"Kronacher" Musical zu 500 Jahre Reformation

3 Min
Wolfgang Simon, 48, stammt aus Kronach und lehrt an der Uni Erlangen. Foto: privat
Wolfgang Simon, 48, stammt aus Kronach und lehrt an der Uni Erlangen. Foto: privat

Der aus Kronach stammende Wolfgang Simon sagt, wie er auf die Idee mit dem Musical kam - und warum alle dieses Jubiläum feiern sollten.

Der aus Kronach stammende Wolfgang Simon sagt, wie er auf die Idee mit dem Musical kam - und warum alle dieses Jubiläum feiern sollten. Wolfgang Simon aus Kronach lehrt an der Friedrich Universität Erlangen Neuere Kirchengeschichte. Der 48-Jährige hat zum Reformationsjubiläum ein Musical verfasst, das demnächst in Nürnberg (13. November), Dechsendorf (20. November) und Kairlindach (19. November) aufgeführt wird. Zudem erscheint es auch im Strube-Verlag, so dass es Kirchengemeinden nachspielen können.

Wie kam die Idee mit dem Musical zum Lutherjahr?
Ich bin in unserer Kirchengemeinschaft aktiv. In meinem Wohnort, in Großenseebach/Landkreis Erlangen gibt es verschiedene Chöre, mit denen ich schon Musicals, wie beispielsweise "Esther" einstudiert habe.
Mir ging es darum, dass ich jetzt zum Jubiläum möglichst viele und alle Generationen, von sechs bis 80 Jahren, mit einbinde.

Worauf können sich denn die Besucher freuen?
Auf historische Inhalte, Musik, Chöre und auf Instrumentalisten. Dargestellt wird die Geschichte von Martin Luther, sein erster Schultag, seine Studentenzeit, die Aufnahme ins Kloster, die Zweifel etc. Auch seine Ehefrau Katharina von Bora findet darin Beachtung. Es wird ein Einblick in den Alltag der Familie Luther gewährt. Das Musical endet schließlich mit einer Szene in Worms, als Martin Luther widerrufen sollte, aber standhaft bleibt.

Die evangelische Kirche 500 Jahre nach ihrer Gründung. Wie sehen Sie Ihre Kirche heute?
Die evangelische Kirche hat ein großes ökumenisches Potential. Gerade in der heutigen Zeit müssen die evangelischen und die katholischen Christen zusammenhalten. Sicherlich, der Weg zur Gleichberechtigung und Toleranz war auch für die evangelischen Kirchen lang. Ihr Kirchenbild führte sie aber zum Konzept einer versöhnten Verschiedenheit der Kirchen. Es macht die Evangelischen zu den Vorreitern der Ökumene mit einer ausgestreckten Hand gerade für unsere katholischen Mitchristen. So tritt die evangelische Kirche für eine gegenseitige Anerkennung der Kirchen und Ämter ein. Sie lädt Katholiken zum Abendmahl ein und befürwortet regelmäßige ökumenische Gottesdienste. Sie hat das Patenamt für andere Konfessionen geöffnet und fordert für die Genehmigung einer konfessionsverschiedenen Ehe nicht die Unterschrift, dass die Kinder möglichst der eigenen Konfession angehören. All dies tut Rom nicht, selbst die Anerkennung der evangelischen Kirche als Kirche im eigentlichen Sinne wird verweigert. Wäre das Reformationsjubiläum da nicht die einmalige Gelegenheit, die schon lange ausgestreckte Hand der evangelischen Kirchen nun endlich zu ergreifen?

