach Tschirn gekommen. "Auch dort haben die Leute ihr Möglichstes getan. Doch für junge Menschen war es wahnsinnig schwer, sich dort einzufügen." Anschließend kam Hamidi in die Unterkunft nach Oberlangenstadt, bevor er im vergangenen Sommer eine Wohnung in Kronach fand.
Diese habe er jedoch nur wenige Wochen bewohnt, weil dann die Abschiebeaufforderung kam und er daraufhin abgetaucht sei. Zuletzt soll Hamidi nach Informationen des Fränkischen Tags im Ankerzentrum in Bamberg gewohnt haben. Trotzdem war er am Samstag in der Kronacher Unterkunft, wo er auf das Opfer traf, mit dem es bereits seit längerem immer wieder zu Konflikten gekommen sein soll. Die beiden kannten sich seit ihrem Aufenthalt in Mitwitz.
Ob die Tat passiert wäre, wenn Hamidi nicht abgeschoben worden wäre? Wenn er keine Angst davor hätte haben müssen, dass er zurück in das Land muss, in dem ihn die Taliban tot sehen wollen? Darüber will Heinlein nicht spekulieren. "Sicher ist jedoch, dass ihn die deutsche Flüchtlingspolitik in eine Situation gebracht hat, die extrem belastend für ihn war." Afghanistan sei alles andere als ein sicheres Herkunftsland. "Wir können uns in unserem Wohlstand nicht so aufspielen, als ob wir die Welt gepachtet hätten. Für die Zukunft sollten wir dringend über eine andere Asylpolitik nachdenken."
Opfer hoffte auf Ausbildung
Doch was passiert ist, kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Das 23-jährige Opfer habe vor kurzem eine Arbeitserlaubnis bekommen, auf eine Ausbildung und somit auf eine Duldung gehofft. Doch Hamidi beendete in einem Moment der Wut und Hoffnungslosigkeit sein Leben. Nach FT-Informationen hat die Mutter des Opfers darum gebeten, dass sein Leichnam nach Afghanistan zurückgeführt wird.
Der anonyme Informant fasst ernüchtert zusammen: "Leider ist Hamidi einer der seltenen Fälle, bei denen ich sagen muss: Für einen Menschen mit seiner Vorgeschichte gibt es keine Hilfe. Er wäre auch vor der Tat wohl nie wieder froh geworden."
Was bleibt, ist ein Toter. Und ein Mann, der vor dem Schrecken in seiner Heimat geflohen ist, doch dessen Herz der Krieg am Ende doch eingeholt hat.