Heute vor genau 100 Jahren hat Karl Pfleger einer Postkarte an seine Familie nach Kusel geschickt. Sein Neffe Lutz Joanni ist Kronacher und hat die Karte vor Kurzem im Nachlass seines Vaters gefunden.
Lutz Joanni aus Kronach war überrascht, als er vor zwei Monaten im Nachlass seines Vaters etwas Ungewöhnliches entdeckt hatte. "Da fiel mir eine Postkarte in die Hände", erzählt der 61-Jährige. Zuerst sei ihm der Zeppelin aufgefallen, der auf der Karte prangt. Schnell fiel ihm allerdings der Absender ins Auge: sein Onkel Karl Pfleger. Noch bemerkenswerter ist das Datum, an dem die Postkarte abgeschickt wurde: der 12. Dezember 1912. Heute vor genau 100 Jahren.
Für Lutz Joanni ist die Karte eine Begegnung mit der Vergangenheit, denn sein Onkel starb Mitte der 80er Jahre. Im rheinlandpfälzischen Kusel, wo er sein ganzes Leben verbracht hatte. "Mein Onkel war ein humorvoller Mensch", sagt Joanni - die Postkarte ist ein Hinweis darauf: Mit zwölf Jahren marschierte Karl Pfleger am 12.
Dezember in das Postamt von Kusel und schrieb folgende Zeilen an seine Familie in Kusel: "Liebe Eltern und Geschwister, ich schicke Euch diese Karte zur Erinnerung an den 12. Dezember 1912. 12 Uhr. Karl Pfleger." Dass er seiner Familie die Grüße persönlich hätte sagen können, war dem Witzbold egal. Selbst die drei Pfennig, die allein die Briefmarke gekostet hat, waren ihm nicht zu teuer.
Aus Kusel stammt auch Lutz Joannis Vater, Alfred, den es nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kronach verschlagen hatte. Der Kontakt zu seiner Familie in Kusel riss dabei nicht ab, weswegen Lutz Joanni sich noch gut an die Besuche seines Onkels erinnert: "Der war immer sehr lustig und hat mit meinem Vater viel Wein getrunken." Ein Lebemann sei der Rheinländer Karl Pfleger gewesen.
Rundlich mit Glatze und einer Zigarre nie abgeneigt.
Weißwürste versus Bratwürste "Wenn er in Kronach zu Besuch war, wollte er immer in eine typische bayerische Gastwirtschaft", erzählt Joanni. Dies rührte wahrscheinlich daher, dass Kusel zwischen 1816 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Bayern gehörte. Weißwürste wollte Onkel Karl deshalb gerne essen - hatte dabei die Fränkisch-bayerische-Rivalität dabei außer Acht gelassen: "Wir haben ihm gesagt, dass wir in Franken sind, da gibt es Bratwürste." Natürlich nahm Karl Pfleger damit gerne Vorlieb. Schlechte Erinnerungen hat Lutz Joanni an seine Tante. "Meine Tante ist immer gefahren. Wenn wir zum Beispiel einen Ausflug nach Coburg gemacht haben, ist uns ganz Bange geworden", erzählt Joanni schmunzelnd.
Die Postkarte seines Onkels wird für Lutz Joanni heute eine besondere Rolle in seiner Zahnarztpraxis spielen: "Ich habe sie gestern schon meinen Patienten gezeigt", sagt er. "Und heute werde ich sie wieder dazu verwenden, um meine Patienten etwas abzulenken."