Kam es denn nicht überhaupt durch Luther erst zu dieser Spaltung?
Gewiss, und an bösen Worten gegen den Papst besteht bei Luther kein Mangel. Doch seine Ausfälle sind nicht die Ursache für Bann und Kirchenspaltung, sondern bereits die Reaktionen auf Martin Luther darauf. Er hat die Einheit mit dem Papst von sich aus nämlich aufrechterhalten wollen. Noch 1519 beschwört er die Christen: "Es kann kein Grund so groß werden, dass man sich von der römischen Kirche scheiden soll". Da hatte Papst Leo X (das wissen wir aus einem Geheimpapier vom 23. August 1518) aber schon längst seine Entscheidung gefällt.: Luther und seine Anhänger sind Ketzer und werden gebannt. Seit dieser Entscheidung des Papstes sind die Lager getrennt. Knapp aber treffend formuliert der Reformationshistoriker Thomas Kaufmann: "Ein aus dem Schuldgefühl für die Kirchenspaltung gespeiste evangelische Bußgesinnung ist Ausdruck historischer Unbildung". Gebildeter als mancher Evangelische ist da der katholische Theologe Magnus Striet, wenn er zum Reformationsjubiläum schreibt: "Pluralität hat das Christentum von Anfang an begleitet, und deshalb ist sehr die Frage, ob der Begriff Kirchenspaltung überhaupt eine angemessene Kategorie darstellt."

Ist es das 500. Reformationsjubiläum nur etwas für die evangelischen Christen?
Nein, es ist ein Jubiläum für Alle. Denn die Evangelischen haben Luther nicht gepachtet. Die Reformation veränderte nicht nur die Kirche, sondern auch die Welt. Deshalb können alle dieses Jubiläum feiern, ob sie evangelisch, katholisch oder ob sie gar keiner Kirche angehören.

Ein großes Werk von Luther war die Übersetzung der Bibel in deutsche Sprache ...
... wahr ist: Schon vor Martin Luther gab es deutsche Bibeln. Aber die Übersetzung, die Luther und seine Mitarbeiter schufen, übertraf alle bisherigen um Meilen. Es gibt kein Werk, das dem Volk so genau aufs Maul schaut und zugleich so rhythmisch und elegant formuliert ist. Luthers schöpferische Leistung ist kaum zu überschätzen. Er hat einen Katalysator für die gesamte deutsche Sprache geschaffen.

Die Übersetzung der Bibel ist dann auch mit mit Aufklärung in Verbindung zu bringen?
Wahr ist: Luther war ein mittelalterlicher Mensch. Aber mit seiner Übersetzung der Bibel in die Muttersprache ist er zu einem Motor der Emanzipation geworden. Denn nun konnten alle, und nicht nur die lateinkundige Oberschicht, die Argumentationsgrundlage des christlichen Glaubens lesen. Luther hatte entdeckt: Wenn man einen Bibeltext zu Wort kommen lässt, kann er eine andere Antwort geben, als die Autoritäten der Amtskirche. Nicht wer etwas sagt, sondern was jemand sagt, soll unter Christen entscheiden, nicht die äußere Macht der Institution, sondern die innere Kraft des Arguments. Argument statt Institution, das ist das Grundprinzip moderner Wissenschaft. Kein Wunder, dass die Hälfte aller Aufklärungsschriften in Deutschland von evangelischen Theologen verfasst wurde. Bis heute ist es ein Alleinstellungsmerkmal der evangelischen Kirchen, dass die Bibel den Dogmen und Lehren der Kirche kritisch gegenübertreten kann.

Hätte denn ohne Reformation überhaupt eine Demokratie entstehen können?
Wahr ist: Luther war kein Demokrat. Dennoch hat sein Konzept vom allgemeinen Priestertum die Demokratie in Deutschland vorbereitet. Denn aus dem biblischen Gedanken, dass weder Priester- noch Bischofsweihe irgendeinen Unterschied vor Gott machen, folgte ein gewaltiger Egalisierungsschub: Wenn vor Gott ein Papst nicht mehr gilt als ein schreiender Täufling, dann sind alle Hierarchien weltlich. Folglich kann man diese dann auch verändern. Bis heute ist es ein Alleinstellungsmerkmal der evangelischen Kirchen, dass Kirchenvorstand und Kirchenparlament (Synode) beschließen können und nicht nur eine beratende Funktion haben. Und das finde ich auch gut so.

Das Gespräch führte
Veronika Schadeck